An der ukrainischen Front zeichnet sich für Kiew und deren westlichen Unterstützer ein düsteres Bild ab. Die jüngsten Ereignisse offenbaren eine dramatische Verschiebung der militärischen Dynamik, die weitreichende Konsequenzen für den Konflikt haben dürfte.
Nach Analysen des renommierten Institute for the Study of War (ISW) hat die russische Armee allein in diesem Jahr bereits etwa 2.700 Quadratkilometer ukrainisches Territorium erobert – eine fast sechsfache Steigerung gegenüber dem gesamten Vorjahr. Besonders alarmierend ist die Geschwindigkeit der jüngsten Vorstöße: Allein zwischen September und November wurden über 1.000 Quadratkilometer eingenommen. Dr. Marina Miron von der Kings College London warnt vor einem möglichen Zusammenbruch der ukrainischen Ostfront, sollte sich das aktuelle Tempo der russischen Offensive fortsetzen. Die Situation in der Donbass-Region verschärft sich zusehends, wo ukrainische Streitkräfte unter der Führung von Armeechef Oleksandr Syrsky einer der „stärksten russischen Offensiven seit Kriegsbeginn“ gegenüberstehen.
Besonders prekär entwickelt sich die Lage in der Region Donezk. Hier haben russische Einheiten innerhalb weniger Tage mindestens zehn Ortschaften eingenommen. Die strategisch wichtigen Städte Kurakhove und Velyka Novosilka geraten zunehmend unter Druck, was die Position der ukrainischen Streitkräfte weiter schwächt. Diese militärischen Entwicklungen haben bereits zu einem bemerkenswerten Kurswechsel in Kiews Strategie geführt. Präsident Wolodymyr Selenskyj, der lange Zeit die vollständige Rückeroberung aller besetzten Gebiete als unabdingbare Voraussetzung für Friedensgespräche betrachtete, signalisiert nun erstmals Kompromissbereitschaft. Er deutete am Wochenende an, dass eine diplomatische Lösung zur Rückgewinnung der Territorien möglich sei – vorausgesetzt, die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine werde garantiert.
Die USA und ihre Verbündeten reagieren mit verstärkten Waffenlieferungen. Washington hat ein neues Hilfspaket im Wert von 725 Millionen Dollar angekündigt, während Deutschland zusätzliche 680 Millionen Dollar bereitstellt. Doch angesichts der schwindenden Personalressourcen der Ukraine stellt sich die Frage, ob diese materielle Unterstützung ausreichen wird, um die russische Offensive aufzuhalten. Die Zeit drängt: Mit dem bevorstehenden Amtsantritt des gewählten US-Präsidenten Trump in rund 50 Tagen könnte sich die westliche Unterstützung fundamental ändern. Trump hat wiederholt Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts angekündigt.
Die aktuelle Entwicklung deutet darauf hin, dass Moskau, gestärkt durch seine militärischen Erfolge, kaum Anreize für Zugeständnisse bei möglichen Friedensverhandlungen sehen dürfte. Die Last der Kompromisse und territorialen Konzessionen wird vermutlich hauptsächlich auf den Schultern der ukrainischen Führung lasten.