Das kommunistische Regime in Peking lässt gegenüber Taiwan wieder einmal die militärischen Muskeln spielen. Erneut wird die selbstverwaltete Insel unter Druck gesetzt, sich nicht offiziell für unabhängig zu erklären. Wann eskaliert der Konflikt?
Peking schlägt wieder zu – und diesmal mit Nachdruck. Gestern hat die chinesische Volksbefreiungsarmee die demokratische Insel Taiwan mit einem massiven Militärmanöver regelrecht eingekesselt. Wieder einmal. Ein Übungsszenario, das wie eine Generalprobe für eine Blockade wirkt, und ein scharfes Signal an die angeblichen „Separatisten“ in Taipeh. Die Botschaft aus Peking ist unmissverständlich: Wer sich der Einheit mit dem Vaterland widersetzt, spielt mit dem Feuer.
Die Operation war beeindruckend in ihrer Dimension. Armee, Marine, Luftwaffe und Raketenstreitkräfte – China hat alle Register gezogen, um Taiwan in die Zange zu nehmen. Laut dem Sprecher des Ostkommandos der chinesischen Streitkräfte, Oberst Shi Yi, ging es darum, „See-Luft-Kampfbereitschaftspatrouillen, die gemeinsame Erringung umfassender Überlegenheit, Angriffe auf See- und Bodenzeile sowie die Blockade von Schlüsselgebieten und Seewegen“ zu üben. Kurz gesagt: Eine Demonstration, die zeigt, wie schnell Peking die Insel abschnüren könnte. Von mehreren Richtungen rückten die Streitkräfte auf Taiwan zu, unterstützt von 19 Kriegsschiffen, darunter die mächtige Flugzeugträgergruppe „Shandong“, wie das taiwanische Verteidigungsministerium meldete.
Die Übung sei eine „starke Warnung und wirkungsvolle Abschreckung“ für die Kräfte, die Taiwan von China trennen wollen, betonte Peking. Und die Propaganda ließ keine Zweifel an der Zielrichtung: Ein Grafikvideo des Militärs zeigte Schiffe und Kampfjets, die die Insel umzingeln, mit der Botschaft an „Taiwan-Separatisten“: „Ihr ruft das Unglück selbst herauf.“ Ein weiteres Bild zeigt Präsident Lai Ching-te als Insekt, das über einem Feuer geröstet wird – eine klare Kampfansage an den Mann, den Peking als Erzfeind betrachtet.
Taipeh schlägt zurück – verbal und militärisch
Taiwan ließ sich nicht lumpen. Das Verteidigungsministerium in Taipeh schickte eigene Kräfte los, um die Lage zu „überwachen, zu warnen und angemessen zu reagieren“. Präsident Lai, der seit Mai 2024 im Amt ist, steht im Zentrum der Spannungen. Anders als seine Vorgängerin Tsai Ing-wen setzt er auf eine härtere Linie gegenüber Peking. Erst im März bezeichnete er China als „feindliche ausländische Macht“ und schlug Maßnahmen gegen chinesische Spionage vor. Für Peking ist Lai ein rotes Tuch – ein „Separatist“, der die Ein-China-Politik mit Füßen tritt.
Die taiwanische Führung sieht in den Manövern mehr als nur eine Übung. Es ist ein potenzieller Vorgeschmack auf das, was kommen könnte, sollte Peking seine Drohungen wahr machen. Denn China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, die mit Gewalt zurückgeholt werden könnte, wenn nötig. Eine Position, die Taipeh mit aller Kraft zurückweist.
Peking setzte nicht nur auf militärische Muskeln, sondern auch auf psychologische Kriegsführung. Ein Video auf der X-ähnlichen Plattform Weibo zeigte Kampfjets, Kriegsschiffe und Raketenwerfer, untermalt von Szenen mit Sun Wukong, dem legendären Affenkönig aus der chinesischen Literatur. Am Ende markieren Satelliten Ziele auf Taiwan, gefolgt von Explosionen und einem Angriff mehrerer Affenkönige auf ein Froschmonster – ein surrealer Mix aus Tradition und Drohung. Die Küstenwache ergänzte das Schauspiel mit „Rechtspatrouillen“ rund um die Insel.
Ein gefährliches Muster
Die jüngsten Manöver sind keine Ausnahme, sondern Teil eines Musters. Bereits im Februar 2025 hatte China ein „Scharfschießen“ mit Flugzeugen und Schiffen nur 74 Kilometer südlich von Taiwan abgehalten – damals als „Routineübung“ abgetan. Größere Einsätze gab es 2022 nach dem Besuch der damaligen US-Sprecherin Nancy Pelosi in Taipeh. Jedes Mal testet Peking die Reaktionen – und die Geduld – der internationalen Gemeinschaft. Die Botschaft bleibt gleich: Taiwan gehört uns, und wir holen es uns, wenn es sein muss.
Taiwan ist mehr als nur ein regionaler Streitpunkt – es ist ein potenzielles Pulverfass. Die USA, größter Unterstützer und Waffenlieferant der Insel, halten sich bedeckt, ob sie im Ernstfall militärisch eingreifen würden. Diese „strategische Ambiguität“ nervt Peking, das jede US-Unterstützung als Einmischung sieht. Erst letzte Woche war Taiwans stellvertretender Verteidigungsminister in den USA, um die erste F-16V für die Insel entgegenzunehmen – ein weiterer Dorn im Auge Chinas.
Die Wurzeln des Konflikts reichen zurück bis 1949, als Chiang Kai-sheks Nationalisten nach der Niederlage im Bürgerkrieg gegen Maos Kommunisten nach Taiwan flohen. Seitdem hat die Volksrepublik die Insel nie beherrscht, obwohl sie sie als ihr Eigentum betrachtet. Taiwan selbst verweist auf seine eigene Geschichte – von indigenen Stämmen über Kolonialzeiten bis hin zur japanischen Herrschaft – und sieht sich als eigenständig, sowie im Rahmen der Ein-China-Politik als Vertreter des ganzen Chinas.
Mein neues Buch ist da: “Im Zensurwahn – Die Aushöhlung von Freiheit und Demokratie“.