Eine Beobachtungsstudie aus Hongkong legt nahe: Omega-3-Fettsäuren könnten Kinderaugen vor Kurzsichtigkeit schützen, gesättigte Fette hingegen den gegenteiligen Effekt verstärken. Ist die Ernährung ein unterschätzter Faktor?
Myopie, die Kurzsichtigkeit, hat sich in den letzten Jahrzehnten weltweit zur stillen Epidemie entwickelt. In Asien leiden besonders viele Kinder darunter. Experten warnen, dass bis 2050 rund die Hälfte der Weltbevölkerung betroffen sein könnte. Während Bildschirme, nächtliche Nutzung von Smartphones und vererbte Veranlagung bislang im Fokus standen, rückt nun ein anderer Faktor ins Blickfeld: die Ernährung.
Eine neue Studie mit dem Titel “Dietary omega-3 polyunsaturated fatty acids as a protective factor of myopia: the Hong Kong Children Eye Study“, veröffentlicht im British Journal of Ophthalmology, welche auf Daten von über 1.000 Kindern im Alter von sechs bis acht Jahren aus der Hong Kong Children Eye Study basiert, bringt erstmals handfeste Hinweise, dass Omega-3-Fettsäuren Myopie verlangsamen könnten, während gesättigte Fette das Fortschreiten beschleunigen. Je mehr Omega-3 im Speiseplan, desto kürzer die axialen Längen der Augen. Dies ist ein eindeutiger Hinweis auf ein verlangsamtes Voranschreiten der Kurzsichtigkeit. Und genau andersherum bei alleinig hoher Aufnahme gesättigter Fette.
Am Ende bedeutet dies, dass möglichst sehr fetter Fisch, Walnüsse oder kalt gepresstes Leinöl – und dafür weniger stark verarbeitete Fette und frittierte Speisen – auf dem Menüplan stehen sollten. Auf den ersten Blick wirkt das unspektakulär, doch genau darin könnte der Schlüssel liegen, um die Brille nicht schon in der Grundschule zum Dauerbegleiter werden zu lassen. Doch die Studie trägt auch den typischen Mantel der Beobachtungsforschung: Sie kann Zusammenhänge zeigen, keine eindeutige Ursache-Wirkung beweisen. Ernährungsdaten stammen aus Fragebögen, eine objektive Blutanalyse fehlt. Und die Ergebnisse gelten vorerst nur für eine Hochrisiko-Region: Hongkong.
Warum ist die Studie trotzdem wichtig? Weil sie erstmals klare, differenzierte Signale zum Einfluss der Ernährung auf Kinderaugen liefert – und das in einer der myopiebelasteten Metropolen der Welt. Der Mechanismus klingt plausibel: Omega-3 stabilisiert die Durchblutung im Auge. Die Aderhaut wird dadurch besser versorgt, Sauerstoffdefizite im Augengewebe werden vermieden. Das Fazit der Autoren: “Diese Studie liefert den ersten humanen Beleg dafür, dass ein höherer Verzehr von ω-3-PUFAs mit kürzerer axialer Länge und geringerem myopen Refraktionswert einhergeht – und hebt ω-3-PUFAs als potenziell schützenden Faktor gegen Myopie hervor.”
Was folgt daraus? Dass Ernährung auch für die Augen relevant ist – über die Herz- oder Gehirnprotektion hinaus. Kurz gesagt: Die Kurzsichtigkeit ist nicht unbedingt Schicksal, sondern vielleicht mehr ein veränderbares Gleichgewicht – und die frühkindliche Ernährung könnte ein bisher unterschätzter Stellhebel sein.
