Laut dem vorläufigen Wahlergebnis ist die FPÖ mit 29,2 Prozent deutlich stärkste Partei geworden. Die ÖVP als großer Wahlverlierer kommt auf nur mehr 26,5 Prozent, während die SPÖ stagniert. Doch kommt es nun – mit einem Volkskanzler Kickl – zur Zeitenwende in Österreich?
Ein Kommentar von Heinz Steiner
Die türkis-grüne Bundesregierung unter Bundeskanzler Karl Nehammer wurde bei der gestrigen Nationalratswahl in Österreich massivst abgestraft. Während die ÖVP rund elf Prozentpunkte verlor, waren es bei den Grünen sechs. Die Ökopartei wurde dabei fast halbiert und sogar noch von den liberalen NEOS überholt. FPÖ-Chef Herbert Kickl, der als „Volkskanzler“ in den Wahlkampf zog, dürfte nun den Kanzleranspruch stellen. Doch als einziger Koalitionspartner käme die ÖVP in Frage, welche sich jedoch zieren dürfte.
Theoretisch ginge sich beim bisherigen Stand (wegen der Auszählung der Wahlkarten gibt es noch eine Unsicherheit von bis zu 0,3 Prozent bei den einzelnen Ergebnissen) allerdings auch eine türkis-rote Verliererkoalition aus, die auf 93 von 92 benötigten Abgeordneten käme. Doch es ist kaum zu glauben, dass die Österreicher dies überhaupt wollen.
Nun stellt sich die Frage, ob die seit 1987 (wenn man von der Regierung Bierlein 2019 absieht) faktisch ununterbrochen in der Bundesregierung sitzende ÖVP wirklich den Gang in die Opposition wagt, oder doch unter einer neuen Parteiführung als Juniorpartner eine erstmals von den Freiheitlichen geführte Regierung unterstützt. Wenn man bedenkt, dass die Volkspartei schon früher den Juniorpartner von SPÖ-geführten Regierungen spielte, sollte dies eigentlich kein Problem sein.
Eine solche von der FPÖ geführte Bundesregierung könnte allerdings eine Zeitenwende in Österreich einläuten. Die Freiheitlichen müssten dabei nicht nur zeigen, dass sie aus den Fehlern der Vergangenheit unter Haider und Strache gelernt haben, sondern auch – zusammen mit der Volkspartei – ein Regierungsprogramm umsetzen können, welches die Alpenrepublik wirtschaftlich wieder voranbringt. Immerhin haben die unseligen Corona-Lockdowns und die desaströsen Energiesanktionen gegen Russland auch der österreichischen Wirtschaft stark zugesetzt.
Für die Österreicher wäre eine von der FPÖ unter Herbert Kickl geführte Bundesregierung jedenfalls eine große Chance. Weniger Klimairrsinn, eine vernünftige Migrationspolitik (auch auf EU-Ebene), Beibehaltung der Neutralität und vielleicht auch wieder etwas bessere Beziehungen zu Moskau zur Etablierung einer großeuropäischen Sicherheitsarchitektur sind damit durchaus möglich. Zumindest dann, wenn die ÖVP mitspielt und sich auf das besinnt, was Österreich für lange Zeit stark und international respektiert machte.