Niedrigrekord beim Energieverbrauch – oder rekordverdächtige Deindustrialisierung?

Schon in den letzten Jahren wurden Anzeichen der Deindustrialisierung von gewissen Parteien zum Erfolg umgedeutet. Symbolbild: KI

Die jüngste Meldung der EU-Kommission lässt aufhorchen: Europas Energieverbrauch ist laut aktuellen Zahlen auf ein „rekordverdächtig niedriges Niveau“ gesunken – ein Meilenstein, so suggeriert es die offizielle Lesart, auf dem Weg zu mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. „Langjährige Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz zeigen Wirkung“, heißt es etwa in einem Artikel von Euronews vom 29. Mai 2025.

Gastkommentar von Lothar Renz

Doch wer genauer hinschaut, erkennt: Der Rückgang des Energieverbrauchs hat möglicherweise weniger mit technologischem Fortschritt zu tun – und viel mehr mit dem Abschalten ganzer Industrien. Was hier als ökologischer Fortschritt gefeiert wird, könnte in Wahrheit Ausdruck eines dramatischen wirtschaftlichen Rückzugs sein: einer schleichenden Abwanderung energieintensiver Industrie – und damit des industriellen Wohlstands.

Die Schattenseite des Effizienz-Narrativs

Zweifellos sind Investitionen in Effizienz sinnvoll. Doch es ist irreführend, den sinkenden Energieverbrauch isoliert als Erfolg zu präsentieren, ohne die Ursachen kritisch zu hinterfragen. Denn seit 2022 hat Europa – und besonders Deutschland – massive Einbrüche in der industriellen Produktion zu verzeichnen. Besonders betroffen: Chemie, Stahl, Aluminium, Glas und Zement – allesamt energieintensive Sektoren, die früher zu den Säulen der europäischen Wertschöpfung zählten.

Allein die deutsche Chemieindustrie meldete 2023 ein Produktionsminus von über 10 % – bei gleichzeitig sinkendem Energiebedarf. Das ist kein Wunder: Wenn BASF Werke schließt, Ammoniakanlagen stilllegt und Investitionen lieber in die USA oder nach China verlagert, braucht Europa schlicht weniger Energie – aber eben auch weniger Arbeitskräfte, weniger Zulieferer, weniger Innovation.

Gleiches gilt für die Stahlbranche: Die EU-Stahlproduktion sank 2023 auf den tiefsten Stand seit Jahrzehnten. Thyssenkrupp fährt Öfen zurück, ArcelorMittal friert Investitionen ein – aus Kostengründen, wegen teurer Energie und regulatorischer Hürden. Dass dabei Strom- und Gasverbrauch sinken, ist rein technisch korrekt – aber volkswirtschaftlich fatal.

Der „Effizienzrekord“, den keiner will

Im Klartext: Der niedrige Energieverbrauch ist nicht primär das Ergebnis besserer Technik, sondern das Resultat geringerer Aktivität. Weniger Produktion = weniger Verbrauch. Ökonomen nennen das destruktive Effizienz: Man spart nicht durch Innovation, sondern durch Schrumpfung.

Das verschweigt der aktuelle Diskurs. Denn was als „grüner Fortschritt“ verkauft wird, könnte sich als ökonomischer Rückschritt erweisen. Europa könnte auf dem besten Weg sein, seinen industriellen Kern zu verlieren – an Länder, die mit günstigeren Energien, geringerer Bürokratie und besserer Förderung locken. USA, China, die Golfstaaten: Sie alle profitieren derzeit von Europas Schwäche.

Energieverbrauch ≠ Energieverschwendung

Es braucht Differenzierung: Ein sinkender Energieverbrauch in Haushalten, bei Geräten oder in Gebäuden ist tatsächlich ein Gewinn an Effizienz. Aber ein Rückgang, weil Werke stillstehen, Hochöfen schweigen und Schmelzen eingestellt werden, ist kein Grund zur Freude, sondern zur Sorge.

Wenn die EU sich also auf die Schultern klopft und „rekordverdächtig niedrigen Energieverbrauch“ als Erfolg preist, muss gefragt werden: zu welchem Preis?

Wenn Arbeitsplätze, Investitionen und Wertschöpfung ins Ausland verlagert werden, damit hier weniger Energie verbraucht wird – ist das wirklich der Weg, den Europa gehen will?

Der Rekord beim Energieverbrauch darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Europa womöglich gerade ein anderes Rekordniveau erreicht: ein Rekordmaß an Standortflucht, Deindustrialisierung und Verlust an wirtschaftlicher Souveränität.

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