Niemals „die Wissenschaft“ hinterfragen: Bis heute gilt der Skeptiker als Staatsfeind

Symbolbild: freepik / luis_molinero

Kritiker der Corona-Maßnahmen wurden absurderweise gern als Gefahr für Staat und Demokratie gehandelt, obwohl sie es waren, die sich gegen diktatorische Anwandlungen zur Wehr setzten und Regierende zur Achtung demokratischer Grundsätze aufforderten. An diesem Framing hat sich dennoch bis heute wenig geändert. Die Fallstudien zur Aufarbeitung der Corona-Krise in Österreich verdeutlichen das eindrücklich: Insbesondere jene zur „Wissenschaftsskepsis“ dient scheinbar vor allem dazu, das Feindbild des aggressiven und uninformierten Maßnahmenkritikers zu zementieren. Das Maßnahmen-Regime gilt nach wie vor als sakrosankt.

Corona-Aufarbeitung: Feindbild Wissenschaftsskepsis

Presseaussendung der GGI-Initiative am 04.01.2024

Die von der Regierung am 21.12.2023 präsentierte Aufarbeitungsstudie zur Corona-Krise ist unzureichend. Insbesondere die rein soziologische Betrachtung und die Voreingenommenheit des internationalen Beirats sind zu kritisieren. Die GGI-Initiative thematisiert in dieser Aussendung eine weitere der fünf Fallstudien – jene zur Wissenschaftsskepsis. Anhand dreier Aspekte – Idealtypisierung von Wissenschaft, Tarnung von Gegenkonsens als Wissenschaft, Strohmann-Argument – argumentieren wir Parteinahme und mangelnde Glaubwürdigkeit. Wir fordern eine echte Aufarbeitung unter Einbezug aller relevanten Aspekte und Anhörung der kritischen Stimmen.

Prognose einer Reinwaschung

Die GGI-Initiative hat bei der Bekanntgabe der Aufarbeitungsstudie im Mai 2023 bereits argumentiert, dass diese nicht zureichend sein wird. So haben wir mögliche Versäumnisse und Trugschlüsse einer rein soziologischen Betrachtung allein anhand der Fallstudien vorhergesehen. [1] Darüber hinaus haben wir kritisiert, dass der internationale Beirat fast nur aus Personen besteht, die bezüglich Corona-Maßnahmen – besonders Impfung und Impfpflicht – eindeutig befürwortende Positionen bezogen haben. In einer Aufarbeitung können sie also keine neutrale Rolle spielen. [2]

Besonders Projektleiter Alexander Bogner versucht, mit unredlichen rhetorischen Mitteln, Kritik an Corona-Maßnahmen und anderen offiziellen Narrativen nicht nur als Wissenschaftsskepsis, sondern überhaupt als Gefährdung des staatlichen Gefüges darzustellen. [3] In das gleiche Horn bläst auch die Ursachenstudie zur Wissenschaftsskepsis des IHS (Institut für Höhere Studien) mit dem abwegigen Versuch, Skepsis gegenüber Wissenschaft mit Skepsis gegenüber Demokratie gleichzusetzen. [4]

Feindbild wird zementiert

Es überrascht also nicht, dass die nun veröffentlichte Aufarbeitungsstudie dieses Feindbild unvermindert weiter verfolgt – nicht zuletzt, weil Alexander Bogner abermals Mitautor der Fallstudie zur Wissenschaftsskepsis ist, die auf der zuvor erwähnten IHS-Studie aufbaut. [5]

Wir betrachten nachfolgend drei bemerkenswerte Hinweise, die untermauern, dass es sich bei dieser Fallstudie nicht um echte Wissenschaft handelt, sondern allenfalls um einen szientistischen Abklatsch.

