West- und Zentralafrika wird seit einiger Zeit von Regierungsumstürzen erschüttert. Der gestern erfolgte Putsch in Gabun ist der achte seit 2020. Als Hauptgrund gilt die Unzufriedenheit mit dem herrschenden Regime und der Vorwurf des Wahlbetrugs. Allerdings unterhielt der gestürzte Präsident auch gute Beziehungen zu Paris.
Gabun ist wie der Niger, Mali, Guinea oder Burkina Faso, die kürzlich ebenfalls Regierungsumstürze erlebten, eine ehemalige französische Kolonie. Allerdings wird das an natürlichen Ressourcen reiche Land seit dem Jahr 1967 von der Bongo-Familie regiert. Omar Bongo führte das Land bis zu seinem Tod im Jahr 2009 mit eiserner Faust und wurde dann von seinem Sohn Ali Bongo, der damals Verteidigungsminister war, abgelöst. Bei den Wahlen letzte Woche gewann er gegen Albert Ondo Ossa, der als Kandidat der vereinigten Opposition gegen den zum dritten Mal antretenden Machthaber antrat. Doch er verlor.
Die Militärs, die nun gegen Präsident Bongo putschten, kritisieren vor allem den Wahlprozess. Das rund 2,5 Millionen Einwohner zählende Land mit etwa 800.000 Wahlberechtigten gilt als vergleichsweise wohlhabend, da es auf Öl- und Goldvorkommen sitzt. Doch rund ein Drittel der Bevölkerung lebt in völliger Armut, da die korrupten Eliten die Einnahmen zur persönlichen Bereicherung nutzen, anstatt die öffentliche Infrastruktur auszubauen. Es mangelt beispielsweise an einer zuverlässigen Strom- und Wasserversorgung, obwohl es genügend Mittel dafür gäbe.
Der Putsch in Gabun unterscheidet sich damit von jenen, die kürzlich in Burkina Faso oder im Niger stattfanden, wo die (ebenfalls korrupten) Machthaber ihre verarmten Länder von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich faktisch weiterhin ausbeuten ließen. Wo dort Antikolonialismus eine der Haupttriebfedern war, liegt diese in Gabun vor allem in der herrschenden Unzufriedenheit mit dem seit über fünf Jahrzehnten herrschenden Familienclan der Bongos und deren „Gabunischen Demokratischen Partei“ (PDG).
Während die westliche Presse die Coups in Burkina Faso, Mali und dem Niger kritisierten, weil dort antikolonialistische Kräfte die Macht übernahmen, hält man sich in Sachen Gabun bislang noch zurück. Denn dort scheinen die putschenden Militärs keine Verbindungen nach Russland und China zu haben. Allerdings wolle der westafrikanische ECOWAS-Block (der als „pro-westlich“ gilt) unter dem Vorsitz Nigerias die Entwicklungen dort „genau beobachten“. Denn der vom Militär abgesetzte Bongo, der in Frankreich auf eine Privatschule ging, unterhielt gute Beziehungen zu Paris.
Nun bleibt es abzuwarten, wie die Militärführung agiert. Sollte auch sie die Nähe zu Moskau und Peking suchen, könnte dies zu entsprechenden Reaktionen aus dem Westen führen. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass die putschenden Militärs enge Bindungen zu Washington pflegen.
Ein US-geführter Coup gegen eine Paris-treue Führung? Als präventive Maßnahme ist dies durchaus denkbar, um so einen Sturz Bongos durch antikolonialistische Kräfte zu verhindern.
Kritische Stimmen weisen bereits darauf hin, dass der Wertewesten in Bezug auf die „Demokratie“ sehr doppelzüngig agiert. Diktaturen werden nämlich gerne so lange toleriert, wie sie den westlichen Interessen dienen.
Afrika befindet sich derzeit in einer (antikolonialistischen) Umbruchstimmung. Welche Länder werden bald noch folgen?