Das Internet ist voll von Verschwörungstheorien. Viele davon bewahrheiten sich bei genauerer Betrachtung nicht. Im Zuge der behaupteten Corona-Pandemie verschwimmen aber leider oft die Grenzen. Einer dieser Fälle ist die Bestellung von Leichensäcken (Body Bags) durch Norwegen, die spätestens 2024 ausgeliefert werden sollen. Wir untersuchten vor einigen Wochen einen ähnlichen Fall aus Großbritannien (Schock-Ausschreibung in London: Räumlichkeiten für „überzählige Leichen“ gesucht) – dort wurde mit „Routineprozedur“ argumentiert.
Spätestens seit einem Twitter-Posting vom 21. Juli geht eine Nachricht viral durch die Sozialen Medien: Norwegen habe 3,4 Millionen Leichensäcke bestellt.
Offizielle Ausschreibung von Polizei und Streitkräften
Die offizielle Ausschreibung findet sich hier online bzw. auf Servern der Europäischen Union (Norwegen ist nicht Mitglied der EU). Der Auftrag umfasst Leichensäcke für die Polizei und das Militär in einem Wert von 30,5 Millionen Kronen, was etwa 3 Millionen Euro entspricht. Die Ausschreibung endete am 27.5.2021.
Norwegen hat 5,39 Millionen Einwohner. Die normale Todesrate in einem westeuropäischen Land bewegt sich im Bereich von einem Prozent der Wohnbevölkerung, in Norwegen sogar darunter. 3,4 Millionen Leichensäcke würde bei normalen Todesraten in Norwegen also mindestens 80 Jahre lang halten. Jetzt könnte man vermuten, dass die Beamten in diesem Land besonders lange voraus planen. Vielleicht gab es die Leichensäcke ja auch zu einem besonders günstigen Sonderpreis. Wäre man in Österreich, müsste man von einem korrupten Prozess ausgehen und die Hersteller der Leichensäcke hätten ein noch nicht nähere bekanntes Naheverhältnis zu Mitgliedern der Regierungspartei.
Report24 Recherche: kann das denn wahr sein?
Wir sind den Behauptungen auf den Grund gegangen. Die Behauptung dieser riesigen Anzahl dürfte zunächst einmal falsch sein. Ein ordentlicher Leichensack zur behördlichen Nutzung, mit Tragegriffen, Reissverschluss und Taschen für Gegenstände und Dokumente zur Identifikation kostet gewiss nicht nur einen Euro. Justina Gineityte hat eventuell die Bestellnummer für die Stückzahl gehalten und dabei auch noch einen Fehler im Komma gemacht. Denn ausgeschrieben waren: 33922000-9 Cadaver transport bags
Billige Leichensäcke gibt es am internationalen Markt ab ca. 15 US-Dollar, richtig gute, wie oben beschrieben, ab ca. 40 US-Dollar. Wenn also die gesamte Ausschreibungsumme für Leichensäcke investiert wird, geht es um 3,46 MIO US Dollar – und 86.500 Leichensäcke. Auch diese Zahl wäre eine mögliche Erklärung für die Fehlannahme von 3,4 Mio Leichensäcken – stattdessen ging es um eine Ausschreibungssumme von 3,4 Mil US Dollar.
Die Ausschreibung war wie folgt formuliert: Die Beschaffung umfasst Leichensäcke und Plastikflocken für die Polizei, den Gouverneur von Spitzbergen und die Streitkräfte. Wozu man „Plastikflocken“ in Verbindung mit Leichensäcken benötigt, ist unserer Redaktion unbekannt – über sachdienliche Hinweise freuen wir uns.
80.000 Leichensäcke für unbekannten Zweck
Aus 3,4 Millionen Leichensäcken wurden also überschaubare rund 80.000. Damit kann man immer noch alle regulären Toten Norwegens, die über einen Zeitraum von 2 Jahren versterben, in einen hübschen Plastiksack packen. Unseres Wissens ist dies in Norwegen nicht die übliche Bestattungsmethode. Unser Fazit: Die Bestellung erscheint in ihrer Dimension zwar ambitioniert, aber nicht in einem Maße überdimensioniert, dass die schlimmsten online nachlesbaren Vermutungen zutreffen könnten. Darunter schlechte Scherze wie eine Bevölkerungsreduktion um 50% oder die Vermutung, dass der Terrorist Breivik in Kürze aus dem Gefängnis entlassen werden könnte (was nicht zutrifft).