Dürfen Polizeibeamte eine Person dazu anhalten, eine FFP2-Maske zu tragen, wenn diese ein ärztliches Befreiungsattest vorweisen kann, welches von einem in Österreich zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellt wurde? Das Landesverwaltungsgericht Steiermark beantwortete diese Frage kürzlich mit einem klaren Nein.
Von Siri Sanning
Die Inhaberin eines Bio-Lebensmittelbetriebes in Leibnitz hatte Maßnahmenbeschwerde gegen das Vorgehen zweier Polizisten eingelegt, welcher das Gericht nach einem Beweisverfahren Folge gab und die Maßnahmen der Beamten als rechtswidrig beurteilte.
Attest maßnahmenkritischer Ärztin nicht akzeptiert, Festnahme angedroht
Die Unternehmerin war im Januar 2021 zum wiederholten Mal von zwei Polizisten in ihrem Geschäftslokal aufgesucht worden, welche die Einhaltung der COVID-Bestimmungen kontrollierten. Das ärztliche Attest, wonach für die Ladeninhaberin das „Tragen einer das Gesicht teils oder ganz bedeckenden Vorrichtung gesundheitsgefährdend“ sei, wurde von den Beamten nicht akzeptiert – weil es von der maßnahmenkritischen Ärztin Dr. Konstantina Rösch ausgestellt worden war. Der Verdacht, es handle sich um ein Gefälligkeitsgutachten, wurde in den Raum gestellt. Die Beamten forderten die sich weigernde Unternehmerin weiterhin auf, eine FFP2-Maske aufzusetzen, alternativ das Geschäftslokal zu verlassen. Letzten Endes wurde sogar mit Verhaftung gedroht, woraufhin sie dem Druck nachgab und ihr Geschäft schloss.
Im Namen der Republik
Die Verhandlung fand am 5. Mai 2021 statt. Die gesamte Verhandlungsschrift kann hier auf der Webseite von Dr. Roman Schießler nachgelesen werden: GZ: LvwG 20.33-268/2021-7
Auszug aus der Entscheidung:
„Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat (…) über die Beschwerde (…) wegen Verletzung in Rechten durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls-und Zwangsgewalt durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz (belangte Behörde) zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs. 6 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (…) wird der Beschwerde wegen Verletzung von subjektiven Rechten der Beschwerdeführerin teilweise Folge gegeben und festgestellt, dass die am 26.1.2021 im Geschäftslokal durchgeführten Maßnahmen der Polizeibeamten im Zusammenhang mit der Aufforderung zum Tragen einer FFP2-Maske (Aufforderung zum Tragen einer FFP2-Maske und Androhung der Festnahme) rechtswidrig waren.“
Auszug aus der Begründung:
„Festgestellt wird, dass es nicht Aufgabe der Polizeibeamten ist, die medizinische Notwendigkeit ärztlicher Atteste in Frage zu stellen. Vielmehr haben Sie zu überprüfen, ob der Nachweis, wonach aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (…) nicht zugemutet werden kann, durch eine von einem in Österreich zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellte Bestätigung erfolgte (§16 Abs 2 3. COVID-19-NotMV). Ist dies der Fall, liegt eine Ausnahme gem. §15 COVID-19-NotMV vor. Da die Beschwerdeführerin unstrittig ein ärztliches Attest einer zum damaligen Zeitpunkt in Österreich zur selbständigen Berufsausübung berechtigten Ärztin vorlegte, waren die weiteren Maßnahmen der Beamten im Zusammenhang mit der Aufforderung zum Tragen einer FFP2 Maske bis hin zur Androhung der Festnahme rechtswidrig.“
Das Gericht weist darauf hin, dass seitens der Beamten beim Verdacht einer unrechtmäßigen Ausstellung des Attestes entsprechende Beweise im Zuge einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen sind.
Die Beschwerde wegen Verletzung von subjektiven Rechten der Beschwerdeführerin durch das Fotografieren des Attestes wurde abgewiesen. Der Unternehmerin wurde ein Aufwandersatz in Höhe von 1.659,60 Euro zugesprochen. Sie wurde von Rechtsanwalt Dr. Roman Schiessler vertreten.
Zu dem Urteil äußerte sich auch der bekannte Aktivist Martin Rutter in Form eines Vidos auf seinem Telegram-Feed, wodurch wir auf den Sachverhalt aufmerksam wurden.