Fast 173.000 Österreicher fordern Neuwahlen: Verfassungsausschuss diskutiert Volksbegehren

Bild via rücktritt-bundesregierung.at, Hintergrund via freepik / weyo

Das Volksbegehren „Rücktritt Bundesregierung“ (Report24 berichtete) war ein voller Erfolg: 172.712 Österreicher haben es unterzeichnet und damit ihrer massiven Unzufriedenheit mit der Politik seit der Corona-Krise Ausdruck verliehen. Was als Widerstand gegen unverhältnismäßige Covid-Maßnahmen begann, umfasst mittlerweile längst auch Kritik gegen die verfehlte Asyl-, Wirtschafts- und Energiepolitik. Die Forderung ist deutlich: Es sollen Neuwahlen stattfinden. Der Verfassungsausschuss diskutierte das Volksbegehren nun. Insbesondere die ÖVP und die Grünen zeigten sich dabei uneinsichtig.

Im Folgenden lesen Sie die Pressemitteilung des Pressediensts der Parlamentsdirektion vom 22. Februar 2023:

Verfassungsausschuss diskutiert über Volksbegehren „Rücktritt Bundesregierung“

Initiator:innen üben scharfe Kritik an Corona- und Asylpolitik und fordern rasche Neuwahlen

Wien (PK) – Im Verfassungsausschuss des Nationalrats stand heute auch ein von 172.712 Österreicher:innen unterzeichnetes Volksbegehren (1661 d.B.) zur Diskussion, das vorzeitige Neuwahlen zum Ziel hat. Durch einen Auflösungsbeschluss des Nationalrats soll der Weg für eine unverzügliche Abberufung der Bundesregierung und die Ernennung einer Expertenregierung frei gemacht werden, heißt es im Antragstext. Nahetreten wollte die Ausschussmehrheit der Forderung aber nicht, nur die FPÖ stellte sich weitgehend uneingeschränkt hinter die Initiative. SPÖ und NEOS plädierten zwar ebenfalls für Neuwahlen, zeigten sich aber über die Ausführungen der Initiator:innen des Volksbegehrens zum Teil stark irritiert.

Begründet wird die Forderung nach raschen Neuwahlen mit der nach Ansicht der Unterzeichner:innen offenkundigen „Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit der Bundesregierung“, wobei insbesondere die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Zentrum der Kritik stehen. Diese seien unverhältnismäßig, nicht evidenzbasiert und teilweise verfassungswidrig gewesen, wird unter anderem moniert. Zudem werfen die Unterzeichner:innen der Regierung eine Spaltung der Gesellschaft vor und orten eine Unterdrückung von Kritiker:innen. Auch seien „depressive Zustände und Angstzustände“ bei Kindern infolge der Corona-Maßnahmen gestiegen und die heimische Wirtschaft durch die Corona-Politik geschwächt worden.

Bekräftigt wurde die Kritik an der Regierung heute von den Initiatoren Elias Mühlbauer, Martin Kaser und Michael Dragomir. Ursprünglich habe man nur ein Corona-Volksbegehren machen wollen, dann habe sich aber herausgestellt, dass die Inkompetenz der Regierung größer sei als gedacht, sagte Mühlbauer. Seiner Ansicht nach ist die Forderung nach Neuwahlen heute wichtiger denn je, zumal die Koalition laut aktuellen Umfragen „nicht einmal mehr ein Drittel“ der Bevölkerung hinter sich habe.

Wo seien die 100.000 Toten, von denen Ex-Bundeskanzler Kurz gesprochen habe, ergänzte Kaser und warf der Regierung eine massive Diskriminierung ungeimpfter Personen vor. Selbst Kinder seien in den Schulen gezwungen worden, „mit giftigen Substanzen zu hantieren“. Dabei habe die Impfung „keine Wirkung“. Eine „heuchlerische Entschuldigung“ von Seiten der Regierung sei jedenfalls zu wenig, befand Kaser. Zu einer „lückenlosen Aufarbeitung“ gehöre auch, die verantwortlichen Politiker:innen zur Verantwortung zu ziehen. Zudem wolle er jede Strafe, die er bezahlt habe, rückerstattet bekommen. Man habe nicht nur 47 Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn geführt, sondern seinen Namen auch „in den Dreck gezogen“, so der Proponent.

