Diese Zitate sollen das Compact-Verbot begründen: Kritik an Bill Gates ist nun antisemitisch

In deutschen Redaktionen lebt man jetzt gefährlich. - Symbolbild: R24 / KI

„Hab’ ich eh nie gelesen“, vernimmt man es aktuell von so manchem, der das Verbot des Magazins „Compact“ mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen hat. Man muss auch nicht alles lesen, was veröffentlicht wird – durchaus lohnenswert ist jedoch die Lektüre von jenen Textstellen, die Nancy Faesers Ministerium als Begründung für das Verbot anbringt. Hier würde man naturgemäß Aufrufe zu Gewalt und Straftaten erwarten, denn ein Medienverbot ist ein beispielloser Eingriff in die Pressefreiheit und will gut begründet werden. Stattdessen stört sich das Innenministerium schon an Verweisen auf den UN-Migrationspakt und erklärt Kritik an Korruption und Einflussnahme durch nicht-jüdische Milliardäre wie Bill Gates zu lupenreinem Antisemitismus.

Kommentar von Vanessa Renner

Kein Leser des Magazins zu sein, kann in der Beurteilung der Rechtfertigung für das Verbot durchaus vorteilhaft sein: Man liest die Begründung mit einer größeren Objektivität. Nancy Faesers Behörde hätte hier alle Möglichkeiten, Menschen ohne Hintergrundwissen von der Gefahr durch „Compact“ zu überzeugen. Denn gefährlich soll das Magazin ja sein, so heißt es: Immerhin agitiere man „kämpferisch“ und „aggressiv“ gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Zwar ist das rund 80 Seiten starke Dokument des Innenministeriums mit zahlreichen Zitaten aus Veröffentlichungen des Magazins sowie Wortmeldungen von Jürgen Elsässer untermauert. Allerdings wirken sie als Begründung für ein Medienverbot immer wieder regelrecht hanebüchen. Man muss nicht mit den von Compact kolportierten Ansichten (und auch nicht mit der Wortwahl) übereinstimmen, um sich über Zuschreibungen und Theorien des Ministeriums zu wundern. Nicht wenige Zitate erwecken dabei den Eindruck, dass in Bälde jedem auch nur ansatzweise kritischen Bürger eine Beobachtung durch Ministerium und Verfassungsschutz drohen könnte. Wir bringen im Folgenden einige Beispiele.

Unterscheidung zwischen „Bio-Deutschen“ und „Passdeutschen“

Sie sind nicht damit einverstanden, wie leicht es inzwischen geworden ist, den deutschen Pass zu erhalten, und setzen frisch eingebürgerte Migranten nicht mit Deutschen gleich, die „schon länger hier leben“? Dann gehört ihre Ansicht nach Meinung von Faesers Behörde verboten.

(Beispiele für Äußerungen, die vom Innenministerium angeprangert werden)

Damit werde ein „völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept“ vertreten, mit einem ethnisch-homogenen Volksbegriff, der dem Grundgesetz widerspreche. Kritisch wird es demnach bereits, wenn im Kontext der Fußball-WM in Katar darauf hingewiesen wird, dass die japanische Elf „ohne einen einzigen Ausländer“ spielte, im Gegensatz zur „nur dem Namen nach deutsche[n] Nationalmannschaft“. Wo war eigentlich der Aufschrei des Innenministeriums, als Katrin Göring-Eckardt bei der letzten EM auf X schrieb: „Stellt euch kurz vor, da wären nur weiße deutsche Spieler„?

Ersetzungsmigration: UN rassistisch?

Sie haben Veröffentlichungen der Vereinten Nationen zur „replacement migration“ (Ersetzungsmigration) gelesen und prangern an, dass die Massenmigration als geeignetes Mittel gegen die Überalterung der Bevölkerung und abnehmende Geburtenraten forciert wird? Sie wagen es, in diesem Kontext das Wort „Bevölkerungsaustausch“ in den Mund zu nehmen? Dann gehört ihre Meinung wohl verboten. Selbst der direkte Verweis auf den UN-Migrationspakt und auf konkrete Zahlen aus dem Jahr 2015, in dem sich, so Compact, „zwei Millionen Ausländer in Deutschland nieder[ließen], während eine Million Inländer wegzogen“, gefolgt von der Feststellung „Zwei Millionen rein, eine Million raus – das nennt man Austausch“, sind für das Innenministerium rassistisch. Auch das folgende Beispiel wird aufgeführt:

Sehen Sie hier Rassismus? Das Innenministerium offenbar schon. Unnötig zu erwähnen, dass auch Remigrationsforderungen das Verbot untermauern sollen.

