In der texanischen Panhandle-Region hat ein Masernausbruch bereits über 120 Menschen erfasst und forderte kürzlich sein erstes Todesopfer – ein Kind im Schulalter. Während Gesundheitsbehörden daran arbeiten, die Ausbreitung einzudämmen, rückt neben der präventiven Impfung ein weiterer Ansatz in den Fokus: Vitamin A als potenzielle Waffe gegen schwere Krankheitsverläufe bei bereits Infizierten.
Masern, ein hochansteckender Atemwegsvirus mit einer Infektionsrate von beeindruckenden 90 Prozent, verbreitet sich über Tröpfcheninfektion und kann besonders bei Kindern zu schwerwiegenden Komplikationen führen. Bereits im März 2020 veröffentlichte die National Foundation for Infectious Diseases einen dringenden Aufruf zur verstärkten Nutzung von Vitamin A (Retinol) bei der Behandlung von Masernfällen in den USA. Obwohl die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC diese Supplementierung empfiehlt, hat sie bislang keinen festen Platz in der gängigen Behandlungspraxis gefunden.
Den Hype um die Masern muss man aber sehr relativiert betrachten. So starben in den USA in den letzten 25 Jahren insgesamt vier Menschen an Masern – im Vergleich 17.800.000 an einem Herzinfarkt und 1.100.000 an Selbstmord.
Dr. Andrew Handel, Experte für pädiatrische Infektionskrankheiten am Stony Brook Children’s Hospital, stellt klar: “Niedrige Vitamin-A-Spiegel erklären nicht den aktuellen Ausbruch, und Vitamin A wird eine Infektion nicht verhindern.” Der entscheidende Punkt sei vielmehr: “Patienten mit niedrigen Vitamin-A-Spiegeln erleben mit höherer Wahrscheinlichkeit schwere Masernverläufe und Komplikationen.”
Bemerkenswert ist die Wechselwirkung zwischen Maserninfektionen und dem Vitamin-A-Haushalt. Bei hospitalisierten Masernpatienten werden häufig Vitamin-A-Mangelzustände mit niedrigen Serum-Retinol-Werten festgestellt, die mit der Schwere der Erkrankung korrelieren. Noch alarmierender: Selbst bei Kindern ohne vorherige Mangelerscheinungen kann eine akute Maserninfektion zu einem signifikanten Abfall der Vitamin-A-Spiegel führen. Dieser Abfall steht in direktem Zusammenhang mit verlängertem Fieber, höheren Hospitalisierungsraten und verringerten Antikörperspiegeln – ein Teufelskreis, der die Genesung erschwert. Erst nach überstandener Infektion normalisieren sich die Vitamin-A-Werte wieder.
Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt daher für maserninfizierte Kinder zwei Dosen Vitamin-A-Präparate im Abstand von 24 Stunden. Die Dosierung variiert altersabhängig: Säuglinge unter sechs Monaten sollten 50.000 IE pro Tag über zwei Tage erhalten, Kinder zwischen sechs und elf Monaten 100.000 IE und Kinder über einem Jahr 200.000 IE. Forschungsergebnisse, veröffentlicht im Fachjournal “Public Health and the Eye“, belegen, dass Vitamin A die Komplikationsrate bei Maserninfektionen reduziert und unter anderem Erblindung vorbeugen kann. Zudem verkürzt die Supplementierung die Genesungszeit und hilft, Sekundärinfektionen zu verhindern.
Dr. David C. Nguyen, Spezialist für Infektionskrankheiten am Rush University System for Health, erklärt: “Der genaue Wirkmechanismus ist nicht vollständig verstanden, aber wahrscheinlich unterstützt Vitamin A die immunologische Reaktion auf Masern.” Zwar wird weltweit weiterhin auf die Masern-Impfung gesetzt, die als recht effizient gilt, doch auch hier gibt es Kritik. Denn offensichtlich hält der Impfschutz nicht sehr lange an, zumal es auch an verschiedenen Schulen immer wieder zu Durchbruchinfektionen gekommen ist.