Eigentlich sollte es bei der Diskussionsveranstaltung an der Universität Graz vom 24. Januar um die Lehren aus der Coronakrise gehen, doch die Teilnehmer demonstrierten mitunter eher, dass sie keine solchen gezogen haben. Heinz Bude, Soziologe, seinerzeit Mitglied der Covid-Taskforce und somit Berater der deutschen Bundesregierung in der „Pandemie“, sowie Forderer von „fühlbaren Nachteilen“ für Impfgegner, bereitete in der Debatte auf immer neue Krisen und Kriege vor, in denen zur Verhaltenssteuerung der Bürger Zwang angewendet werden müsse.
Ein Kommentar von Vanessa Renner
Die Covid-Taskforce des Bundesinnenministeriums beschäftigte sich 2020 insbesondere mit der Frage, wie in der Gesellschaft der gewünschte Gehorsam („Folgebereitschaft“ genannt) gegenüber Maßnahmen hergestellt werden konnte. Wir alle kennen das Mittel der Wahl, denn wir haben es am eigenen Leib erfahren: Angstmache. Als Soziologe stellte Bude das Narrativ zu Covid-19 als angeblich ultimativ tödliche Erkrankung nie infrage, sondern befasste sich vielmehr mit der Verhaltenssteuerung der Bürger. Wenn die nicht parierten, fielen sie bei ihm schnell in Ungnade. So forderte Bude im Hinblick auf Ungeimpfte damals in einem Interview:
„Ich würde es jetzt jedem politisch empfehlen: Klare Kante, klare Richtung. Impfgegner müssen fühlbar Nachteile haben. Und im Grunde, in gewisser Weise, kann man sich nicht länger mit denen beschäftigen. Das ist so. Die kann man nicht nach Madagaskar verfrachten. Was soll man machen?“
Das schockierte: Der scheinbare Wunsch nach einer Verfrachtung von Impfgegnern auf die Insel vor der Küste Afrikas entsprach auf frappierende Weise dem Madagaskar-Plan der Nationalsozialisten, die seinerzeit Millionen von Juden nach Madagaskar deportieren wollten. Der sich aufdrängende Vergleich löste bei staatlich finanzierten Faktenerfindern aber bezeichnenderweise keinen Aufschrei aus. Das Netzwerk Kritische Richter und Staatsanwälte verfasste dafür einen kritischen offenen Brief an Bude, in dem appelliert wurde: „Juristisch berührt das Wort verfrachten und berührt Ihr ‚traditionelles‘ Ziel Madagaskar die Menschenwürde. Rüsten Sie ab, Herr Professor Bude!“
Die „Folgebereitschaft“ der Deutschen
Auf X sorgt nun ein Ausschnitt einer Debatte an der Universität Graz für Empörung: Unter dem Titel „Gesellschaft im Ausnahmezustand – Was lernen wir aus der Coronakrise?“ debattierte Bude dort mit Alexander Bogner (ÖAW Wien), Klaus Kraemer (Uni Graz) und Daphne Hruby (freie Mitarbeiterin beim ORF) die vermeintlichen Lehren aus der Krise. Jedoch: Ob wirklich Lehren gezogen wurden, muss angesichts getätigter Äußerungen stark bezweifelt werden. Denn statt mit dem Unrecht, das den Bürgern durch unverhältnismäßige Maßnahmen angetan wurde, befasst besonders Bude sich lieber mit kommenden Krisen und wie auch hier wieder für ausreichend (Kadaver?)Gehorsam gesorgt werden kann.
So lobt er bei 1:16:30 den „hohen Grad von Folgebereitschaft“ in Deutschland in der Corona-Krise und „plaudert“ darüber, dass man ja ein Modell habe finden müssen, das diesen Gehorsam herstellt: Dieses Modell habe zu diesem Zweck „so ein bisschen wissenschaftsähnlich“ (Zitat!) sein müssen. Mit dem „flatten the curve“ habe man genau das gefunden: „Das sieht so nach Wissenschaft aus“, erörtert Bude und entlarvt damit das offizielle Narrativ der wissenschaftlich fundierten Corona-Politik als blanken Schwachsinn, der nur der Manipulation der Bevölkerung diente. Man habe den Leuten einfach erzählt, „wenn ihr schön diszipliniert seid, könnt ihr die Kurve verändern“, so Bude.
Und siehe da: Es hat funktioniert. Insbesondere all jene, die bis heute so wacker ihren religiösen Glauben an den Corona-Kurs der Bundesregierung demonstrieren, sollten an dieser Stelle dringend hinterfragen, warum sie sich dermaßen leicht steuern lassen, dass ein Regierungsberater von hoher Folgebereitschaft schwärmen kann. Folgsam sind dressierte Hunde – aber keine mündigen Menschen.
Im Anschluss daran erörtert auch Alexander Bogner von der ÖAW Wien, wie unterschiedlich ausgeprägt die „Folgebereitschaften“ ja seien – so hätte seiner Erfahrung nach nicht nur die kroatische Gesellschaft ganz andere Vorstellungen von Folgebreitschaft gegenüber staatlichen Autoritäten, sondern auch die österreichische. Er beruft sich auf einen Rechtsprofessor, der angab, der Verfassungsstaat sei in Österreich relativ gut aus der „Pandemie“ gekommen, weil die Polizei die sich alle paar Tage ändernden Verordnungen nicht in der Rigidität wie in Deutschland exekutiert hätte (wobei er auf einen kritischen Einwurf hin anmerkt, Wien sei hier ein „Sonderfall“ gewesen).