Aspekt 1 – Idealtyp

Die kritische Überprüfung wissenschaftlicher Aussagen und Studien ist essenziell, um die Qualität und Zuverlässigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse sicherzustellen. Dieser Ansatz, auch bekannt als „organisierter Skeptizismus“ (Merton, 1973, S. 277f.), spiegelt sich insbesondere im Prozess des sogenannten Peer Reviews wider; ein akademischer Prozess, bei dem wissenschaftliche Forschungsprojekte oder Arbeiten von Fachkolleg:innen vor ihrer Finanzierung oder Publikation in Fachjournalen kritisch überprüft werden, um deren Qualität und Zuverlässigkeit sicherzustellen. Wissenschaftliche Skepsis zielt demnach darauf ab, in systematischer Weise jene Behauptungen auszuschließen, die empirischen und logischen Maßstäben nicht genügen oder mit methodischen Anforderungen nicht in Einklang stehen (Bryce & Day, 2014).

Derart idealtypische Beschreibungen ohne Gegenüberstellung mit der Wirklichkeit sind ein Hinweis darauf, dass man es nicht mit echter Wissenschaft zu tun hat. Tatsächlich – und dies ist offenkundig – unterliegt der wissenschaftliche Prozess zum Gewinn von Erkenntnissen sowie die zugehörige Qualitätskontrolle den Dynamiken des menschlichen Zusammenlebens sowie deren Fallstricken und Abgründen. Unterordnung, Herdentrieb, Karrierismus, diverse Abhängigkeiten und Ideologie spielen im wissenschaftlichen Kontext genauso eine Rolle wie in anderen Bereichen des täglichen Lebens.

Gerade beim Thema Peer Review ist es verdächtig, wenn unterschlagen wird, dass Verlage der Primärliteratur zu den profitabelsten Unternehmen zählen. Es handelt sich seit langem um ein Oligopol, welches enorme Umsätze macht und dessen Profitmargen zu den ertragreichsten der Welt gehören. [6] Darüber hinaus sind besonders die Fachzeitschriften im medizinischen Bereich in Bezug auf Reputation und Bekanntheit schon seit Jahrzehnten wesentlich von der Wirtschaft abhängig. [7] [8]

Angesichts der damit verbundenen wesentlichen finanziellen Interessen, den erkenntnistheoretischen Idealtyp als Voraussetzung für die weitere Analyse zu Begriff und Aufkommen von Wissenschaftsskepsis zu wählen, ist im mindesten Fall naiv.

Aspekt 2 – Gegenkonsens

Ohne Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus wären mehr Menschen gestorben.

Dies ist ein Punkt aus einer der Analyse zugrundeliegenden Umfrage, der als wissenschaftlich unumstritten gilt und anhand dessen Anerkennung oder Ablehnung wissenschaftlicher Tatsachen überprüft wird. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Ausprägung von Gegenkonsens, d.h. nicht näher definierte, ungerechtfertigte Ablehnung ansonsten weitgehend anerkannter Erkenntnisse. Ironischerweise hat gerade jene Ursachenstudie des IHS den Begriff aufgeworfen.

Gerade die Corona-Maßnahmen beruhen auf diesem gefährlichen Gegenkonsens. Im Fall von Erregern von Atemwegserkrankungen galt die Evidenz für Masken, Tests und contact tracing bestenfalls als mäßig. Lockdowns und allgemeine Schließungsmaßnahmen wurden deutlich abgelehnt. [9]

Seit 2020 wurde kein einziger glaubwürdiger Nachweis erbracht, dass sich am Stand der Wissenschaft vor 2020 irgendetwas geändert hätte. Oben genanntes “Konsensual-Erkenntnis” als Maß für Vertrauen in oder Ablehnung von Wissenschaft heranzuziehen zeigt erneut, dass es den Autoren dieser Fallstudie allein um Feindbildpflege geht.

Aspekt 3 – Strohmann

Jene Zuschriften, die nicht einfach nur Hass auf das Projekt und die Wissenschaft, sondern ein gewisses Gesprächsinteresse erkennen ließen, dienten sozusagen als Stichprobe. Letztlich wurden zehn Personen aus drei verschiedenen Bundesländern interviewt.

