Weil ein Polizist in einem Pariser Vorort einen 17-jährigen Nordafrikaner erschoss, der sich bei einer Verkehrskontrolle den Aufforderungen der Beamten widersetzte, randalieren Tausende Migranten in mehreren französischen Städten. Seit Tagen kommt es zu Ausschreitungen, Gewalt und Vandalismus. Die Lage ist aufgeheizt und droht, weiter zu eskalieren.
Der jüngste Ausbruch gewalttätiger Proteste in Frankreich, der nach der Tötung eines jugendlichen Nordafrikaners durch einen Polizisten in einem Pariser Vorort begann, hat Befürchtungen geweckt, dass sich die Unruhen, die 2005 mehrere Wochen lang in französischen Vorstädten stattfanden, wiederholen könnten. Die von Präsident Emmanuel Macron geführte Regierung bemüht sich, eine Wiederholung zu verhindern. Als Reaktion auf die Zusammenstöße, die sich in mehreren französischen Städten nach der Erschießung eines 17-Jährigen bei einer Verkehrskontrolle in Nanterre ereigneten, berief Macron am Donnerstagmorgen eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein. Die Regierung hat nun alle nicht unbedingt notwendigen Reisen von Ministern abgesagt, um die Spannungen im Land zu verringern.
Nordafrikaner widersetzte sich Polizeikontrolle
Macron verurteilte den Polizeibeamten, der Nahel M. (dessen vollständiger Name nicht bekannt gegeben wurde) erschossen hatte, schnell und deutlich. Videoaufnahmen zeigen zwei Beamte bei der Kontrolle eines gelben PKW – dieser beschleunigt plötzlich und reißt dabei zunächst einen der Polizisten mit. Der Nordafrikaner soll polizeibekannt gewesen sein, der Polizist, der schoss, gab an, er habe befürchtet, der Migrant würde andere Menschen mit dem Auto verletzen. Er wollte ihn stoppen und eine weitere Flucht (wie sie bei anderen Gelegenheiten offenkundig bereits vorkam) verhindern. Macron nannte die Tötung ungeachtet dessen „unerklärlich“ und „unentschuldbar“. Gegen den Beamten wird wegen „vorsätzlicher Tötung“ ermittelt.
Paris Playbook berichtet, dass Polizeibeamte angewiesen wurden, Handlungen zu vermeiden, die die Spannungen in Frankreichs verarmten Vororten, in denen hauptsächlich moslemische Zuwanderer und deren Nachkommen leben, verstärken könnten. Innenminister Gerald Darmanin hat landesweit 40.000 Polizeibeamte eingesetzt, um mit entsprechender Präsenz auf den Straßen der Lage zu begegnen. Die aktuellen Unruhen haben eine unangenehme Ähnlichkeit mit den Ereignissen, die Frankreich vor fast zwei Jahrzehnten erschütterten.
Auch ein Resultat jahrzehntelanger Massenzuwanderung
Im Jahr 2005 starben zwei junge moslemische Männer namens Zyad Benna und Bouna Traoré bei dem Versuch, einer Polizeikontrolle im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois zu entkommen. Dieses Ereignis löste wochenlange Unruhen aus, bei denen vor allem Nordafrikaner, Schwarzafrikaner und andere Moslems mit der Polizei aneinandergerieten. Dies führte zu zahlreichen Verhaftungen und dem Niederbrennen von Hunderten von Autos. Die Regierung sah sich schließlich gezwungen, den Ausnahmezustand auszurufen, um die Unruhen zu unterdrücken. Zustände, die auch als das Resultat der jahrzehntelangen Massenzuwanderung aus den früheren französischen Kolonien gelten können.
Am Donnerstag rief Macron nach der Verhaftung von 180 Personen, Angriffen auf öffentliche Gebäude und der Inbrandsetzung einer Straßenbahn in einem Pariser Vorort erneut zur Ruhe auf. Mittlerweile ist von 400 Verhaftungen die Rede. Frankreich hatte zuletzt bereits mit wochenlangen Protesten gegen die Rentenreformen zu kämpfen, durch die das Rentenalter erhöht wurde. Darüber hinaus herrscht im Land hohe Unzufriedenheit über die Inflation. Eine sehr aufgeheizte Stimmung, die weiter kippen könnte.