Noch vor einem Jahr wäre ein solcher Bericht in einem Mainstream-Outlet nicht abgedruckt worden. Doch die Zeiten ändern sich. Denn die New York Times berichtet offen über Kriegsverbrechen, die von einer US-geführten Freiwilligeneinheit bestehend aus Ausländern begangen wurden. Der Whistleblower ist ein Deutscher.
Wenn sich feindliche Truppen ergeben, fallen sie im Rahmen der Genfer Konventionen von 1949 unter das Kriegsgefangenenrecht. Dieses beinhaltet auch den Schutz vor Misshandlung und Tötung. Doch immer wieder werden diese Rechte während kriegerischer Auseinandersetzungen von einzelnen Soldaten oder ganzen Kampfeinheiten mit Füßen getreten. So offensichtlich auch in der Ukraine. Doch während sich die westlichen Medien bislang vor allem auf (angebliche und tatsächliche) Kriegsverbrechen der russischen Seite konzentrierten, wurden jene der ukrainischen Seite zumeist geflissentlich ignoriert.
Dies scheint sich nun allerdings geändert zu haben. So veröffentlichte die renommierte New York Times einen Bericht eines Kriegsreporters, der „unbequeme Wahrheiten“ enthält. Der Bericht mit dem Titel „Tötung von sich ergebenden Russen spalten eine amerikanisch geführte Einheit“ (Bezahlschranke) handelt davon, wie US-amerikanische Soldaten in Einheiten aktiv sind, die sich ergebende russische Soldaten einfach hingerichtet haben.
Viele der Einzelheiten stammen von einem deutschen Sanitäter in einer rein von Ausländern besetzten Einheit, die von einem US-Amerikaner geführt wird. Der Deutsche, mit dem Namen Caspar Grosse vorgestellt, berichtet als Augenzeuge über die Kriegsverbrechen. Es sei sein Gewissen, welches ihn darüber habe sprechen lassen.
So habe er beispielsweise mitangesehen, wie ein verwundeter und unbewaffneter russischer Soldat auf sie zugekrochen sei und in einer Mischung aus gebrochenem Englisch und Russisch um Hilfe bat. Als ein Mitglied der Einheit nach Verbandsmaterial suchte, habe ein anderer Soldat seiner Einheit dem verwundeten Russen einfach in den Körper geschossen. Während der russische Soldat zusammensackte, aber immer noch atmete, schoss ihm ein anderer Soldat einfach in den Kopf. Die ungerechtfertigten Tötungen seien trotz Meldung an den Kommandeur weitergegangen, weshalb er sich an die New York Times gewandt habe. Bei der Einheit handle es sich um die „Chosen Company“, welche als die angesehenste und bekannteste Freiwilligeneinheit in der Ukraine gelte.
Die NYT berichtet auch davon, dass sie Videobeweise für solche Kriegsverbrechen erhalten habe. „In einem zweiten Vorfall warf ein Mitglied der ‚Chosen‘ eine Granate und tötete einen sich ergebenden russischen Soldaten, der die Hände erhoben hatte, wie Videoaufnahmen zeigen, die von der Times gesichtet wurden“, heißt es in dem Bericht. „Das ukrainische Militär veröffentlichte ein Video des Vorfalls, um seine Kampfkraft zu demonstrieren, ließ dabei aber die Kapitulation aus.“ Das bedeutet, dass die ukrainischen Militärzensoren und diese Freiwilligeneinheiten eindeutige Kriegsverbrechen herausschneiden, bevor sie der Welt das veröffentlichen, was offizieller Propaganda gleichkommt.
Die Times hat auch Textnachrichten aus einem Gruppenchat gesichtet. „In einem dritten Vorfall prahlten Chosen-Mitglieder in einem Gruppenchat damit, russische Kriegsgefangene während eines Einsatzes im Oktober getötet zu haben, wie die Textnachrichten zeigen“, schreibt die Zeitung. „Ein Soldat, der an jenem Tag kurzzeitig das Kommando hatte, spielte auf die Tötungen mit einem Slangwort für Erschießen an.“ Der Soldat mit dem Rufnamen Andok sagte, er werde die Verantwortung übernehmen.
Im Zentrum der Vorwürfe steht auch ein griechischer Freiwilliger mit dem Rufnamen Zeus. Dieser habe Granaten auf verwundete russische Soldaten geworfen und russische Kriegsgefangene ebenfalls einfach erschossen. „Heute hat ein guter Freund vorsätzlich einen gefesselten Gefangenen hingerichtet“, beginnt ein Tagebucheintrag von Grosse, der einen der Vorfälle beschreibt, hinter denen Zeus steckte. „Während der Gefangene in einem Schützengraben saß und seine Jacke über die Schultern gelegt hatte, kam Zeus von hinten und schoss ihm mehrfach in den Hinterkopf. Gehe jetzt schlafen.“
Die New York Times konnte Mitglieder der Chosen Company ausfindig machen, die an den mutmaßlichen Tötungen beteiligt waren oder diese beobachtet hatten. In einer Gruppennachricht warnte ein ausländischer Kämpfer andere davor, „die Brüder zu verpetzen“. Die Person behauptete, dass „jeder, der mit Reportern gesprochen hat, Jahre im Gefängnis verbringen könnte, weil er vertrauliche Informationen preisgegeben hat.“ Er forderte seine Kameraden dazu auf, über die Vorfälle zu schweigen.
Es ist davon auszugehen, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist. Man sollte nicht vergessen, dass gerade westukrainische nationalistische Einheiten bereits seit den Donbass-Kämpfen nach dem Maidan-Umsturz 2014 immer wieder zum Genozid an den „Moskowitern“ (Russen) aufriefen, welche von den ukrainischen Rechtsextremisten gerne als „Untermenschen“ bezeichnet wurden – und der Brandanschlag auf das Gewerkschaftshaus in Odessa, bei dem laut offiziellen Meldungen 42 pro-russische Aktivisten verbrannten, wurde von den ukrainischen Behörden bis heute nicht untersucht. Es waren ja „nur Russen“.
Der Krieg und die andauernde Propaganda führen zu einer zunehmenden Verrohung an den Fronten. Soldaten, die ihre Kameraden verloren haben, führen Racheaktionen durch. Sinnloses Blutvergießen auf beiden Seiten, welches die Zahl der Gefallenen noch weiter in die Höhe treibt. Dass die New York Times nun auch die Kriegsverbrechen auf ukrainischer Seite thematisiert, ist ein erster Eisbrecher. Wie viele solcher Handlungen tatsächlich stattfanden, werden wir wahrscheinlich jedoch nie erfahren. Doch eines ist sicher: Wenn man die Wahrheit verschleiert, macht man es nicht besser.