In Österreich existiert seit 1742 eine lange Tradition der Freimaurerei. Nur wird nicht über die „Freimaurerpolitik“ in der Alpenrepublik gesprochen. Denn viele Politiker waren und sind dabei, die sich das Logenschürzl umbanden. Es ist also mehr als an der Zeit, einige dieser Personen der Zeitgeschichte und Freimaurer näher unter die Lupe zu nehmen.
Von Guido Grandt (gugramediaverlag)
In Österreich ist eine lange traditionelle Freimaurerei bekannt, in der sich hochrangige Persönlichkeiten aus den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten tummel(te)n. Diese Tradition reicht rund 270 Jahre zurück. Die erste Loge (Aux trois canons) wurde 1742 in Wien gegründet. Knapp siebzig Logen mit etwa 3000 Mitgliedern, konstituiert als Vereine, sind heute in Österreich aktiv, die sich in der „Großloge von Österreich“, der Dachorganisation, zusammengeschlossen haben. Mitten drin – österreichische Politiker!
„Wenn auch die Politik in der Freimaurerei nichts zu suchen hat, so hat, recht verstanden, die Freimaurerei sehr wohl etwas in der Politik zu suchen“, gestand bereits Erhard Hornig in Heft 3 der von den „Vereinigten Großlogen von Deutschland“ herausgegebenen Zeitschrift Die Bruderschaft vom 15. Mai 1959. „Die Freimaurerei kann und soll aus dem moralischen Gehalt ihres Wesens die Ideale der Toleranz und Humanität auch in das Spiel der politischen Kräfte hineintragen.“ Der ehemalige Großmeister Michael Kraus erklärte zudem, dass Freimaurer sich im Leben bewähren sollen, „auch durch politisches Denken und Handeln“ (Michael Kraus (Hg.): „Die Freimaurer“, Salzburg 2007, S. 92).
„Logenbruder“ Franz Jonas (SPÖ)i
Wichtigste politische Funktionen:
- 1950 – 1965: Mitglied des Bundesvorstandes und stellvertretender Parteivorsitzender der SPÖ
- 1951 – 1965: Bürgermeister und Landeshauptmann der Stadt Wien
- 1952 – 1953: Mitglied des Bundesrates
- 1953 – 1965: Abgeordneter zum Nationalrat
- 1965 – 1974: Bundespräsident
Wenn es um die Person Franz Jonas geht, wissen die wenigsten heute noch, dass er 1918 in die Volkswehr eintrat, an den Abwehrkämpfen in Kärnten teilnahm, ein Aktivist der „Revolutionären Sozialisten“ war und einst, zusammen mit seiner Frau Margarete, der Katholischen Kirche den Rücken kehrte. Und er war ein Logenbruder, Mitglied einer Wiener Loge.
Franz Jonas höchstes Staatsamt erfüllte sich am 23. Mai 1965 als er in direkter Volkswahl zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt und am 25. April 1971 für eine zweite Amtsperiode wiederbestellt wurde. 1970 ermöglichte er die Bildung einer Minderheitsregierung der SPÖ unter Bruno Kreisky, die ein Jahr später zu einer Alleinregierung der SPÖ führte und in Folge eine grundlegende Umgestaltung der sozialen und politischen Verhältnisse Österreichs Zweiter Republik ermöglichte. Am 24. April 1974 verstarb Jonas an Krebs.
Betreffs Kultur und Bildung verkörperte er zeit seines Lebens den sozialdemokratischen Leitspruch „Wissen ist Macht“. Er blieb ein „unermüdlich Lernender“. Das „Gemeinsame über das Trennende“ zu stellen war seine Devise. Schon früh erkannte er die grundlegende Bedeutung der europäischen Verständigung und die Notwendigkeit auch den Osten in ein gemeinsames Europa mit einzubeziehen. Ganz nach der freimaurerischen Idee der „One World“, die nur erreicht werden kann, wenn alle Nationen zu einem einzigen Staat verschmelzen.
