In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul spielten sich in der Nacht zum Dienstag Szenen ab, die man eher in einem politischen Thriller erwarten würde. Präsident Yoon Suk Yeol, der sich offenbar für einen asiatischen Napoleon hielt, verhängte überraschend das Kriegsrecht – nur um es wenige Stunden später kleinlaut wieder aufzuheben.
Was war geschehen? Der konservative Staatschef, der sich seit Monaten in einem erbitterten Machtkampf mit der oppositionellen Demokratischen Partei befindet, zog die militärische Karte. Seine Begründung klang dabei wie aus dem Kalten Krieg: „Pro-nordkoreanische Kräfte“ würden den Staat bedrohen. Ein durchsichtiges Manöver, das selbst politische Beobachter mit jahrzehntelanger Erfahrung überraschte.
Doch das Parlament erwies sich als widerstandsfähiger als von Yoon erwartet. In einer nächtlichen Krisensitzung stimmten 190 Abgeordnete geschlossen gegen das Kriegsrecht – ein demokratischer Schulterschluss, der seinesgleichen sucht. Oppositionsführer Lee Jae-myung, der Yoon schon länger ein Dorn im Auge ist, bezeichnete den Vorstoß unmissverständlich als „verfassungswidrig“.
Der eigentliche Hintergrund des demokratischen Säbelrasselns liegt tiefer: Yoons Regierung steckt in der Krise. Seine Ehefrau steht im Zentrum verschiedener Skandale, hochrangige Beamte seiner Administration sehen sich Korruptionsvorwürfen ausgesetzt, und sein Haushaltsplan für 2025 wurde vergangene Woche vom Parlament abgeschmettert.
Als sich gegen 4 Uhr morgens Ortszeit auch noch das Militär auf die Seite der Verfassung schlug, blieb dem Präsidenten nichts anderes übrig, als seinen missglückten Coup einzugestehen und das Kriegsrecht aufzuheben. Ein politisches Debakel, das die ohnehin angespannte Situation in Südkorea weiter verschärft.
Die Episode erinnert fatal an die autoritären Reflexe vergangener Jahrzehnte – eine Entwicklung, die viele Südkoreaner längst überwunden glaubten. Dass ausgerechnet ein demokratisch gewählter Präsident zu solchen Mitteln greift, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Zustand der politischen Kultur im Land der Morgenstille.