Die Regierung habe aber nicht nur bei den COVID-Maßnahmen versagt, sondern etwa auch bei der Asylpolitik, hielt Kaser fest. Österreich „importiere“ Menschen mit einer Geschwindigkeit, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis seine Kinder einer Minderheit angehörten. Niemand habe zudem das Recht, die österreichische Neutralität in Frage zu stellen, mahnte er. Auch die Objektivität des Verfassungsgerichtshofs stellte er in Frage.

„Symptome des Kommunismus“ machte Michael Dragomir in der Corona-Politik der Regierung aus. Diese habe unter anderem „mit allen Mitteln versucht, in die Häuser der Bevölkerung einzudringen“. Gescheitert ist seiner Ansicht nach aber nicht nur das Corona-Management, sondern auch die Asylpolitik, die Wirtschaftspolitik und die Energiepolitik. In einer Demokratie gebe es keinen Zwang, so Dragomir, vielmehr sei in einer Demokratie „das Volk der Chef“, und die Politik habe das umzusetzen, was die Bevölkerung wolle.

SPÖ und NEOS für Respektierung des Rechtsstaats

Über die Ausführungen irritiert zeigten sich nicht nur die Regierungsparteien, sondern auch SPÖ und NEOS. Die SPÖ habe schon selbst mehrere Anläufe für Neuwahlen genommen, sagte Selma Yildirim. Die Regierung habe keine Mehrheit mehr, jeder Tag, der hinausgezögert werde, sei „ein verlorener Tag“. Trotz aller Kritik sei aber festzuhalten, dass Österreich ein funktionierender Rechtsstaat sei. Der Verfassungsgerichtshof habe alles genau geprüft. Auch einer Vermischung von Corona- und Asylpolitik kann Yildirim nichts abgewinnen: Ziel engagierter junger Leute sollten ihrer Meinung nach vielmehr eine aktive Friedenspolitik und faire Handelsverträge sein. Oft müssten Menschen „ihre geliebte Heimat“ unfreiwillig verlassen.

NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak wies darauf hin, dass auch seine Partei vieles von dem kritisiert habe, was auch die Initiator:innen des Volksbegehrens kritisch sehen. Die Corona-Maßnahmen seien zum Teil „massiv unverhältnismäßig“ gewesen. Die Art und Weise, wie man mit Kindern und Jugendlichen umgegangen sei, sei unverantwortlich. Auch hält Scherak eine Entschuldigung für manche Dinge, die in der Corona-Pandemie gesagt wurden, für notwendig.

Er glaube allerdings nicht, dass die Regierung aktiv einen „Bevölkerungsaustausch“ plane, sagte Scherak. Auch sei er nicht wissenschaftsfeindlich. Auch wenn die Impfung nicht das gebracht habe, „was wir erhofft haben“, habe sie etwas gebracht. Scherak verteidigte außerdem die repräsentative Demokratie. Auch wenn alle drei Oppositionsparteien der Meinung seien, dass Neuwahlen angebracht wären, müsse man es akzeptieren, wenn die Regierung nach wie vor eine Mehrheit im Parlament habe.

ÖVP: Freiheit ist nicht eingeschränkt

Seitens der ÖVP erinnerte Rudolf Taschner daran, dass zu Beginn der Pandemie niemand gewusst habe, welche Gefahren auf einen zukommen. Es sei ein „unklarer Nebel“ gewesen. Das habe auch FPÖ-Chef Herbert Kickl seinerzeit so gesehen. Im Nachhinein könnten Dinge anders aussehen, machte auch sein Fraktionskollege Wolfgang Gerstl geltend.