„Logenbruder“ Theodor Kery (SPÖ)ii
Wichtigste politische Funktionen:
- 1951 – 1962: Mitglied des Burgenländischen Landtags
- 1960: Zweiter Landtagspräsident
- 1967 – 1987: Mitglied des Bundesparteivorstandes der SPÖ
- 1969 – 1987: Landesparteiobmann der SPÖ Burgenland
- 1979 – 1983: Stellvertretender Parteivorsitzender der SPÖ
- 1979 – 1983: Mitglied des Parteipräsidiums der SPÖ
- 1966 – 1987: Landeshauptmann von Burgenland
Schon mit zwanzig Jahren wurde Theodor Kery Mitglied des paramilitärischen Kampfverbandes der SA (Sturmabteilung), die einst zur Einschüchterung politischer Gegner eingesetzt wurde, um die öffentlichen Versammlungen von Adolf Hitlers NSDAP („Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei“) zu schützen. Außerdem wurde Kery in den „Nationalsozialistischen-Lehrerbund“ aufgenommen. 1939 stellte er Antrag auf Parteimitgliedschaft in die NSDAP, dem knapp vor Kriegsende noch entsprochen wurde. Nachdem er sich in den letzten Kriegsjahren an die Ostfront gemeldet hatte, aber an die französische Westfront kam und dabei in britische Gefangenschaft geriet, konnte er 1947 als „Minderbelasteter“ wieder in den österreichischen Schuldienst im Bundesland Burgenland eingestellt werden. 1948 holte ihn die SPÖ in ihre Reihen.
Der ehemalige Nationalsozialist arbeitete sich langsam hoch und wurde 1966 Landeshauptmann von Burgenland. Dieses Amt hatte er einundzwanzig Jahre inne. Zudem avancierte er zu einem Freimaurer. Zu seinen Freunden in der Landesregierung gehörte unter anderem auch der langjährige Parteisekretär und Logenbruder Fred Sinowatz, der spätere Bundeskanzler.
Kery galt als „schroff“ und „sprunghaft“, als „Chef“, der „einsame Entscheidungen“ traf und sogar unerlaubte Waffen sammelte. Der Spruch von „Kerys Feudal-Hofstaat“ ging um, der sich Kritik von Verfilzungen und Wirtschaft stellen musste, wie beispielsweise in einem Wohnbauskandal. Die Gunst Theodor Kerys fiel schließlich immer mehr, nicht nur in den Medien, sondern auch in der Öffentlichkeit. Ein dramatischer Wahlverlust Ende der achtziger Jahre läutete schließlich das Ende der Ära des Freimaurers ein und Kery trat abrupt von der Bühne der Landespolitik ab. Er starb am 9. Mai 2010 im 92. Lebensjahr.
„Logenbruder“ Leopold Wagner (SPÖ)iii
Wichtigste politische Funktionen:
- 1966 – 1970: Abgeordneter zum Bundesrat
- 1974 – 1988: Landeshauptmann von Kärnten
- 1974 – 1989: Mitglied des Parteivorstandes der SPÖ
- 1979 – 1983: Stellvertretender Vorsitzender der Bundes-SPÖ
- 1979 – 1983: Mitglied des Parteipräsidiums der SPÖ
Wenn man auf die Homepage des Parlaments der Republik Österreich auf den Namen Leopold Wagner klickt, dann bekommt man einige Informationen über seine Schul-, Berufs- und Politiktätigkeit. Keine jedoch über seine Vergangenheit als Hitlerjunge und noch weniger über seine Betätigung als Freimaurer!
1975 gab der machtbewusste und selbstherrliche Wagner im „national und patriotisch“ geführten SPÖ-Wahlkampf zu, er „glaube auch in nationalen Kreisen eine gewisse Wertschätzung zu finden, da er zwar kein Napola-Schüler, aber immerhin ein hochgradiger Hitlerjunge gewesen sei!“ Zudem war Wagner Freimaurer, konnte sich also auf die funktionierende „Bruderkette“ verlassen. Wie etwa im Jahr 1965, als er zum Landesparteisekretär der SPÖ bestellt wurde, weil dieses Vorhaben bis zuletzt geheim geblieben war. Und die, die in diesen Coup eingeweiht waren, die Parteigranden und vermutlich auch Logenbrüder, verständigten sich mit dem Code: „Ist der Wagen schon vorgefahren?“
Wagner bedrohte den damaligen ÖVP-Klubobmann Georg Wurmitzer einmal mit „psychischer Vernichtung“, was dieser Jahre später abschwächte und meinte, Wurmitzer hätte ihn falsch verstanden. Wie auch immer – Freimaurer Wagner regierte mit eiserner Faust. „Ich war der Chef“, sagte er einmal. „Ich ließ keine Cliquen zu.“ Andere meinten, innerparteiliche Kritiker wären „gnadenlos eliminiert“ worden. Zwar hatte Wagner den „SPÖ-Bonapartismus“, der damals in Kärnten herrschte, den Alleinvertretungsanspruch seiner Partei, die das ganze Land als „Eigentum“ der Roten betrachtete, nicht erfunden, dafür aber ausgebaut und mehr noch: zu einem perfekten Netzwerk, zu einem autoritären Informanten- und Disziplinierungssystem gemacht!
