Kommt langsam etwas Bewegung in den Ukraine-Konflikt? Selenskyj scheint angesichts der prekären Situation seines Landes einen Schritt in Richtung Dialog mit Moskau machen zu wollen, um Schäden an der Energieinfrastruktur abzuwenden. Immerhin droht ein weiterer frostiger Kriegswinter, der ohne eine verlässliche Energieversorgung für Millionen Menschen in der Ukraine lebensgefährlich sein kann. Wie wird der Kreml darauf reagieren?
Der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, hat erstmals einen konkreten Weg zu möglichen Friedensverhandlungen mit Russland skizziert. Der Vorschlag, der in seiner bislang vom ukrainischen Staatschef ungewohnten Pragmatik aufhorchen lässt, könnte einen ersten Schritt aus der festgefahrenen Situation bedeuten. Im Fokus steht dabei ein bemerkenswerter Ansatz: ein gegenseitiger Verzicht auf Angriffe gegen Energieinfrastruktur beider Länder. „Wir greifen ihre Energieanlagen nicht an, sie verschonen unsere“, formulierte Selenskyj in Kiew vor Journalisten seine Vision eines ersten Schritts zum Dialog. Eine solche Vereinbarung könnte seiner Einschätzung nach tatsächlich „die heiße Phase des Krieges“ beenden.
Die Tragweite dieser Aussagen lässt sich erst im Kontext der aktuellen Lage wirklich ermessen. Die Ukraine steht vor einem weiteren harten Winter. Rund 60 Prozent ihrer Stromerzeugungskapazität liegen bereits in Trümmern. Das Land hangelt sich von Stromausfall zu Stromausfall, während die Bevölkerung unter der prekären Versorgungslage ächzt. Gleichzeitig häufen sich ukrainische Drohnenangriffe auf russische Ölraffinerien und Treibstoffdepots. Fast nächtlich meldet Moskau Abschüsse von Drohnen über russischem Territorium. Diese Nadelstiche gegen russische Infrastruktur waren bisher allerdings eher symbolischer Natur – sie haben Russlands Energiesektor nicht nachhaltig geschwächt.
Der Zeitpunkt von Selenskyjs Vorstoß ist kein Zufall. An der Frontlinie im Donbass gewinnen russische Streitkräfte zunehmend die Oberhand, während die Ukraine mit massiven Personalproblemen bei den Truppen kämpft. Sein kürzlich propagierter Fünf-Punkte-„Siegesplan“ stößt bei westlichen Verbündeten auf verhaltene Resonanz. Die USA und die NATO-Partner scheinen verstärkt auf eine Verhandlungslösung zu drängen, um eine direkte Konfrontation mit Russland zu vermeiden.
Besonders bemerkenswert: Noch vor wenigen Tagen hatte Selenskyj Gespräche mit Putin kategorisch ausgeschlossen, solange dieser an der Macht sei. Diese Position scheint nun zu bröckeln – vermutlich auch aufgrund der zunehmend angespannten militärischen Lage. Der Ball liegt jetzt im Kreml. Ein beidseitiger Verzicht auf Angriffe gegen Energieziele könnte tatsächlich der lang ersehnte erste Schritt sein, um beide Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Moskau dieses erste zaghafte Friedenssignal aus Kiew aufgreifen wird.