Unsere Blutgruppe könnte ein Schlüsselindikator für kardiovaskuläre Risiken sein. Diese Entdeckung, die in mehreren hochkarätigen Studien untermauert wurde, wirft ein neues Licht auf die Rolle unserer Genetik bei der Herzgesundheit.
Eine kürzlich in Nature Scientific Reports veröffentlichte Studie mit dem Titel „Association between blood groups and myocardial injury after non-cardiac surgery: a retrospective cohort study“ deutet auf Zusammenhänge zwischen Blutgruppen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin. Die Forscher analysierten Daten von über 400.000 Teilnehmern und stießen auf ein bemerkenswertes Muster: Menschen mit Nicht-O-Blutgruppen tragen ein um 9 Prozent erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheiten im Vergleich zu jenen mit Blutgruppe O. Besonders alarmierend: Träger der Blutgruppe B sehen sich sogar mit einem um 15 Prozent gesteigerten Risiko konfrontiert.
Eine weitere Studie mit dem Titel „Contribution of Common Genetic Variants to Risk of Early-Onset Ischemic Stroke„, die in der Fachzeitschrift Neurology veröffentlicht wurde, ergab, dass Menschen mit Blutgruppe A ein um 16 Prozent erhöhtes Risiko für einen frühen Schlaganfall – also vor dem 60. Lebensjahr – haben, verglichen mit anderen Blutgruppen.
Zusätzlich zeigt eine Untersuchung mit dem Titel „Relationship between ABO blood groups and cardiovascular disease in type 1 diabetes according to diabetic nephropathy status„, die in Cardiovascular Diabetology veröffentlicht wurde, dass bei Patienten mit Typ-1-Diabetes und Nicht-O-Blutgruppe, die auch eine Mikroalbuminurie aufweisen, das Risiko für ischämische Herzerkrankungen um 81 Prozent erhöht ist. Bei Patienten mit Blutgruppe A steigt dieses Risiko sogar um 93 Prozent.
Doch warum tanzt unser kardiovaskuläres System nach der Pfeife unserer Blutgruppe? Die Antwort liegt vermutlich in den Tiefen unserer Genetik und Biochemie. Experten vermuten, dass bestimmte Blutgruppen die Produktion von Gerinnungsproteinen beeinflussen. So weisen Menschen mit Nicht-O-Blutgruppen tendenziell höhere Spiegel des von-Willebrand-Faktors auf – ein Protein, das die Blutgerinnung fördert und somit das Risiko für Thrombosen erhöht.
Demnach könnte das Wissen um die eigene Blutgruppe künftig eine Schlüsselrolle in der Gesundheitsvorsorge spielen. Ärzte könnten diese Information nutzen, um Risikopatienten frühzeitig zu identifizieren und engmaschiger zu überwachen. Gleichzeitig betonen Forscher die Notwendigkeit weiterer Studien, um die genauen Mechanismen hinter dem Blutgruppen-Effekt zu entschlüsseln.
Während Wissenschaftler weiter an diesem Rätsel arbeiten, bleibt eine Erkenntnis bestehen: Jeder von uns trägt den Schlüssel zu seiner Gesundheit in sich – in jedem einzelnen Tropfen Blut. Diese Erkenntnis ist nicht nur für die Prävention von Krankheiten relevant, sondern bestätigt auch, dass eine medizinische Intervention nicht für jeden Menschen geeignet und sinnvoll sein kann. Jeder trägt eigene Risikofaktoren für Komplikationen in sich. Wer kann es da beispielsweise für eine gute Idee halten, der gesamten Weltbevölkerung neuartige und kaum erforschte Präparate injizieren zu wollen?