Ohne sein Wissen und Zutun konnte niemand mehr im Land Karriere machen. Karl Anderwald, stellvertretender Landesamtsdirektor von Kärnten (1999 – 2002) sagte bezüglich dieses „SPÖ-Bonapartismus“: „Es entsprach dem damaligen Selbstverständnis der SPÖ, das ganze Land quasi als Eigentum der Partei zu betrachten. Der kontinuierliche Aufbau und das Bewahren der Macht waren oberste Ziele.“ Und genau darauf war Logenbruder Wagner stolz. Er hatte auch, nach eigenen Worten, Jörg Haider immer brav unter Kontrolle, den er als seinen „Ziehsohn“ bezeichnete.
Willy Mitsche, einst im ORF Kärnten als politischer Journalist tätig, dann Chefredakteur, ORF-Landesdirektor und ORF-Hörfunkdirektor, erinnert sich an eine Begebenheit, die sich 1984 zugetragen hatte: „Nach dem Ende einer Pressekonferenz in Pritschitz am Wörther See blieben Haider, der damalige Chefredakteur der Kärntner Tageszeitung (zu jener Zeit im Eigentum der SPÖ), Ernst Primosch und ich noch ein wenig sitzen, und nach einem Gläschen Wein sagte ‚Neste‘ (Primosch) zu Haider: ‚Du Jörg, du musst schon verzeihen, dass ich dich nahezu jeden Tag in Kommentaren attackiere, aber der Poldi (gemeint war Wagner) will das so.“
Freimaurer Wagner versuchte also seinen Konkurrenten Haider „klein zu halten“ oder „klein zu machen“ – das kam wohl auf die jeweilige Betrachtungsweise an. Doch Haider wäre nicht Haider gewesen, wenn er nicht geantwortet hätte: „Neste, mir ist egal, was du schreibst, Hauptsache du schreibst irgendetwas über mich.“ Wagner meinte ferner, dass Haider eine „wirklich politische Funktion“ in Kärnten nicht erreichen könnte und spielte damit wohl auf das Amt des Landeshauptmannes an. Dafür wäre er in der „falschen Partei, wenn er bei uns wäre, könnte er das vielleicht erreichen, aber so nicht.“
Am 6. Oktober 1987 wurde Leopold Wagner Opfer eines Attentats: Ein früherer Schüler – Wagner war einst Lehrer gewesen – schoss auf ihn, verletzte ihn schwer, aber er überlebte. Dennoch war diese Tragödie der Anfang vom Ende seiner politischen Karriere, auch wenn er wieder seine Funktionen ausüben konnte und sich, ganz der freimaurerischen Devise, für ein Pro-EU-Komitee in Kärnten zur Verfügung gestellt hatte. 1989 verlor die SPÖ die Landtagswahl mit hohen Verlusten, so dass es selbst innerhalb der Partei zu massiver Kritik an Wagner kam. Angeprangert wurden vor allem seine Alleinherrschaft, seine Praktiken und die Versäumnisse in der Landespolitik. Notgedrungen musste er auch seinen Irrtum betreffs Jörg Haider einsehen, der sein Nachfolger als Landeschef in Kärnten wurde, ihm ordentlich einheizte und erfolgreich Machtmissbrauch, Parteibuchwirtschaft und Wirtschaftsinkompetenz der Kärntner SPÖ thematisierte.
