Bangladesch befindet sich im Chaos. Massenproteste gegen die autoritäre Führung führten zum Sturz von Premierministerin Hasina, aber auch zu Übergriffen der moslemischen Mehrheit auf die hinduistische Minderheit. Die neue Übergangsregierung sieht sich mit vielen Problemen konfrontiert.
Nach wochenlangen Massenprotesten ist die langjährige Premierministerin Sheikh Hasina am 5. August 2024 zurückgetreten und aus dem Land geflohen. Die von Studenten angeführten Demonstrationen richteten sich ursprünglich gegen ein umstrittenes Quotensystem für Regierungsjobs, weiteten sich aber zu einer breiten Bewegung gegen Hasinas zunehmend autoritäre Herrschaft aus. Mit ein Auslöser der Proteste war die hohe Jugendarbeitslosigkeit im Land. Trotz starken Wirtschaftswachstums in den letzten Jahren sind über 30 Millionen Bangladescher ohne Arbeit oder Ausbildung. Die gewaltsame Niederschlagung der anfangs friedlichen Demonstrationen durch Sicherheitskräfte heizte die Wut der Protestierenden weiter an. Allein am 4. August kamen bei Zusammenstößen mindestens 91 Menschen ums Leben.
Nach Hasinas überstürzter Flucht kam es zu Plünderungen und Brandstiftungen. Demonstranten stürmten den Präsidentenpalast und zerstörten Büros der regierenden Awami-Liga-Partei. Gleichzeitig wurden Angriffe auf die hinduistische Minderheit im Land gemeldet. Laut dem Bangladesh Hindu Buddhist Christian Unity Council wurden seit Montag 200-300 Häuser und Geschäfte von Hindus sowie 15-20 Tempel beschädigt.
Auf Drängen der Studentenführer soll nun der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus eine Übergangsregierung leiten. Der 84-jährige Sozialunternehmer und Mikrofinanz-Pionier erklärte sich bereit, „diese Herausforderung anzunehmen, um Bangladesch zu retten“. Die Hauptoppositionspartei BNP unterstützt die Forderungen der Demonstranten. Präsident Mohammed Shahabuddin löste das Parlament auf und ordnete die Freilassung von Oppositionsführerin Khaleda Zia an, die seit 2018 inhaftiert war. Auch verhaftete Studenten und Aktivisten sollen freikommen.
Die Ereignisse markieren das Ende von Hasinas 15-jähriger Herrschaft, die von Kritikern als zunehmend repressiv bezeichnet wurde. Menschenrechtsorganisationen warnen seit langem vor der Entwicklung zu einem Einparteiensystem unter Hasina. Allerdings ist es ungewiss, ob dieser Regime Change zu einer Besserung der Lage führen wird. Die Ereignisse in Bangladesch werden von Beobachtern als mögliche „erste erfolgreiche Gen-Z-Revolution“ bezeichnet.
Das mit rund 177 Millionen Einwohnern auf knapp 150.000 Quadratkilometern völlig überbevölkerte Land ist jedoch verarmt. Es ist nicht zu erwarten, dass der Regierungswechsel zu raschen wirtschaftspolitischen Erfolgen führen wird. Dies wird auch die politische Stabilität in den nächsten Jahren negativ beeinflussen.