Eine Rundfunkbeitragsverweigerin aus Bayern hat vor Gericht einen Teilerfolg mit Signalwirkung für ÖRR-Kritiker erzielt: Das Bundesverwaltungsgericht hat das vorangegangene Urteil aus Bayern gekippt. Das Programm des Bayerischen Rundfunks soll jetzt auf Ausgewogenheit geprüft werden.
Die jahrelange Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk – häufig nur mehr als „Staatsfunk“ betitelt – hat einen ersten juristischen Widerhall gefunden: Eine Beitragsverweigerin aus Bayern hatte bis vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geklagt, um sich gegen ihre Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags zu wehren. Ihr zentraler Vorwurf: Der ÖRR verfehle seinen gesetzlichen Auftrag zu Ausgewogenheit und Meinungsvielfalt – und damit auch die Grundlage für die Zwangsabgabe. Sie beruft sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk kein vielfältiges und ausgewogenes Programm biete und der vorherrschenden staatlichen Meinungsmacht als Erfüllungsgehilfe diene.
Die Bundesrichter entschieden nun: Zwar könne ein Beitragszahler Defizite im Programm nicht direkt als Grund für die Verweigerung der Zahlung ins Feld führen. Die Beitragspflicht bleibt grundsätzlich bestehen. Doch – und das kann als Schuss vor den Bug des ÖRRs aufgefasst werden – wenn das Gesamtprogrammangebot der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten „über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite hinsichtlich der gegenständlichen und meinungsmäßigen Vielfalt“ aufweist, kann laut Gericht die Verfassungsmäßigkeit der Beitragspflicht tatsächlich in Frage gestellt werden.
Die Hürden für eine solche Feststellung seien zwar hoch – es reicht also nicht, einzelne missliebige Sendungen zu kritisieren. Es müsse vielmehr systematisch und durch wissenschaftliche Gutachten belegt werden, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten über mindestens zwei Jahre hinweg ein grobes Missverhältnis zwischen Abgabenlast und Programmqualität produziert haben.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 18. Juli 2018 die sachliche Rechtfertigung der Rundfunkbeitragspflicht für das damalige öffentlich-rechtliche Programmangebot nicht in Zweifel gezogen. Damit hat es zu diesem Zeitpunkt eine verfassungsrechtliche Äquivalenz zwischen Beitragspflicht und Programmqualität bejaht. Ob sich hieran inzwischen etwas geändert hat, obliegt der tatrichterlichen Würdigung, ohne dass den Rundfunkanstalten insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht. In den Blick zu nehmen ist eine längere Zeitspanne von nicht unter zwei Jahren, die mit dem in dem angefochtenen Bescheid abgerechneten Zeitraum endet. Bietet das klägerische Vorbringen – in aller Regel durch wissenschaftliche Gutachten unterlegt – hinreichende Anhaltspunkte für evidente und regelmäßige Defizite, hat ein Verwaltungsgericht dem nachzugehen. Bestätigt sich dies im Rahmen der Beweiserhebung zur Überzeugung des Gerichts, so hat es die in § 2 Abs. 1 RBStV verankerte Rundfunkbeitragspflicht dem Bundesverfassungsgericht im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit vorzulegen.
Aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als Vorinstanz hatte keine solche Prüfung vorgenommen, sondern lediglich auf die Möglichkeit verwiesen, das Angebot „nutzen zu können“: Die Frage nach strukturellen Defiziten bei der Erfüllung des Funktionsauftrags befand man als irrelevant. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies nun kassiert und den Fall nach Bayern zurückverwiesen: Die bayerischen Richter sollen jetzt prüfen, ob der Bayerische Rundfunk seiner gesetzlichen Pflicht zur Ausgewogenheit noch gerecht wird.
Zwar bleibt das Bundesverwaltungsgericht sehr skeptisch, ob die Klägerin mit ihrem Anliegen letztlich durchdringen kann. Doch allein die Tatsache, dass Programmkritik nicht reflexhaft abgewiesen wird, ist ein erster Erfolg für die wachsende Zahl der ÖRR-Kritiker.