Wagner war der längst dienende Landeshauptmann Kärntens, der durchgehend von 1974 bis 1988 regiert hatte. Schließlich schied er aus dem Bund der Freimaurer aus, wie es hieß, obwohl die Mitgliedschaft eigentlich für das ganze Leben geschlossen wurde. Wie dem auch sei: Vermutlich hatte er seine maurerische Arbeit erledigt, die wohl nicht für jeden Logenbruder zufrieden stellend gewesen war.
Wagner und sein einstiger politischer Kontrahent Haider starben beide im Herbst 2008. Vielleicht eine Ironie des Schicksals, dass Jörg Haider eine Woche vor seinem eigenen Tod auf dem Begräbnis des Altlandeshauptmannes Wagner zusammen mit dem damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer ein Gebet für den nächsten gesprochen hatte, der aus ihrer Mitte scheiden würde.
„Logenbruder“ Helmut Zilk (SPÖ)iv
Wichtigste politische Funktionen:
- 1983 – 1984: Bundesminister für Unterricht und Kunst
- 1984 –1994: Bürgermeister von Wien und Landeshauptmann des Bundeslandes Wien
Schon früh gehörte der Ex-ORF-Fernsehdirektor und spätere Ombudsmann der Kronen-Zeitung Helmut Zilk zum Kreis der „Erlauchten“; sprich zum (SPÖ-)“Club 45“. Der umfasste rund dreihundert „hochanständige, honorige“ Persönlichkeiten, wie es Bruno Kreisky einmal ausdrückte; darunter auch Freimaurer wie Fred Sinowatz (SPÖ) und Ernst-Eugen Veselsky (SPÖ).
Zilk, der vor seinem politischen Engagement bei den Sozialdemokraten kurzzeitig der KPÖ („Kommunistische Partei Österreichs“) angehörte, war bekannt für seine Bürgernähe, wirkte telegen, war gebildet, manchmal auch „goschert“, also „großmäulig“, wie die Wiener sagen, laut und polemisch. Am 5. Dezember 1993 wurde er bei einem Briefbombenattentat des Terroristen Franz Fuchs an der linken Hand schwer verletzt, verlor dabei zwei Finger und war damit in der Greiffunktion stark eingeschränkt.
Zilk war jedoch nicht nur ein beliebter Politiker, sondern auch ein Freimaurer, Mitglied einer Wiener Loge. Er selbst hatte über diese Zugehörigkeit nie ein Hehl gemacht und sich mehrfach dahingehend geoutet. Einer seiner politischen Kontrahenten, der Wiener ÖVP-Stadtrat und Abgeordnete zum Wiener Landtag, Jörg Mauthe, ein freimaurerischer Bruder, warf ihm einst „Mittelmäßigkeit“ vor sowie einen Mangel an Utopien und Visionen, um Wien „wieder zur strahlenden Metropole Mitteleuropas“ zu machen.
Was zunächst nur die allerwenigsten wussten: Freimaurer Helmut Zilk war auch ein Top-Spion! Unter den Decknamen „Johann Maiz“ oder „Holec“ schnüffelte er zwischen 1965 und 1968 für den tschechoslowakischen Geheimdienst seine eigenen Parteifreunde in der SPÖ aus. Genauer: er lieferte Informationen aus dem inneren Kreis der Sozialdemokraten zur Außenpolitik der damaligen ÖVP-Alleinregierung, zur Frage der Restitution der Altösterreicher (Rückgabe von während des Naziregimes enteigneten Vermögenswerten, überwiegend von Juden), über Sudetendeutsche in der Alpenrepublik und aus der Bundesregierung.
Von „Geschenken“ ist die Rede, wie etwa einem Luster aus böhmischem Bleikristall und von Honoraren, die der heutigen Kaufkraft von etwa 30.000 Euro entsprechen. Das belegten Quittungen, die das Nachrichtenmagazin Profil im März 2009 veröffentlichte. Seine Spitzeltätigkeit setzte Logenbruder Zilk auch noch fort, nachdem er 1967 Fernsehdirektor des neuen ORF geworden war!
