Hammer-Angriff auf Rüstungsmanager: Kiews gefährliches Spiel

Symbolbild (C) R24/KI

Ein brutaler Anschlag auf einen russischen Rüstungsmanager wirft Fragen über die Grenzen des Kriegsrechts auf. Der Hammer-Angriff zeigt Kiews neue Strategie – mit rechtlichen Konsequenzen. Denn solche Angriffe gelten eigentlich als Kriegsverbrechen. Wer sich selbst als moralisch im Recht darstellen will, tut sich mit solchen Maßnahmen keinen Gefallen.

Es war ein gewöhnlicher Abend im Mai, als Andrey Kondratyev nach einem langen Arbeitstag nach Hause zurückkehrte. Der 22. Mai sollte für den stellvertretenden Generaldirektor von NPO Kurganpribor zum Albtraum werden. In der russischen Stadt Kurgan, fernab der Frontlinien des Ukraine-Krieges, lauerte ihm ein Unbekannter im Hauseingang auf. Mit einem Hammer schlug der Täter mehrfach auf Kondratyevs Kopf ein, bevor er spurlos verschwand. Was zurückblieb, war ein schwer verletzter Mann und die beklemmende Erkenntnis, dass der Krieg längst nicht mehr nur an den Fronten tobt. Nach Angaben des lokalen Mediums Oblast 45 und des russischen Telegram-Kanals Baza, wie der Kyiv Independent berichtet, deuteten die Umstände des Angriffs auf einen Zusammenhang mit Kondratyevs beruflicher Tätigkeit hin.

Das Unternehmen, für das Kondratyev arbeitet, ist kein gewöhnlicher Industriebetrieb. Kurganpribor, 1941 in den Wirren des Zweiten Weltkriegs gegründet, hat sich zu einem Eckpfeiler der russischen Kriegsmaschinerie entwickelt. In den Fabrikhallen entstehen jene Patronenhülsen, Raketenkomponenten und Zünder, die täglich ukrainische Städte verwüsten. Seit Putins Angriff auf die Ukraine arbeiten die Beschäftigten rund um die Uhr – auch an Wochenenden. Die Produktion ist um fast 70 Prozent gestiegen, wie RBC-Ukraine unter Berufung auf Unternehmensangaben berichtet, ein makaberer Erfolg einer Industrie, die vom Leid anderer profitiert. Nicht umsonst steht das Unternehmen auf den Sanktionslisten der EU und der USA.

Systematische Kampagne gegen Russlands Militärelite

Kondratyev ist nicht das erste Opfer einer Kampagne, die Russlands militärische Elite ins Visier nimmt. Seit 2022 häufen sich mysteriöse Angriffe auf Personen, die Putins Kriegsmaschinerie am Laufen halten. Da war Mikhail Shatsky, der Raketenexperte, der plötzlich tot aufgefunden wurde. Oder General Yaroslav Moskalik, dessen Auto in die Luft flog. Die Liste wird länger, die Muster ähneln sich: Immer trifft es jene, die mit ihrem Wissen und ihrer Arbeit den russischen Angriffskrieg vorantreiben, wie der Kyiv Independent dokumentiert.

Jamie Shea, ein Mann, der drei Jahrzehnte lang für die NATO arbeitete und heute als Analyst beim angesehenen Chatham House tätig ist, sieht in diesen Attentaten mehr als zufällige Gewalt. Für Putin seien sie “eine Demütigung”, erklärt der ehemalige NATO-Sprecher. Sie entlarvten das Versagen der russischen Sicherheitsbehörde und sendeten eine unmissverständliche Botschaft: Niemand im Regime ist sicher, egal, wie weit entfernt von der Front. Die Ukraine trägt den Krieg dorthin zurück, wo er begonnen wurde – in die vermeintlich sicheren Hinterzimmer der russischen Macht.

Psychologische Kriegsführung mit strategischem Kalkül

Was auf den ersten Blick wie wahllose Gewalt erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als durchdachte Strategie. Dmytro Zhmailo, ein ukrainischer Militäranalyst, der die Entwicklungen seit Jahren verfolgt, sieht in den Attentaten eine Form der psychologischen Kriegsführung mit weitreichenden Folgen. Jeder erfolgreiche Angriff stelle die russische Sicherheitsarchitektur bloß und verunsichere sowohl die Truppen an der Front als auch die Führungskräfte in den Büros. Erik Stijnman vom Niederländischen Institut für Internationale Beziehungen bringt es auf den Punkt: Hochrangige Beamte spürten zunehmend, dass der Krieg auch ihren persönlichen Alltag erreiche.

Die Rechnung könnte aufgehen. Russland sieht sich gezwungen, mehr Truppen im Inland zu stationieren und Millionen für den Schutz von Schlüsselpersonen auszugeben – Ressourcen, die an der Front fehlen. Gleichzeitig wächst in den Eliten die Angst um die eigene Haut. Wer gestern noch unantastbar schien, fragt sich heute, ob er der Nächste auf der Liste ist. Putin, der starke Mann, der Sicherheit versprach, kann sie nicht mehr garantieren.

Völkerrechtliche Problematik der Attentate

Doch bei aller strategischen Logik bleibt ein bitterer Beigeschmack. Michael N. Schmitt, ein renommierter Experte für Kriegsrecht an der US-Militärakademie West Point, macht in seinen Analysen für Articles of War deutlich: Attentate in Kriegszeiten sind “heimtückische Verwundung oder Tötung einzelner Gegner”. Das Zusatzprotokoll I zu den Genfer Konventionen von 1977 ist unmissverständlich: Es ist “verboten, einen Gegner durch Hinterlist zu töten, zu verletzen oder gefangen zu nehmen”. Diese Regeln entstanden nicht aus juristischer Pedanterie, sondern aus der bitteren Erfahrung, dass Kriege ohne Grenzen zur Barbarei verkommen.

Der Hammer-Angriff auf Kondratyev erfüllt alle Merkmale eines völkerrechtswidrigen Attentats. Ein Mann, der nach Feierabend nach Hause kommt, rechnet nicht mit einem tödlichen Angriff im eigenen Hauseingang. Sollte die Ukraine tatsächlich hinter dem Anschlag stehen – was weder bestätigt noch dementiert wurde –, hätte sie ein Kriegsverbrechen begangen. Die Tatsache, dass Kondratyev an Waffen arbeitete, die ukrainische Zivilisten töten, rechtfertigt nicht die Missachtung des Kriegsrechts. Denn diese Regeln schützen nicht die Schuldigen, sondern die Menschlichkeit selbst. Wer sie bricht, riskiert, dass der Krieg zur regellosen Gewalt verkommt, in der am Ende alle verlieren.

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