Der 5. Februar 2020 wird uns in Erinnerung bleiben, machte die deutsche Bundeskanzlerin Merkel an diesem Tag doch überdeutlich was sie von Demokratie hält: Nichts. Nach der Landtagswahl in Thüringen vom 27. Oktober 2019 wurde im darauffolgenden Februar dann im dritten Wahlgang Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten gewählt – mit Stimmen der AfD. Für Angela Merkel (CDU) „unverzeihlich“, die Wahl müsse „rückgängig gemacht werden“. Diese skandalösen Vorgänge sollen nun auf AfD Initiative im Rahmen zweier Organklagen gegen Merkel und die Bundesregierung am Bundesverfassungsgericht aufgearbeitet werden. Wie passend, dass die Kanzlerin sich nun vorab mit den Verfassungsrichtern zum Abendessen traf.
Von Max Bergmann
Die Verhandlung gegen die deutsche Bundeskanzlerin Merkel am Bundesverfassungsgericht ist für den 21. Juli angesetzt. Es soll darüber entschieden werden ob eine Bundeskanzlerin derartig in Landespolitik intervenieren darf. Merkel äußerte sich auf einer Pressekonferenz während einer Südafrika Reise am 06. Februar 2020 ablehnend gegenüber der Wahl Thomas Kemmerichs (FDP) zum Ministerpräsidenten in Thüringen. Kemmerich war am Tag zuvor mit Stimmen der AfD, CDU und FDP in einer demokratischen und geheimen Wahl zum Landeschef gewählt worden. Für die deutsche Kanzlerin „unverzeihlich“, die (demokratische) Wahl müsse „rückgängig gemacht werden“.
Mit Stimmen der AfD gewählt: FDP-Mann wird Ministerpräsident in Thüringen
Am Vortag wurde Thomas Kemmerich (FDP) im dritten Wahlgang mit 45 von 90 Stimmen zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Der bis dahin amtierende Ministerpräsident Bodo Ramelow der Linkspartei erhielt 44 Stimmen und es gab eine Enthaltung. Die FDP stellte damit zum zweiten Mal in ihrer Geschichte den Ministerpräsidenten eines deutschen Bundeslandes.
Die AfD stimmte nach eigenen Angaben im dritten Wahlgang geschlossen für die Wahl Kemmerichs, steuerten also 22 der 45 Stimmen bei. Die AfD hatte zwar einen eigenen Kandidaten ins Rennen geschickt, den damaligen parteilosen ehrenamtlichen Bürgermeister von Sundhausen, Christoph Kindervater, doch er erhielt im entscheidenden dritten Wahlgang keine Stimme mehr, nachdem er in den ersten beiden Runden noch 25 bzw. 22 Stimmen erhalten hatte. Kindervater äußerte sich nach der Wahl, „der Plan sei voll aufgegangen.“
Kemmerichs Rücktrittserklärung: AfD wird als Schuldige ausgemacht
Nach massiver Kritik erklärte Thomas Kemmerich (FDP) noch am 06. Februar, sein gerade erst erworbenes Amt wieder zur Verfügung stellen zu wollen, am 08. Februar trat er dann formlich zurück. Schuld an der Regierungskrise in Thüringen habe laut Kemmerich die AfD. In seiner Rücktrittserklärung teilte er mit: „Gestern hat die AfD mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen.“ Weiter sagte er: „Demokraten brauchen demokratische Mehrheiten. Die sich offensichtlich in diesem Parlament nicht herstellen lassen.“ Warum das Ergebnis einer demokratischen Wahl ein „perfider Trick“ sei bleibt unklar. Kemmerich war bis zur Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow am 04. März 2020 geschäftsführend im Amt. Bodo Ramelow (Die Linke) regiert das mitteldeutsche Bundesland seither in einer Minderheitsregierung unter Tolerierung der SPD, Grünen und CDU.
Beeinflusste Merkel Verfassungsrichter beim Abendessen?
Am 01. Juli nun teilte das Verfassungsgericht mit, Bundeskanzlerin Merkel sei am 30. Juni mit einer Delegation des Bundesverfassungsgerichts zum alljährlichen Kanzlerabendessen zusammengekommen. Absolut skandalös: Mit dabei waren unter anderem auch die Richter des 2. Senats, die am 21. Juli die Klage gegen die Kanzlerin verhandeln sollen. Auch der der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Dr. Stephan Harbarth war anwesend – Harbarth war seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und schied am 30. November 2018 als Bundestagsabgeordneter aus – für Merkels CDU! Des Weiteren ist der Präsident des Bundesverfassungsgerichts seit Dezember 2016 Mitglied im CDU-Bundesvorstand.
Präsident des BVerG löscht eilig seinen Twitter Account
In der Biografie seines Twitter Kontos teilte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Harbarth bis Freitagvormittag noch mit, er sei „Stellvertretender Vorsitzender der @cducsubt“ – der CDU/CSU Fraktion im Bundestag. Nach Bekanntwerden des Abendessens mit der Kanzlerin im Vorgriff auf die Verhandlung in nicht mal 2 Wochen löschte der Präsident des höchsten deutschen Gerichts eilig seinen Twitter Account.
Harbarth wurde bereits vor einigen Monaten heftig kritisiert als Karlsruhe Verfassungsklagen gegen die von der Großen Koalition eingeführten „Bundesnotbremse“ abwies – die sogenannte Bundesnotbremse mit nächtlichen Ausgangssperren wurde durch Angela Merkel (CDU) initiiert und von den Ministerpräsidenten mitgetragen. Das Bundesverfassungsgericht unter Führung des CDU-nahen Präsidenten Harbarth wies Verfassungsklagen (unter anderem) der FDP und der AfD ab – trotz eindeutiger Expertenaussagen, Ausgangssperren seien kein probates Mittel im Kampf gegen eine Pandemie.
Nach Abendessen vor Verhandlung: AfD lehnt Richter als „befangen“ ab
Wie ein Gerichtssprecher gegenüber der Süddeutschen Zeitung mitteilte hat die AfD einen Befangenheitsantrag gestellt. Am Freitagnachmittag sei laut Karlsruher Gerichtssprecher ein Ablehnunsgesuch eingegangen, zu Details wollte man sich nicht äußern. Ob die Verhandlung in bisher geplanter Form nun überhaupt stattfinden kann ist bislang unklar.