1968 nach dem Einmarsch der Sowjetunion in die Tschechoslowakei wurde die österreichische Staatspolizei vom amerikanischen Geheimdienst CIA über die Agententätigkeit des SPÖ-Politikers informiert. Daraufhin wurde Zilk vernommen, aber seltsamerweise waren die dementsprechenden Akten nach Auskunft des Innenministeriums verschwunden!
Im März 2009 erklärte ÖVP-Innenministerin Maria Fekter, dass die „Zilk-Akten“ schon Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre vernichtet worden seien.
Der Freimaurer selbst bestritt zu seinen Lebzeiten die Vorwürfe der Spionagetätigkeit und hatte auch nach seinem Tod einen prominenten Mitstreiter: der (ehemalige) SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann. Dieser glaubte den Beweisen nicht, war sogar empört darüber und wollte dafür sorgen, „dass Zilks Andenken nicht zerstört wird!“ Ein Bundeskanzler, der sich also für einen Spion einsetzte, der die eigene Partei ausschnüffelte? Setzte sich hier ein Logenbruder für den anderen ein? Ob Faymann jedoch tatsächlich zu den Freimaurern gehört, kann nicht belegt werden, auch wenn der BZÖ-Politiker Ewald Stadler dies behauptet.
Ein weiterer Aspekt des „Wegsehens“ der österreichischen Behörden von „unlauter“ gewordenen Spitzenfunktionären: auf der Homepage der Stadt Wien (https://www.stadt-wien.at/politik/buergermeister-wien.html) zum Thema „Wiener Bürgermeister“ (unter Helmut Zilk) ist nichts von alldem zu lesen (Stand August 2019). Weder von seiner Freimaurerzugehörigkeit noch von seiner Spitzeltätigkeit! Das nennt man wohl offiziell „Vergangenheitsbewältigung“ oder „Ausblenden von Politiker-Kritik“.
Trotz seines unglaublichen Verrats an den eigenen Parteigenossen und den österreichischen Wählern wurde dem Altbürgermeister nach seinem Tod im November 2008 ein Staatsbegräbnis gewährt: mit dem Bahrtuch der Stadt Wien, einer Ehrenwache und einer Aufbahrung im Stephansdom, wo das Volk Abschied von ihm nehmen konnte, sowie die Auslegung eines Kondolenzbuches. Ein feierliches, zweistündiges Requiem schloss sich an. Zuvor wurde eine nichtöffentliche Trauersitzung im Festsaal des Wiener Rathauses zelebriert, bei der die österreichische Politprominenz anwesend war, angeführt von Bundespräsident Heinz Fischer. Der damalige SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer machte in seiner Trauerrede für die Wissenden und Eingeweihten wohl alles klar, als er von Zilks Errungenschaften, Leistungen und „spiritueller und moralischer Botschaft“ sprach.
Die Logenbrüder dürfte es gefreut, das Volk nichts davon verstanden haben. Ausgelassen bei seiner Rede hatte der Bundeskanzler Zilks Tätigkeit als Spion. Schließlich endete die Trauerzeremonie für den Freimaurer mit einem Fackelzug des Bundesheeres und der Beisetzung auf dem Wiener Zentralfriedhof. Natürlich nicht ohne vorherige Grabsegnung durch Kardinal Christoph Schönborn und dem von der Gardemusik gespielten Lied „Ich hatte einen Kameraden“. Einen Kameraden jedoch, der wohl über Jahre hinweg eigene Parteifreunde, die Bundesregierung und das österreichische Volk, sowie die in der Alpenrepublik lebenden Sudetendeutschen nicht nur belogen, sondern auch verraten hatte. Auch das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel fand nach dessen Ableben in seiner „Nachruf-Kolumne“ nur lobende Worte: „Zeit seines Lebens stand der gebürtige Wiener für Aufrichtigkeit…“
Die Huldigung seiner Person kann nur damit erklärt werden, dass Zilk als Logenmitglied größere Privilegien als andere genoss und ihn seine Freimaurerbrüder in der „verfreimauerten“ österreichischen Politik nicht im Stich ließen. Egal, was er sich hatte zu Schulden kommen lassen.
