In Nepal sitzen dank der Corona-Bestimmung zahllose Touristen in Geiselhaft: Sie können das Land nicht verlassen. Die Regierung hilft nicht, sondern macht sie durch die Verhängung von Strafzahlungen auch gleich noch zu Goldeseln. Unser Gastautor berichtet:
Ein Beitrag aus Nepal von Tom Rasic
Nepal ist bekannt für den majestätischen Himalaja, die reichhaltige Kultur sowie frostige Staus am Mount Everest und gilt als Geburtsland von Buddha. Vor der Pandemie zog das ehemalige Königreich jährlich hunderttausende Bergsteiger und Rucksacktouristen aus aller Welt an. Das als durchwegs korrupt bekannte Entwicklungsland wird von zahlreichen internationalen NGO’s für Armutsbekämpfung, edukative Entfaltung und medizinischen Beistand unterstützt. Seit dem Massenmord im nepalesischen Königshaus und Auslöschung der kompletten royalen Familie im Jahr 2001 hielt keine einzige gewählte Regierung eine komplette Amtsperiode durch. Durch turbulente Machtkämpfe gelang es Sher Bahadur Deuba am 14. Juli 2021 zum 5. Mal Premierminister von Nepal zu werden. Deuba gilt als umstritten. Im Juli 2005 wurde er wegen Korruption zu zwei Jahren Haft verurteilt, kam aber am 13. Februar 2006 wieder frei, nachdem die Antikorruptionsbehörde, die ihn verurteilt hatte, verboten worden war.
Wenn Touristen mit abgelaufenem Visum zu politischen Geiseln werden
Nepal befindet sich immer noch im Lockdown. Das Land wurde schwer von der Pandemie in Mitleidenschaft gezogen. Sowohl die vorherige kommunistische als auch die derzeitige Regierung der Kongress-Partei sind derzeit mit anderen Themen „beschäftigt“. Es scheint, als habe man ganz darauf vergessen, dass noch etliche Touristen aus Europa, Australien und vielen anderen Ländern der Welt sich entweder freiwillig oder aus Mangel an Möglichkeiten zur Ausreise im Land befinden. Selbst frisch verheiratete Paare werden zerrissen, da es an legalen Möglichkeiten und Ressourcen bei den Gerichten mangelt. Seit 29. Juli 2021 ist ein Großteil dieser Menschen illegal im Land, da die Regierung sich nicht dazu äußert, deren abgelaufene Visa zu verlängern.
Warum wollen oder können diese Menschen das Land nicht verlassen? Nepal befindet sich mit Bangladesch, Indien, Sri Lanka und Pakistan seit Aufkommen der Delta-Variante auf der Roten Liste für Einreise- und Flugbestimmungen. Es gibt wöchentlich nur wenige Flüge, davon sind die meisten ausnahmslos für nepalesische Gastarbeiter gechartert. Flüge nach Europa scheitern an mangelnden Transit-Ländern – genauer gesagt an Verboten für Zwischenstopps. Die Flüge kosten teils mehrere Tausend Euro (ein Flug von Wien nach Kathmandu betrug vor der Pandemie durchschnittlich 280 Euro mit Zwischenstopp in Delhi). Andere Staaten gewähren Einlass nur noch für Geimpfte. Impfungen sind in Nepal nicht zu bekommen, da zuerst die Mitglieder der Regierung und deren Familien dafür vorgesehen sind. Australier benötigen, um überhaupt in Ihre Heimat retournieren zu können, um dort in einer extrem kostspieligen Quarantäne verwahrt zu werden, einen 72-Stunden alten PCR-Test. Aufgrund der Flugrouten und Zwischenstopps ist eine Einreise daher nicht möglich.
Tausende touristische Geiseln als neue Einkommensquelle
Damit nicht genug, hat nun die Regierung gestrandete Touristen als zusätzliche Kompensation für die gegen die Wand gefahrene Wirtschaft entdeckt. Sämtliche Touristen, die noch im Land verweilen, wurden bereits mit horrenden Gebühren und Strafen belangt. Selbst der harte Lockdown vom 29. April, welcher bis Juni andauerte, musste zur Gänze bezahlt werden. Ein Visum in Nepal sind eine kostspielige Angelegenheit: pro Tag werden nach dem ersten Monat 3 USD veranschlagt. Das „Department of Immigration“ gewährte freie Ausreise ohne Gebühren bis zum 15. Juli 2021 – Flüge gab es zu der Zeit allerdings keine zu buchen.
Zahlreiche Menschen in Nepal sind frustriert und möchten das Land verlassen. Nun werden diese davon abgehalten, bereits bezahlte Flüge anzutreten – mit dem Verweis, deren Visa vorab zu regulieren. Im letzten offiziellen Statement der Regierung ist nachzulesen, dass Visa am Flughafen reguliert werden, dieser fühlt sich jedoch nicht mehr zuständig. Stattdessen müssen diese im komplett überforderten und überfüllten „Immigration Office Kathmandu“ reguliert und teuer bezahlt werden. Einige Tage Überzug des Visums kosten knapp 200 USD Strafe, eine willkürliche Steigerung wurde bereits angekündigt. Von den wenigen, denen die Ausreise gelungen ist, wurde berichtet, dass Nepal sich mit dem roten „Deported“-(Abgeschoben)-Stempel verabschiedet hat. Dieser kann grobe Probleme bei der Einreise in andere Staaten mit sich bringen.
Zahlreichen Touristen in Nepal wurde mitgeteilt, dass diese Flüge verschieben müssen, weil man mehrere Tage benötigt, um die Papiere für die Ausreise zu veranlassen. Pässe müssen dafür mehrere Tage in die Obhut der Regierung verantwortet werden. Die Strafen und Gebühren werden in diesem Fall nicht ruhend gestellt. Hier werden europäische Staatsbürger zu Geiseln in einem Entwicklungsland. Einem Entwicklungsland, das jährlich mit Millionen an Förderungen, genauer gesagt sogar Milliarden nach dem Erdbeben 2015, von der internationalen Staatengemeinde erhält. Es gab hunderte Anfragen bei den diversen internationalen Botschaften und Amnesty International, aber bis heute keine wegweisenden Lösungen. Während deren eigene Staatsbürger in Nepal festsitzen, schicken zahlreiche Staaten Hilfslieferungen in Form von medizinischem Equipment, Geldleistungen und Impfungen in das Land.