In der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten werden die Europäer als schwächer und unzuverlässiger werdende Alliierte bezeichnet. Damit liegen die Amerikaner – ungeachtet der anderen Perspektive – gar nicht einmal so falsch.
Ein Kommentar von Heinz Steiner
Was haben sich die Mainstreammedien und viele europäische Politiker über die US-amerikanische Darstellung in der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie nicht echauffiert! Doch wenngleich die US-amerikanische Perspektive sich vor allem auf bestimmte (für Washington relevante) Aspekte konzentriert, haben die US-Sicherheitsexperten in vielen Bereichen nicht einmal unrecht. Ganz im Gegenteil: Die Kernkonklusion, wonach sich Europa selbst abschafft, stimmt in weiten Teilen.
Der wirtschaftliche Niedergang
Nehmen wir beispielsweise die Anmerkung her, wonach der Anteil der Europäer an der globalen Wirtschaftsleistung von 25 Prozent im Jahr 1990 auf mittlerweile 14 Prozent geschrumpft ist. Nun, wenn man den Zerfall der Sowjetunion und die Auflösung des Ostblocks als Ausgangspunkt nimmt und im Jahr 1991 startet, zeichnet sich (Daten von Weltbank und OECD, via Our World in Data) folgendes Bild ab:

Das inflationsbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) der heutigen 27 EU-Staaten wuchs in diesem Zeitraum von 9,27 Billionen Dollar (1991) auf 15,69 Billionen Dollar (2024) an. Dies entspricht einem Plus von knapp 70 Prozent. Doch dieses Wachstum kam nicht von Deutschland (+48 Prozent), Frankreich (+63 Prozent) und anderen entwickelten Ländern, sondern vor allem von den ost- und südosteuropäischen Staaten, die einen enormen Aufholprozess durchmachten. Polens Wirtschaftsleistung wuchs beispielsweise um satte 263 Prozent und die Tschechiens hat sich mehr als verdoppelt.
Im selben Zeitraum wuchs die Wirtschaftsleistung Nordamerikas um 130 Prozent, jene der ostasiatischen und pazifischen Staaten um fast 350 Prozent. Wobei hier vor allem der Aufstieg Chinas den Löwenanteil stellt. Hatte die Volksrepublik im Jahr 1991 noch einen Anteil von 16 Prozent an der ostasiatisch-pazifischen Wirtschaftsleistung, waren es im vergangenen Jahr bereits knapp 59 Prozent. Dies liegt aber auch an der Schwäche Japans, dessen Ökonomie um lediglich rund ein Viertel wuchs und damit noch schlechter abschnitt als die europäischen Volkswirtschaften.
Von Netto-Null bis zur Migrationsagenda
Mit ihrer Netto-Null-Agenda vollziehen die Europäer zudem eine katastrophale Deindustrialisierungspolitik, während sie gleichzeitig jährlich unzählige illegale Migranten aufnehmen und versorgen. Das heißt: Während die Einnahmenseite der Staaten kontinuierlich wegbröckelt, bürden sie sich zusätzliche Kostenträger auf. Immer mehr Geld wird umverteilt, während für die essenziellen Staatsausgaben immer weniger Mittel zur Verfügung stehen.
Gleichzeitig werden “grüne” Zombieunternehmen gefördert, die ohne staatliche Unterstützung auf dem freien Markt nicht einmal ansatzweise überlebensfähig wären, während man mit CO2-Abgaben und Klimasteuern die traditionellen Industrien und das produktive Gewerbe in den wirtschaftlichen Abgrund treibt. Jene Betriebe, die trotzdem weitermachen, sehen sich jedoch mit einem Fachkräftemangel konfrontiert, der sich in Zukunft noch weiter verschärfen dürfte. Denn die Massenzuwanderung sorgt auch zusehends dafür, dass an immer mehr Schulen kein ordentlicher Regelunterricht mehr stattfinden kann, weil ein immer größer werdender Anteil der Schüler nicht einmal ansatzweise dem Unterricht folgen kann. Fachkräfte der Zukunft zieht man so jedenfalls nicht heran.
Dann ist da noch die Verteidigungsfähigkeit…
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Auflösung des Warschauer Paktes hat das transatlantisch-globalistische System die NATO für Regime-Change-Operationen (Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Serbien usw.) missbraucht und gleichzeitig mit Hilfe von NGOs (USAID, Open Society Foundations usw.) neue Krisenherde in Osteuropa und im Kaukasus geschaffen. Der aktuelle Ukraine-Krieg, sowie die Probleme in Moldau (Transnistrien) und in Georgien sind Teil dieser Strategie, die weitere Existenz der NATO rechtfertigen zu können.
Die Warnung, wonach die europäischen Staaten bald “möglicherweise nicht mehr stark genug sind, um zuverlässige Verbündete zu bleiben”, ist jedoch ein zweischneidiges Schwert. US-Präsident Donald Trump hat die europäischen NATO-Staaten immer wieder dazu aufgefordert, mehr Geld in die Rüstung zu stecken (und dabei möglichst US-amerikanische Waffen zu kaufen). Dabei geht es jedoch nicht nur darum, dass die europäischen Steuerzahler verstärkt für die Kriege der transatlantisch-globalistischen Eliten aufkommen sollen, sondern auch darum, den weltweit verstreuten US-Truppen mehr Flexibilität zu erlauben und teilweise wieder auf dem amerikanischen Kontinent stationiert werden können.
