Weil China sich nicht auf die Seite des Wertewestens schlägt und Russland für den Einmarsch in die Ukraine abstraft, soll es laut NATO-Generalsekretär Stoltenberg ebenfalls ins Visier von Strafmaßnahmen geraten. Eine Eskalationsstrategie mit ungewissem Ausgang, die auch zu enormen wirtschaftlichen Verwerfungen führen kann.
Die Volksrepublik China ist zwar kein wichtiger Waffenlieferant für Russland, was den Ukraine-Feldzug anbelangt, doch Peking lässt sich auch nicht vor den Sanktionskarren des Wertewestens spannen. Während die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den westlichen Staaten und Russland in den letzten Jahren deutliche Rückschläge erlitten, wurden jene zwischen dem größten Land der Erde und dem Reich der Mitte deutlich gestärkt. Doch dies ist dem NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ein Dorn im Auge.
Bei einer Rede im Wilson Center in Washington, DC, sagte der Norweger: „Peking kann nicht auf beiden Seiten stehen. Irgendwann — und wenn China seinen Kurs nicht ändert — müssen die Verbündeten Kosten auferlegen. Es sollte Konsequenzen geben.“ Während der Westen selbst mit gewaltigen Lieferungen an Kriegsgerät an die Ukraine das Blutbad in der ehemaligen Sowjetrepublik tagtäglich vergrößert, wirft Stoltenberg den Chinesen die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Russen vor. „China schürt den größten bewaffneten Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg und möchte gleichzeitig gute Beziehungen zum Westen aufrechterhalten“, so Stoltenberg.
Doch das Ganze könnte auch zu einem veritablen Schuss in den Ofen avancieren. Peking, welches Moskau bislang nur indirekt unterstützte, könnte sich dann dazu entscheiden, das Nachbarland aktiv zu unterstützen und so aus dem langwierigen Stellungskrieg einen aktiven Vormarsch zu machen. Für die chinesischen Truppen wäre dies dann auch eine Gelegenheit, sich in einem realen Kriegseinsatz zu beweisen – und sich für einen potenziellen Kampfeinsatz gegen Taiwan zu wappnen.
Ganz zu schweigen davon, dass solche Maßnahmen auch die Spaltung der Welt deutlich verstärken könnte. Angesichts der Dominanz Chinas in vielen wirtschaftlichen Bereichen (von den Seltenen Erden bis hin zur petrochemischen und pharmazeutischen Industrie) wäre eine solche Eskalation schwierig. Das Reich der Mitte ist weltwirtschaftlich betrachtet nämlich deutlich wichtiger als Russland, was zu ungeahnten wirtschaftlichen Verwerfungen führen könne. Ist es das, was Stoltenberg damit erreichen will?