Für die Alternative für Deutschland ist die Personalie Maximilian Krah zumindest auf EU-Ebene eine maximale Katastrophe. Aus der ID-Fraktion ausgeschlossen, fehlt ihr in Straßburg und Brüssel künftig jener politische Druck, den die Rechte dort eigentlich bräuchte. Allerdings fehlt es der AfD auch an einer gewissen Einigkeit bei bestimmten Themen, sodass sie für manche der EU-Partner als „unberechenbar“ erscheint.
Ein Kommentar von Heinz Steiner
Der Fall Maximilian Krah verdeutlicht wieder einmal, dass die europäische Einigung auch weiterhin mehr eine Utopie ist und historische Befindlichkeiten auch heute noch eine wichtige Rolle spielen. Gerade als Jurist hätte Krah sich dessen bewusst sein müssen, dass man bestimmten Worten und Taten gerade bei AfDlern besonders starke Gewichtung beimisst. Aber auch innerhalb der Partei selbst muss man sich die Frage stellen, welche Personalien man künftig auf Spitzenplätzen kandidieren lassen möchte.
Doch das eigentliche Problem sind nicht unbedingt Krahs Äußerungen über SS-Offiziere (die linkslastige italienische Zeitung „La Repubblica“ sprach übrigens explizit die Offiziere und nicht die SS als Ganzes an), sondern vielmehr die Wahrnehmung der AfD als Ganzes bei den anderen Parteien der Fraktion Identität und Demokratie. Das Interview war schlussendlich nur der Tropfen, der das Fass überlaufen ließ. Vielmehr liegt das Problem deutlich tiefer.
Denn die meisten Parteien der politischen Rechten in Europa sind mehr oder weniger transatlantisch ausgerichtet. Selbst Marine Le Pen (RN), die früher recht gute Beziehungen nach Moskau unterhielt, hat mittlerweile das Team gewechselt. Die italienische ID-Partei Lega, die mit den Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni koaliert und wohl bei den EU-Wahlen deutlich abstürzen dürfte, hat auch keine Lust, es sich mit den Regierungspartnern in Rom zu verscherzen. Hinzu kommt, dass die Fraktionen im EU-Parlament laut Vorgaben nicht nur mindestens 25 Abgeordnete aus mindestens einem Viertel (7) der Mitgliedsstaaten vorweisen müssen, sondern deren Mitgliedsparteien auch noch „eine gemeinsame weltanschauliche Ausrichtung“ besitzen.
Und genau da liegt das eigentliche Problem. Spitzenkandidat Krah hat mit seinen Aktionen während der letzten Jahre die Integration der AfD in die ID-Fraktion unterhöhlt und mit seinem SS-Sager (welcher der Weltanschauung der EU-Fraktionspartner ganz und gar nicht entspricht) nun endgültig das Band zerrissen. Sämtliche Rettungsversuche der EU-Delegation der Alternative für Deutschland liefen ins Leere, weil es einfach an Gemeinsamkeiten mangelt. Insofern dürfte der Ausschluss der AfD aus der Fraktion auch eine Art Schutzmaßnahme gewesen sein, um eine Auflösung durch den Europäischen Gerichtshof zu vermeiden. Das ist ein Aspekt, der bei den ganzen Debatten interessanterweise nicht öffentlich angesprochen wird.
Es stellt sich allerdings auch die Frage, was die AfD schlussendlich will: Fundamentalopposition und nationale Alleingänge oder aber Regierungsfähigkeit und die Bereitschaft zu Kompromissen auf EU-Ebene, um die Europäische Union zu reformieren anstatt sie zu sprengen. Möchte sie mit den transatlantischen Rechtsparteien anbandeln, oder aber für eine unabhängige deutsche Außenpolitik mit guten/ausgewogenen Beziehungen zu allen Großmächten (USA, Russland & China) eintreten? Dementsprechend müssen auch die Personalien für die Wahlen ausgesucht werden.
Die Entscheidung, Maximilian Krah zum Spitzenkandidaten bei der Europawahl zu ernennen, war jedenfalls ein sprichwörtlicher Griff ins Klo, zumal seine Personalie bereits zuvor umstritten war und Le Pen bei Alice Weidel entsprechend vorstellig wurde, was man jedoch geflissentlich ignorierte. Mit dem aktuellen Skandal dürften die ohnehin schon schwachen Umfragewerte für die AfD (15-17 statt wie zuvor 20-22 Prozent im Februar und März) auch nicht besser werden – von den potenziellen Wahlergebnissen ganz zu schweigen.