Trump selbst mag da zwar eine andere Sichtweise als das Establishment und der Deep State haben, doch am Ende nützt diesen Kräften ein aufgerüstetes Europa ebenso. Man hofft darauf, dass die Ära Trump nicht mit einem Präsidenten Vance fortgeführt wird und auf die Renaissance der von den Globalisten dominierten transatlantischen Bündnisse. Ein hochgerüstetes Europa, welches zudem noch (wie beim Ukraine-Konflikt deutlich sichtbar) “auf Linie” ist – etwas Besseres kann diesen Kreisen gar nicht passieren.
Zwar wollen die führenden Politiker in der Europäischen Union ihre Armeen “kriegsfähig” (und nicht etwa verteidigungsfähig) machen, doch dafür müssen weitere Schulden aufgenommen werden. Das “Sondervermögen” der deutschen Bundesregierung ist dabei ein Paradebeispiel dafür, wie man ohne einen sauber ausgearbeiteten Plan zu haben, den Bürgern einen gewaltigen Schuldenberg aufhalsen kann, welcher den ohnehin schon kleinen finanziellen Spielraum der Staatskasse noch weiter einschränkt.
… und der Kampf gegen die Meinungsfreiheit
Ein anderer Kritikpunkt Washingtons in der Nationalen Sicherheitsstrategie ist der zunehmende Kampf des europäischen Establishments gegen die Meinungsfreiheit und -vielfalt. Für die Amerikaner gilt weitestgehend das Prinzip, dass jeder Mensch das Recht darauf hat, seine eigene Meinung frei zu sagen – auch wenn diese nur von einer Minderheit geteilt werden sollte. Bei den Europäern hingegen, die zumeist erst seit wenigen Jahrzehnten ohne (mehr oder weniger) absolute Monarchien bzw. totalitäre Regimes (Nationalsozialisten, Faschisten, Kommunisten usw.) leben, scheint es eine Art inneren Zwang zu geben, den Bürgern Beschränkungen auferlegen zu wollen.
Auch wenn die Vereinigten Staaten mittlerweile faktisch nur mehr ein Zweiparteiensystem haben, gibt es doch eine breite politische Palette an Parteien, die zumindest auf lokaler und regionaler Ebene immer wieder Wahlerfolge erzielen. Einzelne Spitzenpolitiker, wie der Sozialist Bernie Sanders oder der Libertäre Ron Paul sind zudem auch mit den Demokraten bzw. den Republikanern verbunden, um so auf nationaler Ebene agieren zu können. Und wer seine politische Meinung äußert, ohne zur Gewalt aufzurufen oder sogar Gewalt anzuwenden, hat dort jegliches Recht dazu.
Anders in Europa, wo man vor allem die konservative und die rechte Opposition schikaniert, Parteitage stört, Publikationen demonetarisiert und in der Reichweite einschränkt. Vor allem die konservativen Amerikaner fragen sich, wie sie überhaupt mit Ländern alliiert sein können, die solche fundamentalen Grundrechte mit Füßen treten und ein immer umfassenderes Zensursystem einführen wollen. Zu Zeiten des Kalten Krieges mag man aus taktischen und geopolitischen Gründen noch darüber hinweggesehen haben, doch inzwischen herrschen andere Zeiten. Wie soll man denn überhaupt noch von einem “Wertewesten” sprechen, wenn sich Teile davon abspalten und eine linksgrüne Gesinnungsdiktatur etablieren wollen?
Ein transatlantischer Bruch?
Die neue Nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten setzt neue geopolitische Schwerpunkte und ist dabei gleichzeitig auch ein Warnschuss in Richtung Europa. Die geopolitischen und die ideologischen Gräben, die sich inzwischen immer deutlicher zeigen, liegen nicht an der Präsidentschaft Donald Trumps allein. Er hat dem Ganzen nur die Maske vom Gesicht gerissen. “America First” war nämlich immer schon die Devise. Wenn es der “nationalen Sicherheit” diente, wurden US-Konzerne von Sanktionen gegen andere Länder ausgenommen, während sich die europäischen Unternehmen daran halten mussten. Militärische Interventionen im Nahen Osten, welche die ganze Region destabilisierten, führten zu massiven Migrationswellen nach Europa.
Klar, dies war nicht Trumps Fehler, sondern die Politik der US-amerikanischen Interventionisten (sowohl der Demokraten als auch der Republikaner) und ihrer Gefolgsleute in Europa. Doch all die Entwicklungen führten nun dazu, dass aus der Sicht der aktuellen US-Regierung die Zukunft der Europäer im US-amerikanischen Bündnissystem infrage gestellt wird. Insbesondere auch deshalb, weil die Europäer weiterhin den Weg der Globalisten und Interventionalisten beschreiten wollen, von dem sich die Amerikaner sukzessive abwenden.
