Kernkraft ist in Deutschland als „technologischer Irrweg“ gebrandmarkt. Doch weltweit erlebt diese Technologie ein fulminantes Comeback: 51 neue Nuklearreaktoren befinden sich nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) aktuell im Bau – 14 davon allein in China.
von Holger W. Sitter
Silvester werden bei den Grünen die Sektkorken knallen, denn zum Jahreswechsel werden gleich drei der letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz gehen – nämlich die Meiler in Gundremmingen an der Donau, Grohnde an der Weser und Brokdorf an der Elbe. Die restlichen drei deutschen Atomkraftwerke sollen 2022 folgen. Vor wenigen Wochen hat die Ampelkoalition zudem lauthals proklamiert, auch den Ausstieg aus dem Kohlestrom nach Möglichkeit schon auf 2030 vorzuziehen. Die Folgen sind absehbar.
In der letzten Sitzungswoche hatte die AfD-Fraktion noch den wichtigen Antrag „Blackout verhindern – Weiterbetrieb der Kernkraftwerke ermöglichen“ ins Plenum des Bundestages eingebracht und sich damit gegen unzureichende und zudem unbezahlbare Stromversorgung mit explodierenden Energiepreisen gewendet. Das aus gutem Grund, denn der Ausstoß von elektrischer Energie der sechs noch laufenden Kernkraftwerke entspricht etwa der Hälfte der von allen derzeit installierten flächenintensiven Windenergieanlagen bereitgestellten Strommenge. Natürlich wiesen Politiker der Ampel das in gewohnt scharfem Duktus zurück. Kernenergie sei „ewig gestrig“, antiquiert und überhaupt wäre es unwahr, dass Kernenergie „klimaneutral“ sei.
Komisch, dass Bundeskanzler Scholz bei seinem Antrittsbesuch von Macron exklusiv erfuhr, dass Frankreich zu seinen 56 Reaktoren mindestens 10 neue AKW’s bauen werde. Scholz erwiderte daraufhin lapidar, dass Deutschland sich für einen anderen Weg entschieden habe. Was er nicht sagte: Jenes Deutschland geht mit dieser Ausrichtung (Ausbau von Wind- und Solaranlagen) schweren Zeiten entgegen. In einem lesenswerten Interview mit dem Handelsblatt warnte kürzlich Eon-Chef Leonhard Birnbaum vor „massiven Engpässen“ im deutschen Stromnetzverbund. Laut Birnbaum gebe es im gesamten Netz praktisch keine Reserven mehr. Während man den Ausbau der erneuerbaren Energien in den letzten zehn Jahren noch verkraften konnte, sei jetzt das Netz an der Belastungsgrenze angekommen.
Mindestens zweimal sind wir 2021 schon knapp an einem Blackout vorbeigeschrammt. Aber wir wissen nur zu gut, dass das Glück irgendwann aufgebraucht ist.