Lungenkrebs ist eine der tödlichsten Krebserkrankungen. Doch jetzt propagiert der Mainstream einen medizinischen Durchbruch: Eine Pille soll laut einer Studie von AstraZeneca die Sterblichkeitsrate von operierten Patienten senken, sofern diese eine bestimmte genetische Mutation aufweisen. Die Behandlung kostet in den USA schlappe 17.000 US-Dollar im Monat… Über die mitunter lebensgefährlichen Nebenwirkungen verliert man kein Wort.
von Heinz Steiner und Vanessa Renner
In einer Entwicklung, die Wissenschaftler als „aufregend“ und „beispiellos“ bezeichnet haben, soll eine globale Studie gezeigt haben, dass eine einmal täglich einzunehmende Pille das Risiko, an Lungenkrebs zu sterben, um mehr als die Hälfte reduziert. Die vom Hersteller AstraZeneca finanzierte Studie, die eben erst im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, befindet, dass das Medikament Osimertinib, wenn es nach einer chirurgischen Entfernung des Tumors eingenommen wird, das Sterberisiko der Patienten um 51 Prozent senkt.
„Vor dreißig Jahren gab es nichts, was wir für diese Patienten tun konnten“, erklärte Roy Herbst, stellvertretender Direktor des Yale Cancer Center und Hauptautor der Studie, gegenüber dem britischen Guardian. „Jetzt haben wir dieses wirksame Medikament“, so Herbst voller Stolz. „Fünfzig Prozent sind bei jeder Krankheit eine große Sache“, fügte er hinzu, „aber ganz sicher bei einer Krankheit wie Lungenkrebs, die normalerweise sehr therapieresistent ist.“
Herstellerstudie: 88 vs. 78 Prozent Überlebensrate
Um die potenziellen Auswirkungen des Medikaments zu untersuchen, nahmen die Forscher rund 682 Patienten mit nicht-kleinzelligem Lungenkrebs – nicht-kleinzelliger Krebs ist die häufigste Form der Lungenerkrankung – aus 26 Ländern weltweit auf, die alle zwischen 30 und 86 Jahre alt waren. Von diesen Patienten erhielten 339 nach dem Zufallsprinzip die von AstraZeneca hergestellte Osimertinib-Pille, während 343 ein Placebo bekamen. Die Studienergebnisse besagen, dass die Gruppe ohne Placebo nach fünf Jahren eine Überlebensrate von 88 Prozent aufwies. Die Placebo-Gruppe soll dagegen eine Überlebensrate von 78 Prozent aufgewiesen haben. Das heißt, anstelle von 22 Prozent sollen „nur“ mehr 12 Prozent der operierten Patienten gestorben sein.
Alle Studienteilnehmer hatten ein mutiertes EGFR-Gen, eine Mutation, die bei etwa einem Viertel aller Lungenkrebsfälle weltweit auftritt. Diese Mutation tritt auch bei Lungenkrebspatienten auf, die nie oder selten geraucht haben, und kommt bei Frauen häufiger als bei Männern vor. Wie die britische Zeitung weiter berichtet, waren etwa zwei Drittel der an der Studie teilnehmenden Lungenkrebspatienten Frauen. Wie die Wissenschaftler gegenüber dem Guardian betonten, ist es jedoch noch nicht Standardpraxis, Lungenkrebspatienten auf EGFR-Mutationen zu testen. Die Studienergebnisse „unterstreichen die Notwendigkeit, diese Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose mit verfügbaren Biomarkern zu identifizieren“, so Herbst gegenüber der Zeitung, „und bevor die Behandlung beginnt.“
Gutes Geschäft: Behandlung kostet 17.000 US-Dollar im Monat
Beim britischen Guardian ist bezeichnenderweise kein Platz für Kritik an dem Präparat. Beim Scientific American merkt man zumindest an, dass schon mehrere Studien in Frage gestellt haben, ob die Verbesserungen, die Osimertinib (auch bekannt als Tagrisso) bewirken soll, den Preis von stolzen 17.000 US-Dollar pro Monat in den USA wert sind. Als verzweifelter Krebspatient ist man sicher geneigt, nach jedem Strohhalm zu greifen – für AstraZeneca und andere Hersteller ist das in jedem Fall ein gutes Geschäft.
Lebensgefährliche Nebenwirkungen
Zu den häufigeren Nebenwirkungen des Präparats zählen laut Mayo Clinic Sehstörungen, Herzrhythmusstörungen, Brustschmerzen, starke Kopfschmerzen, Koordinationsprobleme, Taubheit und Schwäche in den Gliedmaßen sowie Atemschwierigkeiten. Weniger häufig käme es zudem unter anderem zu temporärer Blindheit, Fieber und Anfällen. Im Zuge der Behandlung kann sich eine lebensgefährliche Lungenentzündung entwickeln – die Symptome ähneln denen des Krebses, werden also mitunter nicht rechtzeitig als akutes Problem wahrgenommen. Auch Durchblutungsstörungen der Haut durch anschwellende Gefäße sind möglich. Patienten sind zu hoher Wachsamkeit aufgerufen und sollen bei allen diesen Symptomen umgehend ihren Arzt aufsuchen. Auch die Liste der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ist lang.