Die Bundesregierung hat keine Ahnung, wie viel des in deutschen Speichern eingelagerten Gases überhaupt an deutsche Verbraucher gehen kann. Man beruft sich zwar immer wieder mit Begeisterung auf „volle Speicher„, doch in Wahrheit wird das gespeicherte Gas wohl in ganz Europa verteilt – wie viel dabei fürs eigene Land übrig bleibt, ist unbekannt.
Deutschlands Gasspeicher sind zu mehr als 90 Prozent gefüllt – Stand Montagabend sollen es 92,53 Prozent gewesen sein. Grund zur Erleichterung ist das aber nicht, denn das Gas ist nicht den deutschen Verbrauchern und Unternehmen vorbehalten. Der Focus berichtet über ein Schreiben des Wirtschaftsministeriums an den stellvertretenden Unions-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn: „Kenntnisse darüber, wohin das einzelne eingelagerte Gas fließt, liegen der Bundesregierung nicht vor“, hieß es darin. Die Bundesnetzagentur sagte gegenüber der „Bild am Sonntag“: „Das gespeicherte Gas ist in weiten Teilen Eigentum von Gashändlern und -lieferanten, die häufig europaweit agieren.“
Pikant: Das betrifft auch das Gas, das die Trading Hub Europe mit Staatshilfe einkauft und unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur im ehemaligen Gazprom-Speicher in Rehden eingelagert hat. Dieses Gas wurde zwar mit Steuermitteln finanziert, ist aber nicht für Deutschland reserviert. Es kann von allen nationalen und internationalen Unternehmen, die im deutschen Gasmarkt registriert sind, gekauft werden: Entscheidend dabei ist nur, wer den Höchstpreis bietet. Für private Gaskunden ebenso wie für auf Gas angewiesene Unternehmer ein Schlag ins Gesicht: Ihre eigene Regierung zeigt offensichtlich kein Interesse daran, für Energiesicherheit zu sorgen.
Auch Spahn kritisierte dies scharf: „Das sehr teuer eingekaufte Gas in unseren Speichern muss im Winter bei den deutschen Verbrauchern ankommen“, forderte er. Das sollte in Anbetracht der Krise wohl selbstverständlich sein – doch in Deutschland stehen die Belange der Deutschen offenkundig nicht an erster Stelle.
Österreich hat übrigens ein ähnliches Problem: Dem Chef des größten österreichischen Energiespeicherunternehmens RAG zufolge soll bis Ende des Monats ein Gasspeicher-Füllstand von 85 Prozent erreicht werden. Davon gehört aber nur ungefähr die Hälfte auch tatsächlich Österreich…