„Logenbruder“ Alexander Van der Bellen (Die GRÜNEN)v
Wichtigste politische Funktionen:
- 1994: Nationalratsabgeordneter
- 1997 – 2008: Bundessprecher der GRÜNEN
- 1999 – 2008: Klubobmann im Nationalrat
- 2017 – … : Bundespräsident
Ewald Stadler (BZÖ) behauptete 2006 und zwei Jahre später in einer „scharfzüngigen“ Rede im österreichischen Parlament, dass der einstige Vorsitzende der GRÜNEN, langjährige Bundessprecher, außenpolitischer Sprecher im Nationalrat (und seit 2017 Bundespräsident), der russischstämmige Alexander Van der Bellen, Freimaurer sei. In einem persönlichen Gespräch im Sommer 2009 klärte mich Stadler dahingehend auf: Van der Bellen hätte ihm selbst gesagt, kein Logenmitglied mehr zu sein.
Van der Bellen gestand schon im September 2008, „Mitte der 1970er Jahre in die damals einzige Innsbrucker Loge aufgenommen“ worden und dort „etwa ein Jahr lang aktiv“ gewesen zu sein, was heißen würde, an den Sitzungen teilgenommen zu haben. „Danach habe ich als rein passives Mitglied noch etwa 10 Jahre lang den Mitgliedsbeitrag bezahlt und bin schließlich auf meinen expliziten Wunsch hin ausgeschieden.“
Normalerweise jedoch wird der Bund mit den Freimaurern für das ganze Leben geschlossen und nicht etwa in „Teilzeit“. Wie dem auch sei, der Ex-Vorsitzende der GRÜNEN, Nationalrat und heutige Bundespräsident bekennt also offen seine frühere Mitgliedschaft bei den Freimaurern! Allerdings verharmlost er: „’Meine’ Loge in Innsbruck war jedenfalls ein Klub ehrenhafter Bürger, mit interessanten Diskussionsabenden (ohne jeden Beleg für irgendeine Verschwörungsabsicht) auf relativ hohem intellektuellem Niveau. Über andere Logen kann ich keine Auskunft geben.“
Diese Aussagen stammen aus dem Forum „Mein Parlament“ des Kuriers, genauer von einer kritischen Frage einer Forumsteilnehmerin und der entsprechenden Antwort des Politikers. Interessanterweise sind diese Einträge längst gelöscht.
Fakt ist: Nachdem Ewald Stadler immer wieder für seine Freimaurer-Äußerungen Kritik einstecken musste, behielt er in dieser Hinsicht doch recht: Alexander Van der Bellen „war“ (einst) ein bekennender Freimaurer.
Auf meinem Journalismus-Blog guidograndt.de schrieb ich im Mai 2016 bezüglich des Wahlkampfs zum österreichischen Bundespräsidenten zwischen den Spitzenkandidaten Alexander Van der Bellen (GRÜNE) und Norbert Hofer (FPÖ): Es ging hoch her, bei der Puls 4 – Sendung, als sich die beiden Präsidentschaftskandidaten zum ersten Stichwahl TV-Duell trafen. Die österreichischen Medien berichteten danach u.a. (Hervorhebungen durch mich): „(…) im Gegenzug versuchte Hofer mehrmals, persönliche Spitzen gegen Van der Bellen zu fahren. So bezeichnete er ihn mehrmals als ‚vergesslich‘, unterstellte ihm, ‚zu viel Kaffee‘ getrunken zu haben und legte gleich mehrmals Wert darauf, Van der Bellen als Freimaurer zu bezeichnen.“ Und an anderer Stelle: „In einer hitzigen Diskussion warf der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer Alexander Van der Bellen vor, von einer Berliner Freimaurer-Organisation unterstützt zu werden. Van der Bellen reagierte verblüfft und gewohnt schulterzuckend. Er wisse nichts davon, dennoch freue er sich über jede Unterstützung. Beweise für den Vorwurf konnte Hofer nicht vorlegen.“
Laut einem Logen-Kenner könnte Hofer mit der Unterstützung aus Berlin, die Universelle Freimaurerliga, kurz UFL, gemeint haben. Der UFL, die seit 1905 besteht, gehörten u.a. der Schriftsteller und Journalist Kurt Tucholsky sowie Politiker Friedensnobelpreisträger Henri Lafontaine an. Gelegentlich nimmt die UFL öffentlich zu Themen und Personen Stellung.