Eine Demokratie zeichne jedenfalls aus, das jeder seine Meinung sagen könne, sagte Gerstl. Auch könne jeder in Österreich eine Partei gründen. Die Pressefreiheit sei nicht eingeschränkt. Die Freiheit des einzelnen ende aber dort, wo die Freiheit des anderen gefährdet sei. Wer respektvolles Miteinander einfordere, müsse im Übrigen auch selbst anderen Respekt entgegenbringen.

Grüne: Corona-Maßnahmen erfolgten evidenzbasiert

Es sei unrichtig, dass die Corona-Politik nicht evidenzbasiert erfolgt sei, hielt Georg Bürstmayr (Grüne) fest. Die COVID-19-Maßnahmen seien auch vielfach einer Prüfung unterzogen und vom Verfassungsgerichtshof mit wenigen Ausnahmen bestätigt worden.

Bürstmayr machte zudem geltend, dass die Regierung nach wie vor das Vertrauen der Mehrheit der Abgeordneten genieße. Und diese seien für fünf Jahre gewählt worden. Das sei von der Verfassung so vorgesehen. Gewählt hätten 4,8 Millionen Menschen, also deutlich mehr, als das vorliegende Volksbegehren unterschrieben haben. Zur Aussage, das Volk würde bestimmen, wo es langgeht, sagte Bürstmayr „Sie allein sind nicht das Volk“.

FPÖ: Anliegen des Volksbegehrens sind „völlig richtig“

Als „völlig richtig“ beurteilte hingegen FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan die Anliegen des Volksbegehrens und bedankte sich in diesem Sinn ausdrücklich für die Initiative. Man solle „nicht die Nase rümpfen“, weil einem der Ton nicht gefalle, hielt er mit Blick auf die anderen Parteien fest. Das, was in der Corona-Zeit passiert sei, harre jetzt einer Aufarbeitung – mit „totalitärem Denken“ habe man weitreichenden Schaden verursacht. Man habe Lockdowns verhängt, die nicht wirklich notwendig gewesen seien, Menschen aufgerufen, „sich gegenseitig zu bespitzeln“, und den Leuten vorgeschrieben, mit wie vielen Leuten sie Weihnachten oder Ostern feiern dürfen. Christian Lausch ergänzte, dass die FPÖ die einzige Partei gewesen sei, die gegen die Impfpflicht gestimmt habe.

Das Volksbegehren wird nun noch einmal abschließend im Plenum des Nationalrats behandelt.

Volksbegehren zur Abschaffung der GIS-Gebühr

Nur formal aufgenommen und ohne Debatte vertagt hat der Verfassungsausschuss die Beratungen über ein weiteres Volksbegehren (1795 d.B.), das auf eine Abschaffung der ORF-Gebühren abzielt. Lediglich eine streng zweckgewidmete Gebühr zur Finanzierung des Radioprogramms Ö1 können sich die 364.346 Unterzeichner:innen vorstellen.

Begründet wird die Forderung unter anderem mit der Programmqualität des ORF und parteipolitischer Einflussnahme bei der Besetzung von Führungspositionen und des Stiftungsrats. So bezweifeln Initiator Dominik Schmied und seine Mitstreiter:innen etwa, dass der ORF seinen öffentlichen Bildungsauftrag erfüllt. Zudem wird auf die Abschaffung wichtiger Sportübertragungen verwiesen.

Schon in der vergangenen Gesetzgebungsperiode hat sich der Nationalrat auf Basis eines Volksbegehrens mit der Forderung nach einer Abschaffung der GIS-Gebühren befasst. Dazu wurde auch ein Hearing – unter anderem mit dem damaligen ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz – abgehalten. (Schluss Verfassungsausschuss) gs

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