Kaum ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat in den vergangenen Jahren so weitreichende Folgen wie der Klima-Beschluss vom 24. März 2021: Das höchste deutsche Gericht verordnete nicht nur einen „Schutz des Klimas“ als Staatsziel, sondern fordert „Klimaneutralität“ – mit gravierenden Folgen für die Freiheitsrechte der Bürger. Der Marburger Rechtsprofessor Sebastian Müller-Franken warnt in einem vielbeachteten Gastbeitrag in der “Welt” eindringlich vor dem „Beginn einer Regierung der Richter“, die 2031 voll wirksam werden könnte.
Was vom Mainstream gern als ach so notwendige Reaktion auf eine drohende Apokalypse verkauft wird, betrachten Rechtsexperten wie Müller-Franken als demokratiepolitisch höchst problematisch. Denn nach der Logik des Gerichts darf Deutschland nach dem vollständigen Verbrauch seines – ohnehin höchst umstrittenen – “CO₂-Budgets” im Prinzip gar keine Emissionen mehr verursachen. Fast jede Form von Lebensgestaltung und “Freiheitsbetätigung”, so Müller-Franken, wäre damit betroffen: „Freiheit als Auslaufmodell“ nennt er es.
Neue “Übernorm” tötet Freiheitsrechte
Der Beschluss des Gerichts geht weit über das hinaus, was der Gesetzgeber ursprünglich intendiert hatte. Indem die Richter dem Staatsziel Umweltschutz den Zusatz „Klimaneutralität“ aufzwingen, agieren sie nicht mehr als Hüter, sondern als Schöpfer neuen Verfassungsrechts. Ein Staatsziel, das in den Verhandlungen 1993 so gar nicht angedacht war, wird dem Rechtsprofessor nach zur “Übernorm” stilisiert, der sich fortan alle anderen verfassungsrechtlichen Belange unterzuordnen haben. Das stellt den Kern des Grundgesetzes auf den Kopf: Nicht mehr die Freiheit ist das Prinzip und ihre Einschränkung die Ausnahme – stattdessen droht quasi eine generelle Genehmigungspflicht für jede Form des „CO₂-relevanten“ Verhaltens (Müller-Franken nennt es “CO2- Zulassungsvorbehalt”).
Keine stichhaltige Argumentationsbasis
Müller-Franken kritisiert scharf, dass sich das Gericht nahezu ausschließlich auf staatlich beeinflusste Institutionen wie das Umweltbundesamt und den Sachverständigenrat für Umweltfragen stützt:
Diese Auswahl der Quellen lässt das Bemühen erkennen, durch deren Amtlichkeit die tatsächlichen Annahmen mit dem Siegel der Verlässlichkeit zu versehen.
Aber genau in dieser Amtlichkeit liegt das Problem: Das UBA etwa ist eine nachgeordnete Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt und Energie, die den Weisungen des Ministers unterliegt. Der SRU ist zwar nicht weisungsgebunden, wohl aber werden dessen Mitglieder vom zuständigen Umweltministerium ausgewählt und so auch von der Politik besetzt.
Kritische Stimmen, etwa zu höchst umstrittenen Hypothesen wie der Kipppunkt-Theorie, wurden weder gehört noch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung erörtert. Dass zentrale Grundlagen der Entscheidung auf populärwissenschaftlichen Werken einzelner Klimaaktivisten basieren, unterstreicht das demokratische Defizit. Das Gericht setzt somit ohne einwandfreie wissenschaftliche Basis voraus, dass zukünftig Freiheitseinschränkungen vonnöten wären, die ab 2031 der Generationengerechtigkeit halber durchgedrückt werden können – unter Gefährdung aller grundrechtlichen Freiheiten.
In Wahrheit wird der CO₂‑Ausstoß global eher erhöht
Dass der Anteil Deutschlands am weltweiten CO₂-Ausstoß vernachlässigbar ist, interessierte die Richter nicht: Sie argumentieren, dass jede nationale Verweigerung dem globalen Ganzen schade – wohl eher ein moralisches Argument, wie Müller-Franken einwendet. Zumal viele Staaten mit erheblich größerem Ausstoß keinerlei Ambitionen zeigen, ihre Emissionen zu begrenzen. Deutschland läuft so Gefahr, seine Industrien ins Ausland zu treiben, ohne dass das Weltklima profitiert – im Gegenteil: “Deutsche Maßnahmen haben in diesem Fall global betrachtet keinen und, wenn im Ausland mit einer geringeren CO₂-Effizienz gearbeitet wird, sogar einen negativen Effekt auf die Entwicklung des Weltklimas.”
„Vormundschaft“ der Richter: Aushebeln der Demokratie
Das Bundesverfassungsgericht erklärt der Einschätzung des Rechtsprofessors nach praktisch sein Misstrauen gegenüber der demokratischen Selbststeuerung der Bundesrepublik. Müller-Franken zufolge sah sich das Gericht “berufen, die ‘Vormundschaft’ über die Klimaschutzpolitik zu übernehmen und in einem ‘gouvernement des juges’, einer Regierung der Richter, die in Deutschland geltenden Regeln für die Rettung der Welt dekretieren zu müssen: Mit dem Klima lässt sich nicht verhandeln”. Diese „Regierung der Richter“ greift also mit dem Klima als Hebel in die Kompetenzen der Legislative und Exekutive ein.
Müller-Franken schlussfolgert, dass das Grundgesetz das Bundesverfassungsgericht keineswegs verpflichte, den Deutschen “den Verlust ihrer Freiheit ‘zur Weltrettung per Gerichtsbeschluss’ aufzuerlegen.” Stattdessen habe es dem Klimaschutz einen verfassungsrechtlichen Rahmen zu setzen, der die Freiheit der Bürger schone.
Machtergreifung?
Nun wissen informierte Menschen ohnehin um die Fragwürdigkeit des Klima-Narrativs: Das Bundesverfassungsgericht straft es selbst Lügen, indem es die Abwanderung der Emissionen verursachenden Industrie in Teile der Welt, wo sich niemand um CO₂-Effizienz schert, aktiv fördert. Die Erörterungen von Müller-Franken lassen allerdings neue Schlüsse für die Beantwortung der Frage “cui bono?” zu. Denn: Wer profitiert von der aufgezwungenen “Transformation”? Ganz sicher nicht die Bürger, deren Freiheitsrechte und Wohlstand zerstört werden. Sehr wohl aber jene, die ihre Machtbasis in der neuen Klimadiktatur ausbauen. Wer zu dieser Gruppe zählt, hat Müller-Franken schonungslos offengelegt.
