Le Pen, Meloni und die Transatlantisierung der europäischen Rechten

Bilder: freepik / macrovector (Karte) & vectorhight (Adler)

Die europäische Rechte ist zersplittert. Marine Le Pen und Giorgia Meloni wollen dies ändern und faktisch ihre beiden Fraktionen im Europaparlament zu einer neuen zusammenführen. Diese soll rechtskonservativ und transatlantisch orientiert sein. Da passt die AfD nicht hinein. Doch was bleibt noch, wenn man für die Futtertröge der Macht die eigene patriotische Seele opfert?

Ein Kommentar von Heinz Steiner

Eigentlich müsste die europäische Rechte an einer eigenständigen, souveränen Politik für Europa interessiert sein. Es geht um eine politische Haltung, die den Interessen der europäischen Nationalstaaten dient und einen gemeinsamen europäischen Raum schafft, in dem die nationale Souveränität genauso geachtet wird wie das Bestreben, gemeinsam jene Angelegenheiten anzugehen, die besser auf europäischer Ebene gelöst werden können. Doch in der jüngsten Zeit vollzieht sich ein langsamer Paradigmenwechsel innerhalb der europäischen Rechtsparteien.

Um der ständigen Ausgrenzung zu entgehen und auch Teil des bestehenden Machtapparates zu werden, findet eine sukzessive Anpassung statt. Man könnte es auch als „Deradikalisierung“ bezeichnen, wobei es eher eine „Aufweichung“ ist. Um als Koalitionspartner überhaupt infrage zu kommen, muss man eben auf gewisse Ziele verzichten oder diese so weit abschwächen, dass ein Konsens möglich ist. Aus einer Rückführung von illegal im Land befindlichen und von kriminellen Ausländern wird dann beispielsweise eine Begrenzung der Zuwanderung mit strikteren Regeln.

Doch das ist noch nicht alles. Es ist weithin bekannt, dass die europäischen Konservativen und Zentralisten (im weitesten Sinne Parteien wie CDU/CSU, ÖVP, PP & Co) stark im transatlantischen Geflecht verbunden sind. Eine unabhängige Europa-zentristische Politik ist also kontraproduktiv, wenn man Mitte-Rechts-Koalitionen auf EU-Ebene aufbauen möchte. Giorgia Meloni von der italienischen Fratelli d’Italia ist da schon ganz auf Kurs, der französische Rassemblement National von Marine Le Pen hat sich mittlerweile auch schon opportunistisch angepasst. Andere Rechtsparteien, wie Geert Wilders‘ PVV, die Schwedendemokraten, die Wahren Finnen usw. gehören ebenfalls schon lange dem transatlantischen Block an. Nur in der AfD (und bei der FPÖ) gibt es scheinbar noch Ausnahmen.

Das Ergebnis lässt sich im Ausschluss der AfD aus der ID-Fraktion im Europaparlament sehen. Denn Le Pen will unbedingt mit Meloni zusammenarbeiten und einen neuen rechtskonservativen Block aufbauen, der auch für die konservativ-zentristische EVP-Fraktion koalitionsfähig ist. In der Not frisst der Teufel Fliegen – und um an die Futtertröge der Macht zu kommen, würden diese Spitzenpolitikerinnen wohl sogar Ursula von der Leyen erneut an die Kommissionsspitze bringen. Stimmen, die für eine Normalisierung der Beziehungen zu Russland sind, haben in diesen Plänen keinen Platz. Stattdessen setzt man darauf, Europa weiterhin zu einem US-Lakaien degradiert zu sehen.

Angesichts der globalen wirtschaftlichen Herausforderungen – insbesondere durch den Aufstieg Chinas – wäre es eigentlich sinnvoll, sich auf die Zukunftsfähigkeit der eigenen Volkswirtschaften zu konzentrieren. Die „Energiewende“ samt Russland-Sanktionen im Energiesektor hat zwar dazu geführt, dass die Abhängigkeit vom russischen Gas deutlich gesunken ist – doch gleichzeitig wurde der Kontinent in die Abhängigkeit von US-Gaslieferungen und chinesischen Solarmodulen und Windturbinen (insbesondere in Bezug auf die Seltenen Erden und andere wichtige Rohstoffe) gezwungen. Doch der für die Wirtschaft wichtige Strom wurde dadurch nicht billiger, nur teurer und unzuverlässiger.

Als energie- und rohstoffarmer Kontinent ist Europa auf Lieferungen von außerhalb angewiesen. Doch diese sollten auch möglichst günstig erfolgen und dem Prinzip der Versorgungssicherheit folgen. Eine strikte Unterordnung unter den Willen Washingtons ist dafür nicht gerade ideal, wie die europäische Energiekrise zeigt. Andere Länder (z.B. Indien und wohl insgesamt zwei Drittel aller Staaten dieser Welt) haben sich den Russland-Sanktionen nicht angeschlossen, weil die eigenen nationalen Interessen wichtiger sind als ideologisch forcierte Strafmaßnahmen.

Meloni mag zwar ohnehin ein Rockefeller-U-Boot sein, doch die machtstrategische Neuausrichtung von Le Pen, die früher selbst gute Beziehungen nach Moskau hatte, zeigt, woher der Wind weht. Anstatt das System in die gewünschte Richtung zu lenken (dazu braucht es aber keine Fundamentalopposition) wird eine Anbiederungsstrategie mit ungewissen Erfolgsaussichten gefahren. Alles in der Hoffnung, dass die an Mitte-Rechts-Regierungen beteiligten konservativen/zentristischen Parteien ihren Einfluss innerhalb der EVP nutzen, um nicht mehr mit den Sozialdemokraten zu koalieren.

Die Alternative für Deutschland passt da eben nicht wirklich hinein. Auch wenn die neueren rechten bzw. rechtskonservativen/rechtsliberalen Publikationen in Deutschland versuchen, mit ihrer strikt transatlantischen Linie die öffentliche Meinung entsprechend zu lenken und so auch den Druck auf die AfD zu erhöhen. Dabei läge es sowohl im deutschen als auch im europäischen Interesse, sich in der zunehmend multipolaren Welt, als eigenständige politische Kraft zu etablieren – und nicht als bloßes Anhängsel der Vereinigten Staaten zu gelten.

Schon jetzt werden die Europäer in Moskau oder Peking als Verhandlungspartner nicht wirklich ernst genommen. Warum auch? Schlussendlich beugen sie sich ohnehin nur dem Willen Washingtons. Wie kann man die eigenen Interessen verteidigen und durchsetzen, wenn man diese am Ende doch nur jenen der Amerikaner unterordnet? Es spricht nichts gegen gute Beziehungen zu Washington, doch Unterordnung widerspricht dem Geist der nationalen (und der europäischen) Souveränität. Mehr noch stellt sich die Frage, warum gerade die patriotischen Parteien in Europa auf den Transatlantizismus setzen, nur um dann ohnehin nutzlose Machtpositionen zu erhalten, weil sie dann kaum mehr eine eigenständige Außen- und Wirtschaftspolitik machen können.

Die Transatlantisierung der europäischen Rechten mag zwar den Weg an die Futtertröge der Macht ebnen und neue Koalitionen ermöglichen, doch wenn man dafür die patriotische Seele verkauft, wie kann man dann noch behaupten, tatsächlich im Interesse des eigenen Volkes zu handeln?

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