Ein systematisches Versagen von Polizei und Behörden ermöglichte über Jahrzehnte den sexuellen Missbrauch von mindestens 1.500 Mädchen in der nordenglischen Industriestadt Rotherham. Was sich dort abspielte, ist mehr als ein Skandal – es ist das Protokoll einer moralischen Bankrotterklärung des Rechtsstaats.
Die Fakten, die in einem aktuellen Bericht aufgezeigt werden, sind erschütternd: Zwischen 1997 und 2013 wurden hunderte minderjährige Mädchen, die meisten aus schwierigen sozialen Verhältnissen, von organisierten Tätergruppen systematisch missbraucht. Die Opfer wurden mit Alkohol und Drogen gefügig gemacht, eingeschüchtert und zur Prostitution gezwungen. Einige wurden mit Benzin übergossen und mit dem Tod bedroht, andere mit Waffen bedroht oder brutal vergewaltigt.
Das Perfide daran: Die Behörden wussten seit den 1990er Jahren von den Vorfällen. Doch statt einzugreifen, schauten sie weg. Der Grund dafür war eine toxische Mischung aus falsch verstandener politischer Korrektheit und institutionellem Rassismus. Da die Täter überwiegend pakistanischer Herkunft waren, fürchteten Polizei und Sozialarbeiter, als “rassistisch” gebrandmarkt zu werden, wenn sie ermittelten.
“Wir können es uns nicht leisten, dass das an die Öffentlichkeit kommt”, soll ein hochrangiger Polizeibeamter dem Vater eines Opfers gesagt haben. Die Stadt würde “explodieren”, wenn bekannt würde, dass pakistanischstämmige Männer systematisch weiße Kinder missbrauchten.
Stattdessen wurden die Opfer kriminalisiert. Als eine 13-Jährige nachts betrunken mit einer Gruppe erwachsener Männer aufgegriffen wurde, verhaftete die Polizei das Mädchen. Die Männer ließ man laufen. Väter, die versuchten, ihre Töchter zu retten, wurden festgenommen. Eine 15-jährige Vergewaltigte, die so schwer verletzt wurde, dass sie operiert werden musste, bekam von Beamten zu hören, das sei eine “Lektion” für sie.
Der Fall Laura Wilson zeigt exemplarisch das Versagen der Behörden: Mit 13 wurde sie von ihrer Mutter um 5 Uhr morgens mit einem 32-jährigen Mann im Wohnzimmer erwischt. Ihr Bauch wies Brandwunden auf. Die Polizei unternahm – wieder einmal – nichts. Mit 17 wurde Laura ermordet, erstochen und in einen Kanal geworfen. Ihr Mörder hatte sie zuvor als “ungläubige Schlampe” bezeichnet.
Bereits 2014 brachte der Jay-Report das ganze Ausmaß ans Licht. Doch bis heute wurde kein einziger Beamter für sein Fehlverhalten inhaftiert. Von 47 beschuldigten Polizisten mussten sich nur 14 überhaupt verantworten. Die härteste Strafe: eine schriftliche Verwarnung.
Das eigentlich Erschreckende an Rotherham ist nicht nur die schiere Zahl der Opfer. Es ist die Erkenntnis, dass ein System, das geschaffen wurde, um die Schwächsten zu schützen, komplett versagt hat – aus Feigheit, Ignoranz und falsch verstandener Toleranz. Die Folgen tragen die Opfer bis heute.