Ansonsten gesunde Erwachsene in der kanadischen Provinz New Brunswick erkranken an neurologischen Symptomen. Dutzende junger Menschen, die keine Vorerkrankungen haben, entwickeln Symptome einer neuen Krankheit. Wissenschaftler und Familien der Opfer vermuten eine Vertuschung seitens der Provinzregierung.
Ein Informant des Vitalité Health Network in New Brunswick in Kanada berichtete dem britischen Guardian am Sonntag, dass zu den Symptomen Halluzinationen, Denkstörungen, eingeschränkte Mobilität, Schlaflosigkeit und schneller Gewichtsverlust gehören. Berichten zufolge haben sich die örtlichen Behörden bemüht, die wachsende Zahl von Fällen als Alzheimer oder andere neurologische Krankheiten abzutun, die nur bei älteren Menschen vorkommen. Während die offizielle Zahl der Fälle, die seit dem Bekanntwerden der mysteriösen Krankheit im Frühjahr registriert wurden, nicht über 48 hinausgegangen ist, berichteten mehrere Quellen gegenüber The Guardian, dass sich möglicherweise bis zu 150 Menschen mit der schnell fortschreitenden Krankheit angesteckt haben. Noch mehr junge Menschen müssen untersucht werden, und mehrere sind bereits gestorben. „Ich bin wirklich besorgt über diese Fälle, weil sie sich so schnell zu entwickeln scheinen“, sagte die Quelle gegenüber der Zeitung und fügte hinzu, dass man den Betroffenen eine Erklärung schulde.
Unbekannter Übertragungsweg?
Eines der beunruhigendsten Elemente der Krankheit ist, wie wenig über die Übertragung bekannt ist. In mindestens neun Fällen haben Betreuer und andere Personen, die in engem Kontakt mit den Erkrankten standen, ähnliche Symptome wie die Erkrankten entwickelt, was darauf hindeutet, dass sich die Krankheit nicht nur durch unmittelbaren Kontakt übertragen kann, sondern dass möglicherweise auch Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Einige haben die Krankheit mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) verglichen, einer tödlichen Gehirnerkrankung, die durch fehlgeformte Proteine, so genannte Prionen, verursacht wird, obwohl die Untersuchungen Berichten zufolge keine bestätigten CJD-Fälle ergeben haben. Da diese Krankheit jedoch lokal beschränkt ist, klingt eine spezifische lokale Ursache plausibel.
Die Provinzregierung hat sich bislang bemüht, die Fälle geheim zu halten. Die Häufung von Fällen wurde erst im vergangenen Jahr bekannt, als ein Memo an die Medien durchsickerte. Allerdings hat die Regierung darauf bestanden, dass die „Häufung“ lediglich das Ergebnis von „Fehldiagnosen“ ist, bei denen nicht verwandte Krankheiten zusammengefasst wurden. Im Oktober erklärten die Behörden, dass acht Todesfälle auf „bekannte und nicht verwandte Pathologien“ zurückzuführen seien und nicht auf eine gemeinsame, unbekannte Krankheit. Ein im Oktober veröffentlichter epidemiologischer Bericht schloss angeblich jegliche Nahrungsmittel-, Verhaltens- oder Umweltexposition aus, die das Problem erklären könnte.
Vertuschung durch die Regierung?
Ein anderer Gesundheitswissenschaftler, der anonym bleiben wollte, vermutete jedoch, dass die Regierung etwas vertuschen wolle. „Die Tatsache, dass wir hier ein jüngeres Spektrum von Patienten haben, spricht sehr stark gegen das, was die Regierung von New Brunswick zu bevorzugen scheint – dass die Fälle in diesem Cluster fälschlicherweise in einen Topf geworfen werden.“ Tim Beatty, dessen Vater Laurie mit ähnlichen Symptomen starb und erst posthum als Alzheimer-Fall deklariert wurde, versucht, die sterblichen Überreste seines Vaters auf Neurotoxine, einschließlich β-Methylamino-L-Alanin (BMAA), einem vermuteten Auslöser der Krankheit, untersuchen zu lassen. Die lokale Wirtschaft ist stark von der Hummerfischerei abhängig, und die Chemikalie kann laut einer von The Guardian zitierten Studie in hohen Konzentrationen in Hummern gefunden werden.
Beatty und andere Familien, die Angehörige durch die mysteriöse Krankheit verloren haben, spekulieren, dass die Weigerung der Regierung, die mögliche Existenz des Krankheitsclusters in der Region anzuerkennen, politisch oder wirtschaftlich motiviert sein könnte. „Wenn eine Gruppe von Menschen Verschwörungstheoretiker züchten wollte, dann hat unsere Regierung dies auf wunderbare Weise gefördert“, so Beatty gegenüber The Guardian. „Versuchen sie nur, ein Narrativ für die Öffentlichkeit zu kreieren, von dem sie hoffen, dass wir es annehmen und es dann einfach akzeptieren? Ich verstehe es einfach nicht.“