In der großen Tradition russischer Säbelrassler präsentiert der Kreml dieser Tage sein neuestes Spielzeug – und es ist keines für den Sandkasten. Die Rede ist von „Oreshnik“, einer Hyperschall-Rakete, die angeblich schneller fliegt als alles, was der Westen zu bieten hat. Nichts verkauft sich besser als eine ordentliche Portion Angst, garniert mit technischen Daten.
Während unsereins noch seinen morgendlichen Kaffee schlürft, könnte – folgt man der russischen Staatspropaganda – eine Oreshnik-Rakete bereits den halben Globus durchquert haben. Mit einer Geschwindigkeit von bis zu Mach 11, also dem Elffachen der Schallgeschwindigkeit, verspricht diese Wunderwaffe Flugzeiten, die an Science-Fiction grenzen: 11 Minuten bis Kuwait, 25 Minuten bis Hawaii. Da wird selbst dem hartgesottensten Pentagon-Strategen mulmig.
Die technischen Daten lesen sich wie ein Verkaufsprospekt für den perfekten Albtraum: 5.500 Kilometer Reichweite, nuklearwaffenfähig, und angeblich durch keine westliche Abwehr zu stoppen. Der pensionierte russische Oberst Viktor Litovkin legt genüsslich nach: „Der Westen hat keine Raketen, die mit solcher Geschwindigkeit fliegen, geschweige denn überhaupt Hyperschallwaffen.“
Nicht zu vergessen: Der Kreml nutzt die jüngsten Raketentests gegen ukrainische Verteidigungsanlagen in Dnepropetrovsk als praktische Demonstration seiner Fähigkeiten. Die Botschaft an Washington ist dabei so subtil wie ein Vorschlaghammer: Seht her, was wir können.
Die vom russischen Staatsfernsehen (in der EU verboten zu verlinken) akribisch aufgelisteten Flugzeiten zu amerikanischen Militärbasen – von Alaska bis Pearl Harbor – erinnern an einen makabren Fahrplan des Schreckens. Besonders die Minuteman-III-Raketensilos in Montana und North Dakota scheinen den russischen Strategen schlaflose Nächte zu bereiten – oder besser gesagt, sie hoffen, dass sie dem Pentagon welche bereiten. Denn unter Umständen würde ein russischer Erstschlag auf diese Einrichtungen so schnell gehen, dass das Pentagon nicht einmal darauf reagieren könnte.
Was wir hier erleben, ist klassisches russisches Powerplay: Eine Mischung aus technischer Prahlerei, kaum verhüllten Drohungen und dem ewigen „Seht her, wir können auch anders“. Ob die Oreshnik tatsächlich hält, was der Kreml verspricht, werden hoffentlich nur Computersimulationen zeigen müssen. Eines ist jedoch sicher: Putin hat sein neuestes Druckmittel gefunden, um den Westen zu beeindrucken – oder zumindest zu beunruhigen. Und während die Experten noch über Mach-Zahlen und Flugbahnen diskutieren, sitzt der wahre Gewinner dieser Show bereits im Kreml und genießt die Show.