Man muss kein Physikprofessor sein, sondern einfach nur etwas im Naturkundeunterricht aufgepasst haben, um grundlegende Prinzipien in Sachen Wetter und Klima zu verstehen. Das betrifft auch die Bildung von Wolken durch vorhandene Aerosole und den entsprechenden Kühlungseffekt durch die Wolkendecken.
Es ist gemeinhin bekannt, dass sich Wolken infolge von Übersättigung der Luft mit Feuchtigkeit durch die Kondensation an Aerosolen wie zum Beispiel feinen Staubpartikelchen bilden. Das lernt man eigentlich bereits in der Grundschule. Auch dürfte es zum Allgemeinwissen gehören, dass Wolken eine abkühlende Wirkung haben. Wer schon einmal an einem eigentlich sonnigen Tag miterlebt hat, wie sich eine Wolke vor die Sonne schiebt und wie dies zu einer raschen Abkühlung führt, weiß, wovon ich spreche.
Doch nun zeigen sich Forscher überrascht, dass die zunehmend sauberere Luft auch zu einer geringeren Wolkenbedeckung und zu wärmerem Wetter führt. Na, wer hätte so etwas gedacht? Ein Forscherteam der University of Maryland fand nun anhand einer Modellierungsstudie heraus, dass rund 80 Prozent des ab dem Jahr 2020 beobachteten Anstiegs der auf der Erde gespeicherten Wärmeenergie auf die verringerten Emissionen durch eine neue Verordnung der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation zurückgehen dürfte. Denn seitdem dürfen Schiffskraftstoffe nur mehr maximal 0,5 Prozent Schwefel aufweisen und nicht mehr wie bisher 3,5 Prozent.
Weniger Schwefel in den Schiffstreibstoffen heißt aber auch weniger Schwefeldioxid in der Atmosphäre. Wenn nun weniger Schwefeldioxid dort vorhanden ist, welcher mit dem Wasserdampf reagiert, bilden sich auch weniger Wolken. Zudem gilt Schwefeldioxid als Spurengas, welches zur Reflexion von Sonnenlicht ins Weltall beiträgt. Um zu verstehen, wie diese Reduktion des Schwefeldioxids zu wärmerem und regenärmerem Wetter führt, muss man das Gesamtbild betrachten.
Das Klima in weiten Teilen Europas wird vom Golfstrom beeinflusst. Ein warmer Wasserstrom, der aus dem Golf von Mexiko entlang der US-Ostküste bis ins nördliche Europa führt und dort für ein mildes, feuchtes Klima sorgt. Denn das warme Wasser führt auch zu mehr Verdunstung und damit auch – eigentlich – zur Bildung von mehr Wolken. Die intensive Seeschifffahrt im Nordatlantik hat dabei dazu beigetragen, die Wolkenbildung durch den Ausstoß von zusätzlichem Schwefeldioxid zu begünstigen. Doch seit nunmehr viereinhalb Jahren hat sich dieser Ausstoß auf etwa ein Siebtel reduziert. Während der Lockdown-Jahre sogar noch viel mehr, da während dieser Zeit die Schifffahrt weitestgehend zum Erliegen kam.
Die Forscher stellten in ihren Untersuchungen fest, dass neben dem Nordatlantik auch die Karibik und das Südchinesische Meer besonders von der Aerosolreduktion betroffen waren. Das Ergebnis war quasi ein Hitzeschock in den betroffenen Meeresregionen, weil weniger Sonneneinstrahlung durch die Sulfataerosole und die Wolken ins Weltall zurückreflektiert wurde. Hinzu kam übrigens auch der El Niño-Effekt der letzten Jahre und die Eruption des unterseeischen Vulkans Hunga Tonga, der Unmengen an Wasserdampf in die Troposphäre schleuderte und so eine Verstärkung des Treibhauseffekts verursachte.
Um zurück nach Europa zu kommen: Die Reduktion der Wolkenbildung und damit auch der Albedo, durch die sauberere Luft wurden in Europa Dürreperioden und Hitzewellen deutlich begünstigt. Etwas, das ich auch in meinem Buch „Das CO2 ist nicht unser Feind“ angesprochen habe. Denn Haupttreiber der klimatischen Veränderungen sind nun einmal die Sonnenzyklen, der Wasserdampf in der Atmosphäre und die Wolkenbildung. Doch wenn die offensichtlich übertriebenen Luftreinhaltungsmaßnahmen zu einer Reduktion der Wolkendecke führen, kann man nicht mit dem Finger auf das Kohlendioxid zeigen.
Klar, niemand mag verdreckte und verrußte Luft einatmen, doch es zeigt sich, dass zu saubere Luft auch ihre Schattenseiten hat. Oder anders ausgedrückt: Die IMO2020 der Internationalen Seeschifffahrtsbehörde könnte auch einfach zu viel des Guten gewesen sein. Nur um das Ganze etwas zu verdeutlichen, ein paar grobe Zahlen. Die internationale Seeschifffahrt verbraucht jährlich etwa 300 Millionen Tonnen an Treibstoff. Etwa ein Fünftel davon – oder 60 Prozent – entfällt auf die Nordatlantikrouten. Die Reduktion des maximalen Schwefelanteils von 3,5 auf 0,5 Prozent bedeutet damit eine globale Reduktion von 14,7 auf 2,1 Millionen Tonnen – oder von 29,4 Millionen Tonnen Schwefeldioxid auf 4,2 Tonnen. Alleine in Sachen Strahlungsantriebsänderung (radiative forcing) sorgt laut Lehrbüchern die Reduktion der SO2-Emissionen um 3,6 Millionen Tonnen für eine Erwärmung um bis zu 1,26 Grad Celsius. Plus die Erwärmungseffekte durch die fehlende Wolkenbildung. War das beabsichtigt?