Jeder, der sich nur halbwegs mit der Freimaurerei auskennt, weiß, dass ein Ausstieg aus der Loge nicht einfach so möglich ist. Die „Brüder im Geiste“ sind per Eid an eine lebenslange Mitgliedschaft gebunden. Wer diesen Eid bricht, gilt als Abtrünniger.Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass Van der Bellen noch immer sein Freimaurer-Schürzl trägt, ganz egal, was er in der Öffentlichkeit zum Besten gibt. Ob er jedenfalls Kontakte in Berliner Logen hat, ist unter diesem Aspekt nicht auszuschließen, gleich wohl aber schwer zu belegen.
Letztendlich wurde der Grüne-„Logenbruder“ tatsächlich zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt.
Dazu schrieb ich ebenfalls im Mai 2016: Die Freimaurer haben es geschafft. Sie haben wieder einen (Ex-)Logenbruder im höchsten Amt eines Staates. Dieses Mal ist es der GRÜNE und (ehemalige) Freimaurer Alexander Van der Bellen, der es zum österreichischen Präsidenten geschafft hat. Er gab selbst zu, Mitglied einer Innsbrucker Loge gewesen zu sein. Inzwischen hat auch die Großloge von Österreich auf den Wahlsieg reagiert und sich gleich mit (breiter) Brust positioniert.
Auf dem Freimaurer-Wiki wird in diesem Zusammenhang von „antimasonischen Verschwörungstheorien“ gesprochen und folgendes Foto präsentiert:
Wie auch immer: Jedenfalls haben Freimaurer ihren nächsten Bundespräsidenten und damit erneut einen sprichwörtlichen „Logenplatz“ in der Politik erobert. Auch wenn Van der Bellen beharrlich behauptet, nicht mehr dabei zu sein, ist das kaum glaubhaft!
Quellenverzeichnis
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“Bekannte Freimaurer“ in: „sgovd.org“ (https://web.archive.org/web/20100110215433/https://www.sgovd.org/wiki/Vorbilder)
„Berühmte Freimaurer“ in: „Handbuch des Freimaurers; Forschungsgruppe Alpina (FGA)“, zit. nach: https://web.archive.org/web/20090514013454/www.optikus-service.de/html/beruhmte_freimaurer.html
Mag. Dr. Harald Schrefler: „Die katholische Kirche und die Freimaurerei (Dissertation), 12.05.2009, Eine Auswahl berühmter Freimaurer“, S. 3/Archiv Grandt
“Franz Jonas: Vom Arbeiter zum Bundespräsidenten“ in: „wienerzeitung.at“ (https://www.wienerzeitung.at/h/vom-arbeiter-zum-bundesprasidenten)
Eugen Lennhoff/Oskar Posner/Dieter A. Binder: „Internationales Freimaurerlexikon“, München 2006, S. 270, 313, 504
ii Herbert Dachs/Peter Gerlich/Wolfgang C. Müller (Hrsg.): „Die Politiker der Zweiten Republik – Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten“, Wien 1995, S.274ff.
“Die Rolle der SA bei Hitlers Machtergreifung“ in: „uni-protokolle“ (https://web.archive.org/web/20090609182402/www.uni-protokolle.de/Lexikon/Sturmabteilung.html)
iii Guido Grandt: „Schwarzbuch Freimaurerei: Geheimpolitik, Staatsterror, Politskandale – Von der Französischen Revolution bis zu Uwe Barschel“, Balingen 2019, S. 125-128
Dieter A. Binder: „Die Freimaurer – Ursprung, Rituale und Zeile einer diskreten Gesellschaft“, Freiburg i. Breisgau 1998, S. 196ff.
Klaus Ottomeyer: „Jörg Haider – Mythenbildung und Erbschaft“, Klagenfurt/Celovec 2009, S. 146
Georg Lux/Arno Wiedergut/Uwe Sommersguter: „Jörg Haider – Mensch, Mythos, Medienstar“, Wien-Graz-Klagenfurt 2008, S. 74, 75, 102 – 106, 135, 220
Herbert Dachs/Peter Gerlich/Wolfgang C. Müller (Hrsg.): „Die Politiker der Zweiten Republik – Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten“, Wien 1995, S. 572ff.
