Vom russischen Erdgas hängt in Europa nicht nur der Strompreis ab, auch der direkte Gaskonsum von Privathaushalten und Unternehmen ist nicht das einzige „Problem“ – auch die Produktion von Düngemitteln hängt direkt damit zusammen. Und das wird zu einem wirklichen Problem.
Die Speicherkapazitäten für Erdgas in der Europäischen Union sind nicht nur begrenzt, sondern (insgesamt betrachtet) die Speicher dazu auch noch nicht einmal ansatzweise so gut gefüllt, dass der gesamte Bedarf eines kalten, langen Winters auch gedeckt werden kann. Zwar sorgt der sukzessive Zusammenbruch der Verhüttungsanlagen und der metallproduzierenden Industrie für etwas Erleichterung bei der Nachfrage, doch die Aussichten sind weiterhin katastrophal.
Denn bislang sieht es nicht so aus, als ob in den kommenden Monaten genügend Erdgas über die Ukraine aus Russland fließen kann, um den Bedarf der Europäer zu decken. Das Flüssiggas aus Übersee (derzeit insbesondere aus den Vereinigten Staaten) reicht auch nicht aus. Und die hohen Erdgaspreise haben auch eine weitere Schlüsselindustrie hart getroffen: die Düngemittelproduzenten. Jene Unternehmen, die die sogenannten NPK-Dünger (Stickstoff bzw. Nitrogen, Phosphor und Kali) herstellen, sind auf günstiges Gas angewiesen (70 Prozent der Kosten entfallen auf das Erdgas). Kein Wunder also, dass mittlerweile bereits mehr als zwei Drittel der europäischen Düngerproduktion vom Markt sind, weil sich die Produktion einfach nicht mehr lohnt.
Wir sprechen von Düngemitteln, die bei der Lebensmittelproduktion weltweit unerlässlich sind. Bis zu 60 Prozent der globalen Produktion von Nahrungsmitteln hängen direkt oder indirekt von diesen Kunstdüngern ab. Und die Europäer produzieren kaum mehr etwas davon. Ein Umstand, der die Landwirtschaft hart treffen wird (wenngleich beispielsweise der niederländischen Regierung so ein Angebotsmangel wahrscheinlich gefällt). Doch weniger Dünger heißt geringere Ernten, was wiederum neben höheren Preisen auch leere Regale in den Supermärkten mit sich bringen wird.
Angesichts der aktuellen Disruptionen durch Exportbeschränkungen für wichtige Güter wie Weizen, Mais, Reis, Pflanzenöl, Zucker und so weiter, ohne dass der Düngermangel schon zu größeren Ernteausfällen beiträgt, kann man sich durchaus vorstellen, wie schlimm die Lage im nächsten Jahr sein wird, wenn sich das Düngerproblem voll durchschlägt. Und eine Sache ist sicher: Den Politikern wird es erst einmal wichtiger sein, dass die Leute im Winter nicht (zu sehr) frieren müssen, sodass eine Subventionierung der Gasversorgung für die Düngemittelindustrie keine Option darstellt. Dann warten wir einmal auf die große Hungerkrise…