Auf Korsika gibt es seit Anfang März hitzige Auseinandersetzungen zwischen dem französischen Staat und der Inselbevölkerung. Auslöser ist ein brutaler Mordversuch an einem Nationalisten, Yvan Colonna, der in einem Hochsicherheitsgefängnis in Arles am 2. März von einem Islamisten angegriffen wurde. Seitdem liegt er im Koma und ist hirntot. Er hatte immer wieder aus Sicherheitsgründen um eine Verlegung nach Korsika ersucht.
Korsika hat eine starke Autonomiebewegung, die sich vor allem gegen die als Besatzungsmacht empfundene französische Zentralregierung und den Zuzug von Menschen aus dem islamischen Kulturkreis richtet.
Brandbomben gegen Finanzamt in Bastia, 67 Verletzte
Der Schafhirte Yvan Colonna hatte angeblich 1998 ein Attentat auf den französischen Präfekten Claude Erignac der Insel verübt, was dieser vehement bestreitet, auch die Hauptbelastungszeugen zogen ihre Aussagen zurück. Colonna hatte sich fünf Jahre lang in den Bergen versteckt und war erst 2003 gefasst worden. In einem von korsischen Untergrundorganisationen als ungerecht wahrgenommenen Verfahren wurde er zu lebenslanger Gefängnisstrafe verurteilt.
Der Mordversuch auf den Helden der korsischen Autonomiebewegung am 3. März löste auf der ganzen Insel Proteste und aggressive Unruhen gegen die französische Verwaltung mit bislang 67 Verletzten aus, das Finanzamt in Bastia wurde mit Brandbomben angesteckt, teilweise fuhr die aufgebrachte Menge mit Baggern vor. Auch das Gerichtsgebäude in Ajacco und eine Bank wurden angegriffen. Die teils aggressiven Ausschreitungen, die über einen großen Rückhalt bei der Inselbevölkerung verfügen, werden vor allem von den Jugendlichen veranstaltet.
Die Massenproteste finden zu einem für Macron ungelegenen Zeitpunkt statt: Er ist im Wahlkampf, am 10. April wird der französische Präsident gewählt. Die Stimmung auf der Insel ist auch deswegen so aufgeheizt, weil Paris seit Jahren die das eindeutige Wählervotum für größere Autonomie hintertreibt und Reformen obstruiert, 2017 hatte eine eindeutige Mehrheit von 56,5 % für mehr Selbstbestimmung votiert.
Zwischen Italien und Frankreich
Die starke Autonomiebewegung hat kulturelle und historische Hintergründe. Korsisch ist eine italo-romanische Sprache, die starke Gemeinsamkeiten mit dem florentinischen Standard-Italienisch aufweist. Die Insel wurde jahrhundertelang von der italienischen Handelsrepublik Genua beherrscht und erst Ende des 18. Jahrhunderts offiziell in das französische Staatsgebilde eingegliedert. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts setzte die sprachliche und kulturelle Assimilierung (Grundschul- und Verwaltungssprache Französisch) ein, vorher orientierte sich das Bürgertum immer Richtung Italien. Während der Jahre des italienischen Faschismus wurden Stimmen laut, die einen Anschluss an Italien (Irredentismus) forderten.
Separatisten und Mafia Clans
Die Inselkultur blieb bis in die Gegenwart von der Hirtenkultur und ihren archaischen Regeln geprägt, die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen nationalistischen Clans können durchaus als eine Fortsetzung der Vendetta oder Blutrache verstanden werden. Ein wichtigeres Motiv werden vermutlich die illegalen Geschäfte der korsischen Mafiosi sein, auch die politischen Gruppierungen finanzieren sich durch illegale Aktivitäten. Schmuggel und Drogenhandel werden angeblich nach wie vor von italienischen Adelsfamilien wie den Corsini und dem Bonaparte-Clan beherrscht.