“Übervater und Ziehsohn – Von Leopold Wagner (SPÖ) zu Jörg Haider (BZÖ)“ in: „derstandard.at“ v. 12.09.08 (https://www.derstandard.at/story/1220458086230/uebervater-und-ziehsohn)
“Biographie Leopold Wagner“ in: „Republik Österreich, Parlament“ (https://www.parlament.gv.at/person/1394)
iv Herbert Dachs/Peter Gerlich/Wolfgang C. Müller (Hrsg.): „Die Politiker der Zweiten Republik – Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten“, Wien 1995, S. 186
Dieter A. Binder: „Die Freimaurer – Ursprung, Rituale und Zeile einer diskreten Gesellschaft“, Freiburg i. Breisgau 1998, S. 200, 201
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„Bürgermeister Wien: die Wiener Bürgermeister der Zweiten Republik: Helmut Zilk“ in: „stadt-wien.at“ (https://web.archive.org/web/20100124090004/www.stadt-wien.at/index.php?id=buergermeisterwien)
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“Zilk-Affäre-Fekter: Akten wurden vernichtet“ in: „vol.at“ v. 23.03.09
“Helmut Zilk: Dem Spion, dem alle vertrauten“ in: „sueddeutsche.de“ v. 22.03.09 (https://web.archive.org/web/20090529142742/www.sueddeutsche.de/politik/962/462578/text/)“Helmut
Zilk war Spion für den tschechischen Geheimdienst“ in: „wien-konkret.at“ v. 24.10.08 (https://web.archive.org/web/20090521113525/http://www.wien-konkret.at/politik/nachruf/helmut-zilk/)
“Freimaurer: Boom durch ‚Sakrileg’ & Co.“ in: „diepresse.com“ v. 14.03.07 (http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/290961/index.do)
“Gestorben: Helmut Zilk“ in: „Der Spiegel 44/2008“, S. 182
v „Die Politik in der Hand der Freimaurer“ in: „kreuz.net“ v. 02.10.06 (https://web.archive.org/web/20091227104326/www.kreuz.net/article.3968.html)
“Altkanzler und Lebensmenschen“ in: „diepresse.com“ v. 28.10.08 (http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/426156/print.do)
“Frage und Antwort an Dr. Alexander Van der Bellen“ v. 18.09.08/01.10.08“ in: „meinparlament.kurier“ (https://web.archive.org/web/20090302193518/http://meinparlament.kurier.at/dr_alexander_van_der_bellen-10815-18798.html)
“Österreich in den Händen der Freimaurer?“ in: „haGalil.com“ v. 08.10.06 (www.hagalil.com/archiv/2006/10/stadler.htm)
“Die Presse am Sonntag: Van der Bellen: ‚Ich lasse mir von der Kronen Zeitung keinen Bundespräsidenten diktieren“ in: „ots.at“ v. 05.09.09 (www.ots.at/presseaussendung/OTS_20090905_OTS0036
Gesprächsnotizen zwischen dem Autor und Ewald Stadler v. 14.07.09 in Wien/ Archiv Grandt/E-Mail von Ewald Stadler an den Autor v. 11.08.09/Archiv Grandt
“Alexander Van der Bellen“ in: „Die Grünen“ https://web.archive.org/web/20090123010021/http://www.gruene.at/personen/alexander_van_der_bellen/
http://kurier.at/politik/van-der-bellen-weiss-nichts-von-freimaurer-unterstuetzung/197.769.613
https://web.archive.org/web/20160511090040/https://www.puls4.com/video/pro-und-contra/play/3054320
https://web.archive.org/web/20160612170657/https://www.heute.at/news/politik/Van-der-Bellen-angriffslustig-Hofer-wurde-persoenlich;art23660,1286104
http://www.oe24.at/oesterreich/politik/Hofer-Wirbel-um-Freimaurer-Sager/234859879
http://freimaurerei.at/allgemein/a-bissel-freimaurerei-im-wahlkampf/
http://freimaurer-wiki.de/index.php/Österreich_2016:_Ein_bisschen_Freimaurerei_im_Wahlkampf#.C3.96sterreich_2016:_A_bissel_Freimaurerei_im_Wahlkampf
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