Der Rettungswagen steht für schnelle Hilfe in der größten Not. Wer die 112 wählt, rechnet nicht mit einer Rechnung, sondern mit Unterstützung. Doch genau diese Selbstverständlichkeit gerät derzeit ins Wanken: In mehreren Regionen Deutschlands wird diskutiert, ob Bürger künftig unter bestimmten Umständen für Rettungswageneinsätze selbst zahlen müssen. Für Patienten könnte es teuer werden: In Essen steht bereits ein Eigenanteil von rund 267 Euro im Raum. Im Hochsauerlandkreis könnte er noch deutlich höher liegen.
Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen streiten mit den Krankenkassen über die Kostenübernahme von Fahrten mit dem Rettungswagen. Städte und Landkreise sind für die Organisation des Rettungsdienstes zuständig, während die Krankenkassen einen Großteil der Kosten übernehmen.
Die Kostenübernahme von Rettungswagen-Einsätzen ohne Krankenhaustransport ist dabei besonders umstritten. Bei diesen sogenannten Fehlfahrten wird ein Rettungswagen gerufen, aber kein Patient ins Krankenhaus transportiert, etwa weil die betroffene Person den Transport verweigert, oder weil sie vor Ort medizinisch versorgt wird, ohne dass eine Weiterbehandlung in einer Klinik notwendig ist, oder weil sie am Einsatzort verstirbt.
Bis zu 25 Prozent aller Rettungseinsätze fallen in diese Kategorie. Bisher wurden die Kosten dafür einfach auf alle tatsächlichen Einsätze umgelegt. Laut einem Bundesgesetz müssen die Krankenkassen aber nur beim Transport ins Krankenhaus bezahlen. Daher wollen sie nun die Kosten für die Fehlfahrten angesichts ihrer Finanzlage nicht mehr übernehmen – die entstehende Finanzierungslücke würde dann bei den Kommunen hängenbleiben. Und diese würden die Kosten wiederum zum Teil an die Patienten weitergeben.
Das NRW-Gesundheitsministerium hat keine rechtliche Handhabe, die Krankenkassen zur Kostenübernahme für Fehlfahrten zu verpflichten.
Essen hat nun angekündigt, den Bürgern dafür künftig rund 267 Euro pro Einsatz in Rechnung zu stellen – 1020 Euro kostet der Einsatz eines Rettungswagens. Andere Kommunen erwägen ähnliche Schritte. Im Hochsauerlandkreis stehen gar 500 Euro Eigenanteil zur Debatte.
Kritiker warnen vor erheblichen Risiken. Die Angst vor Kosten könnte dazu führen, dass Menschen in akuten Notlagen zögern, den Rettungsdienst zu rufen. Ärzte, Rettungsdienste und kommunale Spitzenverbände betonen, dass medizinische Laien nicht einschätzen können, ob ein Einsatz „gerechtfertigt“ ist oder nicht. Jede Verzögerung könne im Ernstfall lebensbedrohlich sein.
Besonders absurd: Es werden wohl die braven Normalbürger sein, die sich aus Sorge vor den Kosten auch in großer Not den Anruf verkneifen. Jene Klientel, die bekannt dafür ist, medizinische Kapazitäten auch mit Lappalien zu blockieren, dürfte dagegen weiterhin nicht zögern, die Rettung zu rufen – bei ihnen darf die Kosten zumeist ohnehin die Allgemeinheit übernehmen.
Auch die AfD übte scharfe Kritik und betonte, dass Rettungswagen-Einsätze für Patienten kostenlos bleiben müssen. Martin Sichert, der gesundheitspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, brachte es auf den Punkt:
„Die Meldung aus Essen ist ein weiterer, deutlicher Hilfeschrei des angeschlagenen Gesundheitssystems. Unsere Fraktion sieht die Bundesregierung und Bundesgesundheitsministerin Warken in der Pflicht: Wir brauchen eine gesetzliche Lösung, die dafür sorgt, dass die Kosten nicht von den Patienten getragen werden müssen. Es kann nicht sein, dass Versicherte, die ohnehin historisch hohe Beiträge zahlen und immer schlechtere Leistungen erhalten, nun sogar schon für den Rettungswagen anteilig selbst zur Kasse gebeten werden.
Unsere Fraktion warnt seit Jahren vor den Folgen der desolaten Gesundheitspolitik von Merkel-, Ampel- und Merz-Regierung. Immer mehr Bürokratie wurde im Gesundheitswesen aufgebaut, so dass die Kosten immer weiter steigen und die Leistungen immer schlechter werden. Trotz 180 Milliarden Neuverschuldung und dem Versprechen in die Infrastruktur zu investieren, erodiert die Gesundheitsinfrastruktur in Deutschland immer schneller. Statt Geld für Projekte in aller Welt auszugeben, sollte die Regierung sich endlich um die Probleme in Deutschland kümmern. Kostenlose Krankentransporte sind kein Luxus, sondern ein elementarer Bestandteil der Daseinsfürsorge, für den die Bundesregierung bundesweit zu sorgen hat.“
