Einige der jüngsten Ereignisse im Iran und im Irak verdeutlichen, dass Russland sein Engagement im Nahen Osten verstärkt und der US-Einfluss sukzessive schwindet. Moskaus diplomatische Aktivitäten wirken in der Region – zum Leidwesen der Amerikaner. Während der Westen schon offen von einer Neuen Weltordnung philosophiert, die natürlich unter Führung der USA die Vorherrschaft anstrebt, schafft Russland in immer mehr Regionen der Welt Tatsachen.
Während die Militäroperation Russlands in der Ukraine andauert, der US-geführte Westen an immer mehr Sanktionen gegen Moskau arbeiten und die Welt angesichts der stark steigenden Energie- und Lebensmittelpreise mit wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen konfrontiert ist, kommt die Lage im Nahen Osten auch dank der diplomatischen Bemühungen Russlands in Bewegung. Insbesondere im Iran und im Irak tut sich was. So berichtet Simon Watkins bei Oilprice.com:
„In der letzten Woche gab es drei Ereignisse, die entweder den Iran oder den Irak einzeln oder beide zusammen betrafen und die Russland zum Nachteil der USA wieder in den Mittelpunkt des Nahen Ostens rückten. In der zeitlichen Reihenfolge waren dies: eine Reihe von Treffen zwischen dem erfahrenen russischen Außenminister Sergej Lawrow und hochrangigen politischen und militärischen Vertretern des Irans, darunter Präsident Ebrahim Raisi; der Rückzug des langjährigen De-facto-Führers des Landes, Moqtada al-Sadr, und seines 73-köpfigen politischen Blocks, der größten Gruppe in der gesetzgebenden Körperschaft, aus dem irakischen Parlament; und die Vereinbarung eines neuen kooperativen Fahrplans zwischen dem Iran und dem Irak.“
Demnach hat Moskau unter anderem die Lockerungen der antiiranischen Sanktionen im Zuge des „Atomdeals“ dazu genutzt, um die eigene Präsenz im Iran deutlich zu erhöhen. So hat GazpromNeft Vereinbarungen zur Exploration und Erschließung von wichtigen Ölfeldern im Iran geschlossen, die jene von Lukoil mit der National Iranian Oil Company (NIOC) ergänzen. Zudem haben der iranische Ölminister Amir-Hossein Zamaninia und der russische Energieminister Kirill Molodtsow eine 22 Punkte umfassende Absichtserklärung unterzeichnet, die nicht nur Studien und Pläne für die Exploration und Förderung von Erdöl, sondern auch für den Transfer von Gas, petrochemische Swap-Operationen, Forschungen zur Lieferung und Vermarktung petrochemischer Produkte, die Herstellung von Ölausrüstung zusammen mit lokalen iranischen Ingenieurbüros und den Technologietransfer im Raffineriesektor beinhaltet.
Doch das ist nicht alles. Beim jüngsten Treffen zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Ebrahim Raisi sei es auch um die Lieferung von russischen S-400 Luftabwehrsystemen und Su-35-Kampfjets gegangen. Russland hat diese Anfragen des Irans nach militärischer Ausrüstung immer wieder mit seinen eigenen Sicherheitsbedenken im gesamten Nahen Osten verknüpft, insbesondere mit Syrien, einem Gebiet, in dem der Iran und Russland seit langem versuchen, zu einer entscheidenden Arbeitsvereinbarung zu gelangen.
Was al-Sadr betrifft, so steht der Irak vor innenpolitischen Umwälzungen. So hatte der radikale Geistliche seit langem die Idee, den gesamten Irak, einschließlich der halbautonomen Region Kurdistan im Norden, zusammenzuführen und den ausländischen Einfluss – auch den des Irans – auf ein Minimum zu beschränken, als seine wichtigste politische Philosophie angesehen. Doch dieser Plan scheiterte an der kurdischen Seite.
„Das Hauptproblem für al-Sadr bestand darin, dass im Falle eines Erfolges der [vom Iran kontrollierte] Koordinationsrahmen von jeglicher legitimer Macht ausgeschlossen worden wäre, und auch Russland, da al-Sadr jede ausländische Einmischung in irakische Angelegenheiten extrem ablehnt“, erklärte die iranische Quelle letzte Woche exklusiv gegenüber OilPrice.com. „Russland kontrolliert den Ölsektor Kurdistans seit 2017 und wollte darauf aufbauen, um seinen Einfluss im Süden des Landes auszuweiten und einen Klientenstaat des Iran-Irak zu bilden, und al-Sadrs Plan hätte das zerstört, wenn er Erfolg gehabt hätte“, sagte er. Denn Moskau kontrolliert seit dem Jahr 2017 den Ölsektor in Irakisch-Kurdistan und will von dort aus auch im restlichen Irak den wirtschaftlichen Einfluss ausbauen.
Zum dritten und letzten Punkt, dem neuen Fahrplan für die Zusammenarbeit zwischen dem Iran und dem Irak, kündigte Teheran, ohne dass in Bagdad ein klarer Führer in Sicht ist, rasch mehrere wichtige Initiativen zwischen den beiden Ländern an, die auch von Moskau unterstützt werden. Russland hat in Europa bereits gesehen, welche Macht es hat, wenn es Länder von seinen Öl- und Gasexporten abhängig macht, und auch die USA wissen sehr wohl, welche Macht der Iran über den Irak hat, weil er den Irak kontinuierlich mit Strom und Gas versorgt, was seit Jahren Anlass zu heftigen Diskussionen zwischen Washington und Bagdad ist. Letzte Woche erklärte der stellvertretende irakische Ölminister für Exploration, Bassem Mohammad Khazir, dass ein Fahrplan für die künftigen Schritte und Ziele des Irak und des Iran ausgearbeitet werden sollte, und fügte hinzu: „Ein weiteres wichtiges Thema sind iranische Technologien und Produkte… Dieses Land verfügt zum Beispiel in vielen Bereichen wie Stromkabel, Rohre und Armaturen über eine hohe Kapazität und moderne Technologien, die an uns weitergegeben werden können.“
Seit der Zerstörung der irakischen Infrastruktur während der US-Invasion zum Sturz von Saddam Hussein ist das Land auf ausländische Unterstützung angewiesen. Faktisch haben die Amerikaner damit erst die Grundlage für die heutige Situation geschaffen, zumal die irakischen Schiiten als Mehrheit der Gesellschaft auch besser mit dem Iran können als es unter dem sunnitischen Diktator der Fall war. Alles zusammen sorgt jedoch nun dafür, dass der Iran und Russland einen stärkeren Einfluss im Irak haben als je zuvor und für die Amerikaner selbst kein geopolitisch signifikanter Einfluss mehr übrig bleiben wird.