Auch rassistisch: Kritik an Gewalt durch Migranten

Sie kritisieren Migrantengewalt und den laschen Umgang von Politik und Justiz mit jungen Männern aus Ländern mit (nach westlichen Maßstäben) archaischer Kultur? Damit begeben Sie sich auf dünnes Eis. Schon Bildunterschriften über Gewalt gegen Frauen gehen den deutschen Behörden so gegen den Strich, dass sie in deren Unterlagen landen:

Bei einigen Beispielen könnte man noch die drastische Wortwahl (so ist etwa wiederholt von einer „Messereinwanderung“ die Rede) als Grund für die Empörung ausmachen, aber unter den Beispielen finden sich auch solche:

Angeblich würde „afroarabischen Zugewanderten“ generell ein „ökonomischer Nutzen für die Gesellschaft abgesprochen“ und sie würden verallgemeinernd kriminalisiert und als Gefahr stigmatisiert. Das sei Diskriminierung. Ob das Compact-Magazin wirklich jeden Araber und jeden Afrikaner als kriminell darstellt, bleibt offen. Textbeispiele wie das eben gezeigte könnten sich auch in Meinungsartikeln der Mainstreammedien finden. Wenn schon solche Sätze bei der Abwägung von Medienverboten herangezogen werden, wird jede Form von Migrationskritik unsagbar, weil die Presse damit ihre Existenz gefährden würde.

Kritik an Milliardären automatisch antisemitisch

Sie haben ein Problem mit Lobbyismus und Krisenprofiteuren? Dann sind Sie vielleicht ein antisemitischer Extremist. Das Innenministerium schreibt sogar Kritik an (immer wieder antisemitisch auffallenden) Klimakleber-Gruppen zum Antisemitismus hoch. Das kommt daher, dass man sich schwer tut, dem Magazin echten Antisemitismus nachzuweisen. Wörtlich erörtert man in der Argumentation, der politische Antisemitismus drücke sich bei Compact „nur vereinzelt offen direkt gegen jüdische Gruppierungen aus“. Stattdessen nutze man „Chiffren“, „die die als Kollektiv verstandene Gruppierung benennt und die Kernbezeichnung ‚die Juden‘ ersetzt“. Man unterstellt dem Magazin, dass Kritik an einer Finanzelite oder Hochfinanz „stellvertretend für das antisemitische Bild eines ‚Finanzjudentums'“ herhalten würde, bringt dafür aber keinen Beleg. Superreiche würden „jüdisch gelesen“ (!), damit sei auch Kritik an Bill Gates oder anderen wohlhabenden nicht-jüdischen Menschen antisemitisch.

Beispiele für Veröffentlichungen und Äußerungen, an denen Faesers Leute sich in diesem Kontext störten:

Man kann das natürlich als verschwörungstheoretisch empfinden und Bill Gates als großen Menschenfreund wahrnehmen. Andere betrachten Einflussnahme durch finanzstarke Akteure wie ihn als Korruption. Doch unabhängig davon, ob man nun mit den Ansichten und Einordnungen von „Compact“ und Elsässer übereinstimmt: Wo liegt hier das Problem? Warum rufen solche Äußerungen das Innenministerium auf den Plan? Weil das alles angeblich antisemitisch sein soll. Kritik an mächtigen Menschen mit großem Kapital soll in Wahrheit stets gegen Juden gerichtet sein. Ebenso sei der Great Reset eine „antisemitische Verschwörungstheorie“, auch wenn es dabei nicht um Juden geht. Man fragt sich: Wo hört das auf? Sind kapitalismuskritische Linke nun alle heimliche Antisemiten? Ist Kritik an Nancy Faeser fortan vielleicht auch antisemitisch? Verliert bei solchen Zuschreibungen Antisemitismus nicht seine Bedeutung – zuungunsten von Juden, die sich tatsächlichen Angriffen ausgesetzt sehen? Wer wird hier geschützt?

