Österreich begeht im Jahr 2025 mehrere geschichtsträchtige Jubiläen, doch ausgerechnet der Frieden scheint politisch zur Nebensache geworden zu sein. Wer im Landtag vor Eskalation warnt, Neutralität einfordert oder historische Lehren betont, stößt nicht auf Zustimmung, sondern auf Ablehnung. Friedensaufrufe, so der Eindruck, gelten inzwischen als Provokation. Ein aktuelles Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten Joachim Aigner (MFG).
Report24-Chef Florian Machl interviewte den MFG-Landesobmann und Landtagsabgeordneten Joachim Aigner im Rahmen einer Veranstaltung im neuen MFG-Bildungshaus in Lohnsburg. Aigner führt aus, wie Forderungen nach Frieden und Neutralität im oberösterreichischen Landtag regelmäßig mit Buh-Rufen quittiert werden. Der politische Mainstream sei dort nicht dazu bereit, sich mit den möglichen Folgen aktueller Entwicklungen ernsthaft auseinanderzusetzen.
Jubiläen ohne Konsequenzen
Aigner verweist auf die historische Dimension des Jahres. Achtzig Jahre Kriegsende, siebzig Jahre Staatsvertrag und Neutralität sowie dreißig Jahre EU-Mitgliedschaft müssten Anlass sein, über den Zustand des Landes und Europas nachzudenken. Stattdessen habe sich die Europäische Union aus seiner Sicht von einem Friedens- und Wirtschaftsprojekt zu einer supranationalen Machtstruktur entwickelt, die jährlich tausende Rechtsakte produziere und tief in nationale Entscheidungsräume eingreife. Dass mittlerweile ein erheblicher Teil der Bevölkerung offen über einen EU-Austritt spreche, werde politisch nicht reflektiert, sondern ignoriert.
OÖ: Stillstand bei der Corona-Aufarbeitung
Besonders kritisch sieht Aigner den Umgang mit der Corona-Vergangenheit. Während in Niederösterreich ein umfangreicher Evaluierungsbericht mit hunderten wissenschaftlichen Quellen vorgelegt wurde, fehle in Oberösterreich jede vergleichbare Initiative. Die Verantwortung werde zwischen Bund und Land hin- und hergeschoben, konkrete Schritte unterblieben. Aus diesem Stillstand heraus habe die MFG den außerparlamentarischen Corona-Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen, um zumindest außerhalb des politischen Betriebs eine ehrliche Aufarbeitung zu ermöglichen.
Angriff auf freie Medien und Debattenkultur
Auch der Umgang mit freien und alternativen Medien sei symptomatisch für den Zustand der politischen Debatte. Ein Antrag der SPÖ, der auf eine Ausgrenzung kritischer Medien abzielt, würde weniger mit Argumenten als mit Zuschreibungen und Framing begründet. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung dominierten Schlagworte, Verdächtigungen und pauschale Vorwürfe. Eine offene demokratische Diskussion, so Aigner, werde dadurch systematisch untergraben.
Kriegsrhetorik und schleichender Neutralitätsverlust
Scharfe Worte findet der Landtagsabgeordnete für die zunehmende Kriegsrhetorik auf europäischer Ebene. Begriffe wie „Kriegstauglichkeit“, milliardenschwere Aufrüstungsprogramme und Überlegungen zur Wiedereinführung der Wehrpflicht zeigten, wie sehr militärisches Denken bereits in den politischen Alltag eingesickert sei. Österreichs Neutralität werde dabei schrittweise relativiert, etwa durch sicherheitspolitische Initiativen, die laut juristischen Gutachten als faktische Militärbündnisse zu bewerten seien.
Windkraft, Bürgerwille und ideologische Energiepolitik
Ein weiteres zentrales Thema ist die Energiepolitik in Oberösterreich. Aigner kritisiert den massiven Ausbau der Windkraft in sensiblen Regionen wie dem Kobernaußerwald. Die Eingriffe in Landschaft, Boden und Wasserversorgung stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen. Die MFG setze daher auf Bürgerbeteiligung, transparente Entscheidungsprozesse und einen ausgewogenen Energiemix, der bestehende Flächen nutzt und ideologische Großprojekte hinterfragt.
Ein unbequemer Standpunkt im Landtag
Am Ende bleibt ein ernüchterndes Bild. Grundlegende Fragen zu Frieden, Neutralität, Aufarbeitung und demokratischer Mitbestimmung werden im politischen Betrieb zunehmend als störend empfunden. Joachim Aigner macht deutlich, dass er mit der Partei MFG diesen Kurs nicht mitträgt – auch wenn jede entsprechende Wortmeldung im Landtag mit Widerstand beantwortet wird. Diesen Gegenwind hält er schon aus.
