Russische Truppen, Kriegsschiffe und Kampfjets dürfen zu Trainingszwecken, zur Notfallhilfe und zum Gesetzesvollzug in Nicaragua stationiert werden. Dies hat die Regierung unter Präsident Daniel Ortega verkündet. Ist eine neue „Kuba-Krise“ im Anmarsch?
Lateinamerika gilt landläufig als der „Hinterhof der CIA“, und obwohl die „Monroe Doktrin“ eigentlich nicht mehr offiziell gilt, versucht Washington den Einfluss auf dem restlichen amerikanischen Doppelkontinent dennoch weiterhin zu behalten. Immer wieder wurde versucht, Einfluss auf Wahlen in jenen Ländern auszuüben, in denen linksgerichtete (als „anti-US-amerikanisch“ geltende) Präsidenten (wieder-)gewählt werden wollten. Neben den weithin bekannten Fällen Kuba und Venezuela (beide mit kommunistischen Regierungen) standen in den letzten Jahren unter anderem Bolivien, Ecuador und Argentinien mit verschiedenen Methoden der Einflussnahme im Fokus Washingtons, um möglichst politisch genehme Regierungen an die Macht zu bringen.
Auch Nicaraguas Präsident Daniel Ortega steht im Fadenkreuz der US-amerikanischen Regime Change-Bemühungen. Inzwischen wohl umso mehr, als er es russischen Truppen, Flugzeugen und Schiffen erlaubt, zu Ausbildungs-, Strafverfolgungs- und Notfallzwecken nach Nicaragua entsandt zu werden. In einem diese Woche veröffentlichten und von Russland am Donnerstag bestätigten Dekret erlaubt Ortega den russischen Truppen, Strafverfolgungsaufgaben, „humanitäre Hilfe, Rettungs- und Sucheinsätze in Notfällen oder bei Naturkatastrophen“ durchzuführen.
Das ist zwar noch keine direkte Erlaubnis einer dauerhaften russischen Militärpräsenz (wie zum Beispiel in Syrien oder in Venezuela), doch theoretisch könnte Moskau dort (eben zu „Trainingszwecken“) mit den neuesten Hyperschallraketen ausgestattete Kriegsschiffe hinbeordern. Von der Karibikküste aus wären es etwa 3.000 Kilometer bis nach New York City und rund 3.500 Kilometer bis nach Los Angeles. Das reicht zwar nicht ganz aus, um eine „Kinschal“-Hyperschallrakete dorthin abzufeuern (diese hat eine Reichweite von rund 2.000 Kilometern), dennoch könnte Washington dies als direkte Bedrohung für die nationale Sicherheit betrachten.
„Es handelt sich um ein routinemäßiges – zweimal im Jahr stattfindendes – Verfahren zur Verabschiedung eines nicaraguanischen Gesetzes über die vorübergehende Zulassung ausländischer Militärangehöriger auf seinem Territorium, um die Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen zu entwickeln, einschließlich humanitärer und Notfallmaßnahmen, der Bekämpfung des organisierten Verbrechens und des Drogenhandels“, sagte Sacharowa gegenüber dem von der Europäischen Union sanktionierten russischen Nachrichtenportal Sputnik. Nicaragua wird außerdem die Anwesenheit von See- und Luftstreitkräften“ aus Venezuela, Honduras, Guatemala, der Dominikanischen Republik, Kuba, Mexiko, El Salvador und den Vereinigten Staaten erlauben. Die Erlaubnis gilt laut einem Bericht der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass für die zweite Hälfte des Jahres 2022.
Ortega ist seit seiner Zeit an der Spitze der Revolution von 1979, die den Diktator Anastasio Somoza stürzte, ein treuer Verbündeter Russlands. Ortega war von 1985 bis 1990 Präsident, bevor er 2007 erneut an die Macht gewählt wurde. Washington pumpt über CIA-Tarnorganisationen wie USAID seit Jahren Millionen von Dollar in das Land, um „zivilgesellschaftliche Organisationen“ zu unterstützen. Das heißt vor allem pro-amerikanische Gruppierungen, die auch für inszenierte Proteste gegen die Regierung (sogenannte „Farbrevolutionen“) genutzt werden können.