Während Deutschland sich weiter in energiepolitischen Träumereien verliert, zeigen unsere dänischen Nachbarn bemerkenswerten Pragmatismus. Mit dem überraschenden Vorstoß, das Kernkraftwerk Brokdorf zu erwerben, beweist Kopenhagen, dass ideologiefreies Denken in der Energiepolitik noch möglich ist.
Morten Messerschmidt, Vorsitzender der Dänischen Volkspartei, präsentiert einen erfrischend unkonventionellen Plan: die Reaktivierung des stillgelegten Kraftwerks als Brückentechnologie. “Wenn der Scheck groß genug ist und wir die Energie nur vorübergehend benötigen, warum sollten die Deutschen ablehnen?”, fragt er mit der charakteristischen skandinavischen Direktheit. Eine Frage, die sich angesichts steigender Energiepreise und schwankender Versorgungssicherheit geradezu aufdrängt.
Die Dänen demonstrieren damit genau jene Art von strategischem Weitblick, der in der deutschen Energiepolitik schmerzlich vermisst wird. Statt sich in dogmatischen Debatten zu verlieren, suchen sie nach praktikablen Lösungen für die Energieversorgung der Zukunft. Der Plan, ein bewährtes Kraftwerk zu reaktivieren, während man parallel an moderneren Nukleartechnologien arbeitet, zeugt von kluger Weitsicht. Natürlich meldet der dänische Energieminister Lars Aagaard technische Bedenken an – das gehört zum politischen Geschäft. Doch anders als in Deutschland wird die Diskussion nicht von vornherein im Keim erstickt. Die Dänen wägen ab, kalkulieren und denken in Möglichkeiten statt in Verboten.
Besonders bemerkenswert ist der Zeitpunkt der Initiative: Während andere Länder längst wieder auf Kernkraft setzen und neue Reaktoren in Planung haben, könnte Dänemark durch den Erwerb eines bestehenden Kraftwerks wertvolle Zeit gewinnen. Eine pragmatische Lösung, die sowohl ökonomisch als auch energietechnisch absolut Sinn ergibt. Die technischen Herausforderungen einer Reaktivierung sind zweifellos erheblich. Doch die Dänen haben bereits bewiesen, dass sie komplexe Infrastrukturprojekte meistern können. Die erfolgreiche Öresundbrücke ist das beste Beispiel für deutsch-dänische Zusammenarbeit – warum nicht auch bei der Energieversorgung?
Messerschmidts Vorstoß könnte sich als wegweisend für die europäische Energiepolitik erweisen. Hier zeigt sich, dass der Norden Europas bereit ist, neue Wege zu gehen und dabei auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen: Eine sichere Energieversorgung braucht mehr als Wind und Sonne. Die Initiative verdient Respekt – nicht nur wegen ihres innovativen Charakters, sondern auch wegen des Mutes, etablierte Denkmuster zu durchbrechen. Während Deutschland sich weiter im Klein-Klein der Energiewende verheddert, denken die Dänen bereits einen Schritt weiter.
Der Ball liegt nun im deutschen Feld. Die Frage wird sein, ob wir bereit sind, ideologische Scheuklappen abzulegen und einen sachlichen Dialog über die Zukunft der Energieversorgung zu führen. Die Dänen haben den ersten Schritt gemacht – mit einer Portion nordischer Gelassenheit und viel gesundem Menschenverstand.