Demokratie à la Scholz: Wenn die Mehrheit stört, wird aufgeräumt

Symbolbild Scholz: R24 / KI

Es ist eine dieser Geschichten, die man sich nicht ausdenken kann, weil sie zu absurd klingen würde. Aber wir leben ja in interessanten Zeiten, wie die Chinesen sagen würden. Da steht also Bundeskanzler Olaf Scholz, seines Zeichens gelernter Demokrat, vor den Trümmern seiner Ampel-Koalition und was macht er? Er spielt weiter Regierung, als wäre nichts geschehen.

Ein Kommentar von Heinz Steiner

Die Dramaturgie dieser politischen Farce hätte selbst Bertolt Brecht nicht besser schreiben können: Erst feuert der Kanzler seinen Finanzminister Christian Lindner, dann desertieren zwei weitere FDP-Minister, und plötzlich steht die Regierung ohne parlamentarische Mehrheit da. Ein normaler Demokrat würde jetzt den Weg für Neuwahlen freimachen. Aber nicht Olaf Scholz. Der hat ja noch ein Ass im Ärmel: Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, seine Genossin von der SPD.

Und Bas? Die macht das, was SPD-Politiker am besten können – sie „organisiert“. In diesem Fall die Tagesordnung des Bundestags. Schwups, verschwinden plötzlich alle unbequemen Anträge von der Agenda. Das Aus für den Verbrennungsmotor? Verschoben. Neuordnung der Einwanderungspolitik? Vertagt. Man könnte fast meinen, hier würde jemand Demokratie spielen, statt sie zu praktizieren.

Besonders köstlich ist die Begründung des SPD-Abgeordneten Dirk Wiese, warum man nicht sofort Neuwahlen durchführen könne: Man wolle den Bürgern keine Wahlkämpfer an Weihnachten vor der Tür zumuten. Wie rührend! Dieselbe SPD, die sonst keine Gelegenheit auslässt, das christliche Abendland zu relativieren, entdeckt plötzlich ihre Fürsorge für die weihnachtliche Besinnlichkeit.

Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic liefert derweil unfreiwillige Comedy: Wer nach Neuwahlen ruft, der stelle ein „permanentes Misstrauensvotum gegen die Demokratie“. Nach dieser Logik wäre also eine Regierung ohne Mehrheit demokratischer als Neuwahlen. Man muss schon sehr grün hinter den Ohren sein, um solch einen Unsinn von sich zu geben.

Während im Bundestag diese demokratische Geisterfahrt aufgeführt wird, glänzt der Hauptdarsteller durch Abwesenheit. Olaf Scholz hat Wichtigeres zu tun, als sich den kritischen Fragen des Parlaments zu stellen. Warum auch? Solange Bärbel Bas die Tagesordnung nach seinen Wünschen sortiert, kann er ja in aller Ruhe bis März weiterwursteln.

Was wir hier erleben, ist keine Staatskunst, sondern politisches Schattenboxen. Eine Regierung, die keine mehr ist, spielt weiter Regierung, während die Bundestagspräsidentin Demokratie-Tetris mit der Tagesordnung spielt. Das Ganze erinnert an jene DDR-Funktionäre, die noch an ihren Schreibtischen saßen, als draußen schon die Mauer fiel.

Aber vielleicht sollten wir dankbar sein für dieses Lehrstück in Sachen Demokratieverständnis. Es zeigt eindrucksvoll, wie schnell aus „Mehr Demokratie wagen“ ein „Mehr Demokratie wegwagen“ werden kann. Willy Brandt würde sich im Grabe umdrehen.

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