Der liberale EU-Kommissar Belgiens Didier Reynders spielte sich stets als Korruptionsbekämpfer auf. Nun ist er selbst in einen Geldwäscheskandal verwickelt. Allerdings ist dies bezeichnend für die oftmals vorherrschende Doppelmoral der politischen Eliten – auch in der Europäischen Union.
Da sitzt er nun, der große Hüter europäischer Rechtsstaatlichkeit, und muss sich von belgischen Ermittlern befragen lassen. Ausgerechnet Didier Reynders, bis vor wenigen Tagen noch EU-Justizkommissar und selbsternannter Kämpfer gegen Korruption (siehe auch die Tweets weiter unten), steht im Zentrum einer spektakulären Geldwäsche-Affäre. Die Ironie könnte kaum beißender sein. Kaum war seine Amtszeit als EU-Kommissar am Samstag abgelaufen, standen am Dienstag die Fahnder vor seiner Tür. Der Verlust der Immunität macht’s möglich. Was die Ermittler in seinen Privaträumen suchten? Den Beweis für ein perfides System der Geldwäsche, das der 65-jährige Belgier über Jahre hinweg perfektioniert haben soll.
Die Masche klingt fast zu simpel, um wahr zu sein: Der liberale Politiker soll systematisch Lotto-Tickets mit dubiosem Geld gekauft und die “Gewinne” dann ganz legal auf sein Konto überwiesen haben. Ein klassischer Fall von Geldwäsche – ausgerechnet über die staatliche Lotteriegesellschaft, für die er als Finanzminister zwischen 2007 und 2011 selbst verantwortlich war. Die belgische Finanzaufsicht CTIF-CFI spricht von “verdächtigen Transaktionen über einen längeren Zeitraum”. Woher die Gelder stammen, die Reynders “reingewaschen” haben soll, ist noch unklar. Der ehemalige Kommissar wird nun die legale Herkunft nachweisen müssen – keine leichte Aufgabe für jemanden, der jahrzehntelang in den obersten Etagen der belgischen und europäischen Politik residierte.
Besonders interessant ist auch folgender Umstand: Als Ursula von der Leyen ihn 2019 zum Justizkommissar ernannte, gab sie ihm den Auftrag, “die Rechtsstaatlichkeit in unserer Union zu gewährleisten”. Nun steht ausgerechnet der Wächter selbst unter Verdacht, das Recht gebogen zu haben. Der Fall zeigt einmal mehr die Doppelmoral der EU-Elite. Während man nach außen Transparenz und Rechtschaffenheit predigt, scheinen im Inneren andere Regeln zu gelten. Reynders, der in Belgien wegen seiner scheinbaren Unantastbarkeit den Spitznamen “Teflon Didier” trägt, könnte diesmal allerdings ins Straucheln geraten.
Die Ermittler haben geduldig gewartet, bis seine Amtszeit als Kommissar endete. Jetzt, wo die schützende Hand der EU-Immunität weg ist, wird sich zeigen, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. Für das langjährige politische Schwergewicht könnte es eng werden – sehr eng sogar. Dass ausgerechnet die nationale Lotterie den entscheidenden Hinweis gab, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Manchmal verliert man eben auch beim Glücksspiel – selbst wenn man die Regeln selbst geschrieben hat.