Aggressiv gegen das „Ampel-Regime“

Das Innenministerium weiß übrigens selbst gar nicht, was für eine nicht-demokratische Staatsform das Magazin angeblich errichten will:

„Die „COMPACT-Magazin GmbH“ lässt dabei nicht eindeutig erkennen, welche Verfassungsordnung an die Stelle der bestehenden Ordnung treten soll. Es reicht für die Annahme des Sich-Richtens gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung jedoch aus, dass der Verein die Außerkraftsetzung der bestehenden Verfassungsordnung betreibt.“

Ein Schelm, wer zu dem Schluss kommen könnte, dass hier Kritik an bestimmten Parteien und deren Politik mit der angestrebten „Außerkraftsetzung“ der freiheitlich demokratischen Grundordnung verwechselt wird. Beispiele für Forderungen nach einer antidemokratischen Machtübernahme findet man in der Begründung nicht, man wirft nur Jürgen Elsässer vor, er wolle laut eigener Aussage „das System stürzen“ (tatsächlich sagte er: Regime). Man führt weitere Beispiele aus Compact-Veröffentlichungen an, in denen konkret von einem „Ampel-Regime“ und einer „Ampel-Diktatur“ die Rede ist, die „gestürzt“ werden sollten. Das deutet man als Angriff auf die „verfassungsmäßige Ordnung“. Kritik an Politikern und deren politischen Entscheidungen wird nach dieser Logik zum Angriff auf die Demokratie – selbst dann, wenn die Kritik darauf beruht, dass nach Ansicht eines Mediums nicht demokratisch genug agiert wird. Spätestens jetzt leben auch „Focus“ und „Welt“ gefährlich.

Compact wird gegen das Verbot vorgehen

Compact hat ein Team von Rechtsanwälten beauftragt, das rechtliche Schritte gegen das Verbot einleiten wird. In einer Presseaussendung wird mitgeteilt:

Das Verteidiger-Team besteht aus Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten unterschiedlicher Fachgebiete und politischer Einstellungen. Wir vertreten diesen Fall unabhängig davon, wie wir persönlich zu den Veröffentlichungen des COMPACT-Magazins stehen, weil wir fest daran
glauben, dass ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat auch kritische und kontroverse Meinungen zulassen muss.

Wir sind der Überzeugung, dass eine starke Demokratie auch extreme Positionen aushalten kann und muss. Das Grundgesetz sagt unmissverständlich: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Jede staatliche Stelle, die die Pressefreiheit angreift, gefährdet damit die freiheitlich-demokratische Grundordnung insgesamt.
Mit dem Bundesverfassungsgericht sind wir der Auffassung, dass die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes daraufsetzt, dass auch Äußerungen, die für eine demokratische Öffentlichkeit schwer erträglich sein können, grundsätzlich nicht durch Verbote, sondern in der öffentlichen Auseinandersetzung entgegengetreten wird. Die Meinungsfreiheit findet erst dann ihre Grenzen, wenn die Äußerungen in einen unfriedlichen Charakter umschlagen. Hierauf haben bereits in der Öffentlichkeit viele weitere Kolleginnen und Kollegen unter anderem die bekannten Medienanwälte Joachim Steinhöfel und Professor Ralf Höcker sowie der ehemalige Verteidigungsminister und Grundrechtskommentator Professor Rupert Scholz hingewiesen.

Verschwörungstheorien und Kontaktschuld: Hält das stand?

Schon dass man hier das Vereinsrecht heranzog, um eine GmbH zu verbieten, wirkt mehr als fragwürdig. Dass man dem „Verein“ nun aber nicht einmal Gewalt, Gewaltaufrufe oder das Begehen von Straftaten vorwirft, sondern sich an kritischen Ansichten (so drastisch sie mitunter formuliert sein mögen) abarbeitet und selbst unliebsame Äußerungen gegen einflussreiche Milliardäre kurzerhand unter Antisemitismus-Verdacht stellt, ist einer Demokratie absolut unwürdig. Tatsächlich strafbare Äußerungen wären als solche problemlos zu ahnden – dafür braucht es kein Medienverbot. Dass man sich in seitenlangen Erörterungen der unliebsamen Verbindungen von Compact und seiner Chefredaktion mit Oppositionellen ergeht (wie viele taz-Redakteure verkehren eigentlich mit Linksextremisten?) und sich sogar darüber empört, dass ein Kochbuch eines „Rechtsextremisten“ vertrieben und beworben würde, das zwar nur Kochrezepte beinhalte, aber immerhin genau 88 („Code“ für „HH“, also „Heil Hitler“) davon, erscheint dabei ebenso wenig überzeugend.

Es wird sich zeigen, ob das Verbot gerichtlich gekippt wird. Faeser hätte als Innenministerin dann jedenfalls endgültig ihr Gesicht verloren.

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