„Das wird Lauterbach nicht gefallen“, titelte die Berliner Zeitung anlässlich der Veröffentlichung der vollständigen und ungeschwärzten Protokolle des RKI-Krisenstabs. Das wollte der Minister offenbar nicht auf sich sitzen lassen: Auf X behauptete er prompt, das RKI habe die Protokolle mit seiner Zustimmung ja ohnehin publizieren wollen – man hätte nur die „Rechte Dritter“ schützen müssen. Ein solcher „Dritter“, der in den Protokollen namentlich erwähnt wird, ist FDP-Vize Wolfgang Kubicki: Er fuhr dem Gesundheitsminister mit einem brisanten Tweet in die Parade.
Es war das Multipolar-Magazin, das den Stein rund um die RKI-Files ins Rollen brachte: Der entsprechende Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz wurde bereits im März 2021 gestellt. Die Ablehnung erfolgte am 30. Dezember 2021 (und somit nach Karl Lauterbachs Ernennung zum Gesundheitsminister am 8. Dezember 2021). Im März 2024 gelang es Multipolar im Zuge des andauernden Rechtsstreits, die Protokolle vom Januar 2020 bis zum April 2021 freizuklagen – jedoch mit erheblichen Schwärzungen. Das weckte das Misstrauen der Öffentlichkeit, zumal die Protokolle schon mit besagten Schwärzungen Brisantes ans Licht brachten. Der Druck auf die Behörden stieg. Seither beteuern RKI und Gesundheitsminister, dass eine vollständige (Krisenstabssitzungen fanden bis ins Jahr 2023 hinein statt!) und weitgehend ungeschwärzte Veröffentlichung der Dokumente ganz bestimmt irgendwann erfolgen würde.
Glaubwürdig war das nicht. Der Rechtsstreit von Multipolar-Chef Paul Schreyer gegen die Bundesrepublik setzte sich fort. Noch immer ging es um die Schwärzungen der Dokumente bis zum April 2021. Am 16. Juli 2024 erst publizierte die „Welt“ einen Bericht hinter der Bezahlschranke, der einen Verfahrenstermin dokumentierte. Beim Prüfen der Schwärzungen der Dokumente konstatierte selbst der Richter an einer Stelle, dass „nicht zwingend schwerwiegende Aussagen“ geheim gehalten werden sollten: „Sie haben einfach eine generalisierende Schwärzung vorgenommen.“ Sieht so Interesse an Transparenz aus?
Einem Whistleblower ist es zu verdanken, dass dieses unwürdige Spiel nun ein Ende hat. Die Protokolle der Sitzungen bis zum 7. Juni 2023 sind frei verfügbar – ohne Schwärzungen. Für Karl Lauterbach ist das eine schallende Ohrfeige, denn die nun mehr für jedermann einsehbaren Dokumente belegen die politische Lüge einer „Pandemie der Ungeimpften“, die er selbst vorangetrieben hat wie kein anderer. Die Impfpflicht-Abstimmung fand während seiner Amtszeit statt, er selbst wollte eine allgemeine Impfpflicht installieren – dabei prangerte das RKI schon unter seinem Vorgänger Jens Spahn die falsche Kommunikation hinsichtlich der Wirksamkeit der Impfung an. Hass und Hetze gegen Ungeimpfte, wie sie zahlreiche politisch Verantwortliche verbreiteten, beruhten somit ebenso auf Lügen und Irreführung wie die politischen Maßnahmen, die diese Bevölkerungsgruppe diskriminierten und ausgrenzten.
Lauterbach wollte Veröffentlichung herunterspielen
Wie reagierte Lauterbach? Er behauptete auf X, mit seiner Zustimmung habe das RKI die Dokumente doch sowieso veröffentlichen wollen. Er empört sich, dass nun nicht die „Rechte Dritter“ geschützt worden wären. „Zu verbergen gibt es trotzdem nichts“, schrieb er. Das kann man glauben, muss man aber nicht. Es fragt sich: Warum dann eigentlich das ganze Theater?
Das @rki_de hatte ohnedies vor, mit meiner Zustimmung, die RKI-Files des Corona-Krisenstabs zu veröffentlichen. Jetzt geschieht es ohne dass die Rechte Dritter, auch Mitarbeiter, vorher geschützt worden wären. Zu verbergen gibt es trotzdem nichts
Karl Lauterbach
Tatsächlich reagierte auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki auf Lauterbachs Tweet: Er outete sich als „Dritter“, dessen Name in den Protokollen auftaucht, und konstatierte, er habe keine Anfrage hinsichtlich einer ungeschwärzten Veröffentlichung bekommen. „Ich darf daher meinen Zweifel an dem Willen zur zügigen und umfassenden Veröffentlichung anmelden“, so Kubicki. Harte Worte – die ihre volle Wirkung eher entfalten würden, wenn die FDP die Ampelkoalition endlich platzen lassen würde.
Missbrauch der Wissenschaft
Dass Karl Lauterbach gerade an der Veröffentlichung von Corona-Protokollen über den April 2021 hinaus wenig Interesse haben dürfte, scheint durchaus wahrscheinlich. In den Protokollen findet sich ausreichend Kritik an seinem Vorgehen: Wiederholt war herauszulesen, dass man beim RKI damit haderte, dass rein politische Entscheidungen getroffen wurden – und nicht etwa solche, die auf wissenschaftlicher Evidenz basierten.
In Summe werfen die Protokolle die Frage auf, ob Deutschland hier wirklich nach wissenschaftlichen Aspekten durch eine Gesundheitskrise geführt werden sollte. Immer wieder drängt sich der Eindruck auf, dass die Wissenschaft nur mehr zum Instrument verkommen war, das unabhängig von der Realität politische Entscheidungen rechtfertigen sollte. Wiederholt zeigte sich, dass ein kritisches Hinterfragen von Daten und Vorgaben politisch unerwünscht war. In einem der letzten Protokolle konstatiert man wörtlich, dass es allein die Entscheidung des WHO-Chefs sei, inwieweit gerade eine „Pandemie“ herrscht – egal, wie die Lage im Land ist. Angesichts der Tatsache, dass die WHO von Krisenprofiteuren finanziert wird und in keiner Weise demokratisch legitimiert ist, ist allein diese Aussage ein Skandal.
Dass die Öffentlichkeit von alledem besser nichts erfahren sollte und die Publikation dieser Protokolle unerwünscht war, scheint entsprechend naheliegend. Wer hier Transparenz verweigert, dürfte den Boden der Demokratie jedoch verlassen haben. Wer solchen Politikern noch Vertrauen schenkt, ist selbst schuld.