Der Überfall auf zwei Frauen auf dem „Brokser Heiratsmarkt“ im niedersächsischen Bruchhausen-Vilsen war für die Polizei offenbar so unbedeutend, dass er im Polizeibericht gar nicht erwähnt wurde. Erst auf Nachfrage räumte ein Polizeisprecher den Angriff ein und gab an, die beiden Opfer hätten “leichte Verletzungen” erlitten. Im Gegensatz dazu schreibt eine der Betroffenen in einem Facebook-Posting, sie und ihre Freundin wären „aus dem Nichts von hinten von einem ausländischen Mann brutal überfallen und misshandelt worden“.
Der Brokser Heiratsmarkt ist ein traditionelles Volksfest in Bruchhausen-Vilsen, das jedes Jahr Ende August gefeiert wird. Die Bilanz der Polizei nach den fünf Markt-Tagen liest sich positiv. „In sehr weiten Teilen haben wir einen fröhlichen und friedlichen Marktverlauf erlebt“, heißt es in der Pressemitteilung. Es wurden „überwiegend veranstaltungstypische Straftaten“ verzeichnet.
Ganz anders klingt ein Posting auf Facebook von zwei Frauen aus Sulingen, die überfallen wurden. Eine der beiden schreibt, sie und ihre Freundin seien „aus dem Nichts von hinten von einem ausländischen Mann brutal überfallen und misshandelt worden“. Und weiter: „Der Mann war nicht an unseren Wertsachen interessiert, sondern wollte nur brutale Gewalt ausleben! Er hat unsere Köpfe immer wieder auf den Asphalt geschlagen. Da er von hinten aus dem ” nichts” kam, konnten wir sein Gesicht nicht erkennen. Wir haben schwere Kopfverletzungen, Schürfwunden & gequetschte Finger.“
Die Frauen bitten mögliche Zeugen, sich zu melden, und bedanken sich bei fünf Personen, „die die einzigen waren, die uns geholfen haben“. Auch diese werden aufgefordert, Kontakt aufzunehmen.
Auf Nachfrage der Mediengruppe Kreiszeitung bestätigte ein Polizeisprecher einen Vorfall am Dienstag gegen 18 Uhr am Busbahnhof in Bruchhausen-Vilsen. Jedoch klingt seine Darstellung völlig anders: Demnach hätten sich zwei Frauen aus Sulingen über den Notruf gemeldet und angegeben, Opfer eines Überfalls geworden zu sein. Sie hätten leichte Verletzungen erlitten, die durch die herbeigerufenen Rettungskräfte behandelt wurden. Es wurde eine Anzeige aufgenommen. Die Täterbeschreibung: ein „männlicher Südländer“. Die Opfer wurden nicht ausgeraubt. Der mutmaßliche Täter entkam zu Fuß.
Zudem gab es Widersprüche bei den Angaben zur Auswertung der Videoaufnahmen – im Rahmen eines neuen Sicherheitskonzepts wurde das Marktgelände flächendeckend von Videokameras überwacht. Während der Polizeisprecher angab, die Auswertung dauere noch an, schrieben die Frauen, die Aufzeichnungen wären bereits überprüft worden und der Angreifer sei darauf nicht zu sehen. „Von da aus (vom Marktplatz) ist er uns nicht gefolgt.“
Fest steht, dass keine Meldung zu dem Polizeieinsatz an dem Busbahnhof veröffentlicht wurde. Und die Rechtfertigung der Polizei-Inspektion Diepholz? Nach Angaben des Sprechers seien die Einsätze der Bereitschaftspolizei, die als Unterstützung im Einsatz war, noch nicht in den sogenannten Lagebericht zum Heiratsmarkt eingeflossen. Dies werde nachgeholt und danach werde die Polizei in den nächsten Wochen ein überarbeitetes Fazit des Volksfestes veröffentlichen. Fakt ist bereits, dass die Einsatzzahlen höher liegen, als zunächst mitgeteilt. Die Polizei ist bisher von 33 Körperverletzungen auf dem Volksfest ausgegangen.
Auch eine Messerstecherei in einem der Festzelte wurde in der Polizeimeldung vom zweiten Markt-Tag nicht erwähnt, es wurde nur von einer Verletzung durch einen Schlagring berichtet. Der Polizeisprecher gab erst auf Nachfrage an: „Wir wurden zu einer Messerstecherei gerufen.“ Bei dem Polizeieinsatz sei kein Messer gefunden worden, aber ein Schlagring wäre sichergestellt worden.
Die Berichterstattung der Polizei gibt zu denken. Zunächst gab es gar keine Meldung zu dem Überfall, dann stimmt die Darstellung der Frauen in den sozialen Medien nicht mit den Angaben der Polizei überein – insbesondere hinsichtlich des Ausmaßes der Gewalt und der Verletzungen. Sollten der brutale Überfall auf die Frauen durch einen Ausländer wie auch der Messerangriff unter den Teppich gekehrt werden? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf?
