Es gab eine Zeit, in der Wladimir Putin Russland in die NATO führen wollte. Doch die Kalten Krieger in Washington und London lehnten dies ab. Nun erntet der Westen die Früchte dieser Saat – und verliert global an Einfluss. Jener des Duos China-Russland hingegen wächst. Es hätte allerdings auch ganz anders kommen können.
Ein Kommentar von Heinz Steiner
Sowohl Michail Gorbatschow als auch Boris Jelzin und Wladimir Putin (Anfang der 2000er) haben einen NATO-Beitritt Russlands immer wieder ins Spiel gebracht. Doch vor allem in Washington und London stießen die Annäherungsversuche immer wieder auf Ablehnung. Dabei war die Idee, eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur quer über die nördliche Halbkugel – von Nordamerika über Europa bis hin in den fernen russischen Osten – zu schaffen, eigentlich im gemeinsamen Interesse aller Völker. Konflikte wie jene in Georgien, der Ukraine oder in Moldawien wären damit wahrscheinlich nie so eskaliert, wie wir es in den letzten Jahren erlebten.
Als Ergebnis der Entwicklungen wandte sich Moskau zusehends Peking zu. Immerhin entwickelte sich China in den letzten beiden Jahrzehnten zusehends hin zu einer wirtschaftlichen Weltmacht, die auch auf die Lieferung von natürlichen Ressourcen zur ökonomischen Entwicklung angewiesen war und ist. Hinzu kommt die zunehmend höchst fortschrittliche Militärtechnologie Russlands, welche für die Chinesen ebenfalls sehr interessant ist. Mit der zunehmend feindseligen Haltung des kollektiven Westens gegenüber Moskau und Peking festigten sich die bilateralen Beziehungen weiter. Mittlerweile gelten die beiden langjährigen Staatsoberhäupter Wladimir Putin und Xi Jinping als Freunde, die das Band zwischen den beiden Nationen noch stärker festigen.
Für den von den Amerikanern angeführten Wertewesten ist dies jedoch zusehends ein Problem. Immerhin weiten sowohl Russland als auch China ihren globalen Einfluss immer weiter aus. Nicht nur in Asien und Ozeanien, sondern auch in Afrika und in Lateinamerika. Moskau und Peking füllen jene Lücken aus, welche die Europäer (die als ehemalige Kolonialmächte ohnehin einen schlechten Stand haben) und die Amerikaner hinterlassen. Denn diese haben den Ruf, anmaßend und belehrend zu sein. Der Präsident der Demokratischen Republik Kongo erklärte die in Afrika weit verbreitete Sichtweise, wie das nachfolgende Video zeigt.
Die Wahrnehmung der Afrikaner gegenüber den Russen und den Chinesen ist eine andere als gegenüber den Europäern und den Amerikanern. Das wirkt sich auch auf die internationalen Beziehungen und den globalen Handel aus.
Es zeigt sich, dass der Wertewesten sich mit dem Ausschluss Russlands selbst ins Knie geschossen hat. Ohne die enge Zusammenarbeit mit Russland sähe die geopolitische Lage heute wohl etwas anders aus. Doch das Feindbild Putins Russland prägt den Wertewesten, sodass wir heute in einer Welt leben, die von mehr Konflikten geprägt ist, als es bei einer Inklusion Russlands der Fall gewesen wäre.
Insofern zeigt auch die eben erst verabschiedete „Gemeinsame Erklärung zur Vertiefung der umfassenden strategischen Partnerschaft der Koordination zwischen China und Russland für die neue Ära„, worauf sich die Welt in den kommenden Jahren einstellen muss. Denn die sich immer weiter vertiefende Zusammenarbeit der beiden Großmächte in faktisch allen relevanten Feldern – Wissenschaft, Wirtschaft, Technologie, Sicherheit … – wird den Spielraum des Westens sukzessive weiter einengen und die westlichen Mächte aus immer mehr Weltgegenden zurückdrängen. Die Jahrhunderte, in denen die Westeuropäer und schlussendlich die Amerikaner faktisch die Welt beherrschten, neigen sich dem Ende zu. Nun folgen offensichtlich zwei klassische Kontinentalmächte den alten Seemächten auf der Weltbühne. Sind die Europäer bereit dafür?