Diese Passage stammt aus einer Infobox (S. 97), welche den Weg zur Wissenschaftsskepsis nachzeichnen möchte. Hier bedient man sich der Methode des Strohmannes. Die genannten 10 Personen dürften gezielt ausgewählt worden sein – man hat sie wohl als in der Verteidigung ihrer Standpunkte nicht geschult erkannt. Folglich war es einfach, ihnen Widersprüche und Wissenslücken nachzuweisen. Eine Auswahl davon gelangt schließlich in die Infobox, um KritikerInnen insgesamt mit entsprechendem Framing als “Impfgegner mit egoistischen Motiven” und folglich als VertreterInnen nicht ernstzunehmender Positionen darzustellen.

Schlussfolgerung

Wir haben eingangs anhand vergangener Beiträge zusammengefasst, dass das vorliegende, politisch erwünschte Ergebnis der Aufarbeitungsstudien vorhersehbar war. Danach haben wir anhand dreier Aspekte gezeigt, dass die Fallstudie zur Wissenschaftsskepsis selbst die wissenschaftliche Grundlage vermissen lässt und stattdessen rhetorische Kniffe einsetzt.

Die Corona-Maßnahmen sollen weiterhin als legitim, kritische Stimmen hingegen als uninformiert und aggressiv erscheinen. Die obigen drei Aspekte sind keineswegs aus dem Zusammenhang gerissen, sondern fügen sich wohl in den Duktus der Fallstudie ein. Davon können sich die geschätzten Leserinnen und Leser selbst überzeugen.

Die GGI-Initiative fordert, dass endlich eine ernstgemeinte und vollständige Aufarbeitung gestartet wird. Diese muss kritische Stimmen zu Wort kommen lassen und alle relevanten Aspekte berücksichtigen. Wir leisten dazu auch weiterhin unseren Beitrag mit dieser Serie.

Quellenangaben

[1] Anonym. Der Versöhnungsprozess wird zur Verhöhnung – Regierung verspielt letzte Chance. Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit, 2023. online: https://ggi-initiative.at/wp/pm-24-der-versoehnungsprozess-wird-zur-verhoehnung-regierung-verspielt-letzte-chance

[2] Anonym. Corona-Aufarbeitung mit umstrittenen Experten. Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit, 2023. online: https://ggi-initiative.at/wp/pm-25-corona-aufarbeitung-mit-umstrittenen-experten

[3] Anonym. Replik auf ‘Wie gehen wir mit Wissenschaftsskepsis um?’ TKP, 2023. online: https://tkp.at/2023/05/21/wie-gehen-wir-mit-wissenschaftsskepsis-um

[4] Anonym. Corona-Aufarbeitung unerwünscht – IHS-Propaganda als Studie getarnt. TKP, 2023. online: https://tkp.at/2023/10/09/corona-aufarbeitung-unerwuenscht-ihs-propaganda-als-studie-getarnt

[5] Partheymüller J & al. Fallstudie 5: Wissenschaftsskepsis. In: Bogner A (Hrsg). Nach Corona – Reflexionen für zukünftige Krisen. Österreichische Akademie der Wissenschaften, 2023. online: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/dam/jcr:0668fa51-0122-4efe-a49e-6270a3a05840/82a_1_bei_NB.pdf

[6] Larivière V & al. The Oligopoly of Academic Publishers in the Digital Era. PLoS ONE 10(6), e0127502, 2015. DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0127502

[7] Lundh A & al. Conflicts of Interest at Medical Journals: The Influence of Industry-Supported Randomised Trials on Journal Impact Factors and Revenue – Cohort Study. PLoS Med 7(10), e1000354, 2010. DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1000354

[8] Smith R. Medical Journals Are an Extension of the Marketing Arm of Pharmaceutical Companies. PLoS Med 2(5), e138, 2005. DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pmed.0020138

[9] Anonym. Konsens in der Wissenschaft – Ideal oder Fallstrick? Grüner Verein für Grundrechte und Informationsfreiheit, 2023. online: https://ggi-initiative.at/wp/pm-59-konsens-in-der-wissenschaft-ideal-oder-fallstrick

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