„Man wird Zwang ausüben müssen“
Daraufhin ergreift Bude wieder das Wort:
Also das ist, glaube ich, jetzt ein ganz wichtiger Punkt. Meiner Ansicht nach laufen wir auf wieder singuläre Krisen absehbar hinaus in unserer gesellschaftlichen Entwicklung. Nehmen wir nur Extremwetterereignisse. Und singuläre Krisen, die ich vor Augen sehe, werden damit zu tun haben, dass man auf individuelles Verhalten zugreifen muss. Also indem etwa bei Extremwetterereignissen wird man Leute evakuieren müssen. Man wird Leuten sagen müssen, du kannst dein Haus nicht mehr an dieser Stelle aufbauen und man wird Zwang ausüben müssen auf Leute, die sagen, ich habe aber andere Informationen, ich lasse mich hier nicht evakuieren. Und zwar legitimen Zwang.
Wir werden mit Situationen vermehrt zu tun haben in der Zukunft, solche Art von Krisen, die individuelle Verhaltensveränderung verlangen, wenn man den Krisen als Gesellschaft in kollektiver Handlungsfähigkeit standhalten will. Und das ist das entscheidende Argument, können wir das überhaupt in einer modernen liberalen Gesellschaft, geht das eigentlich und muss man da nicht hinterrücks ganz furchtbare Dinge wie Angstkommunikation, also sozialpsychologische Dinge, benutzen, um solche Arten von Folgebereitschaften zur Veränderung von individuellem Verhalten vorzunehmen.
Das ist ein Unterschied als ob man eine Krise wie 2008/9 durch eine Stellschraubenveränderung in Bezug auf die Finanzmärkte lösen kann, das ist eine andere Sorte von Krisenlösung. Die Krisenlösungen, die uns bevorstehen, haben den Charakter von Kriegen, sie haben den Charakter von Pandemien und die haben den Charakter von Extremwetterereignissen, das ist absehbar. Auch Europa wird in mittlerer Frist noch wieder Kriege haben und da sind die Dinge, die wo man sich überlegen muss, welche Art von Vorratsreflexion sozialwissenschaftlicher Art braucht man auf diese absehbare Herausforderung, die vor uns steht, und das finde ich ziemlich interessant.
„Wer entscheidet, was das Richtige ist?“
An dieser Stelle grätscht Moderatorin Daphne Hruby dazwischen und stellt die wohl wichtigste Frage: „Wer entscheidet denn die Legitimation und die Verhältnismäßigkeit?“
Davon will Bude nichts wissen: „Erst mal darüber nachdenken“, antwortet er. Hruby lässt sich aber nicht beirren. Sie fährt fort: „Wenn solche Aussagen von einem Viktor Orban kommen würden, dann würden morgen alle europäischen Zeitungen sagen, dass wir in einer, dass morgen eine Diktatur-“ Es kommt nun deutliche Unruhe in die Runde. Hruby stellt daraufhin fest, dass sie nicht Viktor Orban verteidigen wolle. Sie fragt: „Ist das nicht ein gefährlicher Grat? Weil, wer entscheidet, was das Richtige ist und was angemessen ist?“ Budes Antwort besteht in einem Schulterzucken und einem „vielleicht habe ich nicht recht“.
Ist man jedoch derjenige gewesen, der die Politik zu Manipulation und potenziellen Zwangsmaßnahmen ermutigt hat – macht man es sich mit einem saloppen „ich lag falsch, dumm gelaufen“ nicht sehr einfach? Das Bewusstsein für die massiven Folgen für die Menschen als Individuen, für die Gesellschaft und für die politische Lage im Land, die derartige Zwänge mit sich bringen, lässt Bude vermissen.
Vertrauen in den Staat ist tief erschüttert
Denn Fakt ist: Das Vertrauen der Bevölkerung in „die Wissenschaft“, in die Politik sowie in die Demokratie ist infolge der Corona-Politik insbesondere in Deutschland zutiefst erschüttert worden. Dafür können Berater wie Bude sich kräftig auf die Schulter klopfen: Durch die Manipulation der Menschen, zu der sie die Regierung angeleitet haben, ist das vorherrschende Gefühl zahlreicher rechtschaffener Bürger gegenüber dem Staat nur noch Misstrauen. Und das hat nichts mit bösartigem Ungehorsam und „Delegitimierung des Staates“ zu tun, das hat die Regierung zu 100 Prozent selbst verschuldet. Sobald man Zwang anwenden muss, bedeutet das, dass man in Wahrheit keine Argumente hat, die die Menschen überzeugen können. Dass Bude von Menschen mit „anderen Informationen“ spricht, gegen die Zwang angewendet wird (es gibt in solchen Situationen keinen „legitimen“ Zwang), ist mehr als bezeichnend: Regierende sollen sich demnach auch zukünftig zum Hüter einer einzigen Wahrheit erheben – und wer nicht pariert, der wird eben in die Knie gezwungen. So funktioniert keine Demokratie.
Die Corona-Krise sollte jedem vor Augen geführt haben, dass das totalitäre Vorgeben einer Einheitsmeinung und Repressionen gegen Abweichler nicht nur grundfalsch sind, sondern auch gefährlich für die Gesellschaft. Im Elfenbeinturm bekommen freilich weder Politiker noch deren Berater viel von der Stimmung in der Bevölkerung mit. Dass die so notwendigen Lehren aus der „Pandemie“ bis heute nicht gezogen wurden und so jederzeit eine Wiederholung des Corona-Unrechts bei neuen sogenannten Krisen droht, ist nicht nur beschämend – es ist gefährlich.