Der gestrige Migrantensturm auf Melilla war wohl erst ein Anfang. Tausende Migranten versuchten die spanische Exklave in Nordafrika zu stürmen und wurden blutig zurückgeschlagen. In den kommenden Monaten dürften sich solche Bilder immer öfter zeigen.
Die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla an der marokkanischen Küste sind immer wieder Ziel von größeren Migrantengruppen, die sich durch Überwindung der Grenzbefestigungen einen Weg auf EU-Territorium erhoffen. Denn die beiden autonomen spanischen Territorien sind die einzigen EU-Gebiete, die Landgrenzen mit Afrika haben und so nicht erst über das Mittelmeer hinweg erreicht werden können. Erst gestern wieder kam es zu einem Ansturm von rund 2.000 Migranten, die in das spanische Gebiet eindringen wollten.
Laut einem Bericht der „Associated Press“ schafften es 133 dieser Migranten, die Grenze zu überwinden. Allerdings wurden bei dem Versuch der Erstürmung der spanischen Exklave dem Bericht zufolge 18 dieser Personen getötet und 76 verwundet. Jene Menschen, die es nach Melilla schafften, wurden ins dortige Migrantenzentrum gebracht. Auch 49 Angehörige der spanischen Guardia Civil wurden den Berichten zufolge verletzt. Der spanische Premierminister Pedro Sanchez sagte, dass „Menschenhändler-Milizen“ einen „gut organisierten, gewalttätigen Angriff“ inszeniert hätten.
„Eine große Gruppe von Sub-Saharanern [Afrikanern] durchbrach das Zugangstor des Grenzkontrollpunkts Barrio Chino und gelangte nach Melilla, indem sie über das Dach des Kontrollpunkts sprang“, teilten die spanischen Behörden in einer Erklärung mit. Berichten zufolge handelte es sich bei allen um erwachsene Männer; der Ansturm begann um 6:40 Uhr Ortszeit. Der Rest der Horde wurde von der spanischen Guardia Civil und den marokkanischen Sicherheitskräften auf beiden Seiten des Grenzzauns abgewehrt. Nach Angaben der marokkanischen Behörden kamen die Opfer zu Schaden, als die Migranten versuchten, den Eisenzaun zu überwinden.
Der Massenübertritt war der erste, der von Marokko in eine der beiden nordafrikanischen Enklaven Spaniens unternommen wurde, seit Rabat und Madrid in diesem Jahr vereinbart hatten, die Zusammenarbeit bei der Grenzkontrolle zu verstärken. Diese Vereinbarung, die monatelange frostige Beziehungen beendete, kam zustande, nachdem Spanien Marokkos Haltung in Bezug auf die Westsahara unterstützte, ein umstrittenes Gebiet, das Rabat als sein eigenes betrachtet, in dem aber eine Unabhängigkeitsbewegung für einen eigenen Staat kämpft. Allerdings verschlechterte dies die Beziehungen zwischen Spanien und Algerien, welches ebenfalls Ansprüche auf die Westsahara anmeldet und bereits zu Drohungen führte, nicht nur die Erdgaslieferungen nach Europa einzustellen, sondern auch zig Tausenden Migranten den Weg in die EU freizumachen.
Dank der westlichen Sanktionen gegen Russland, welche zu stark steigenden Preisen bei Energieträgern und Lebensmitteln führen, wächst allerdings der Migrationsdruck aus Afrika deutlich an. Je weiter sich die Lage verschlechtert, desto mehr Afrikaner werden in Richtung Europa drängen. Es ist davon auszugehen, dass künftig nicht mehr nur 1000 bis 2000 Migranten auf einmal solche Erstürmungsversuche von Ceuta und Melilla unternehmen werden, sondern dann vielleicht 10.000 bis 20.000 – oder gar noch mehr.