Die politischen Ereignisse der letzten Tage sind ganz erstaunlich. Zunächst war Herr Soros junior beim ÖVP-Platzhalter-Bundeskanzler Karl Nehammer zu Gast. Milliardäre können in der österreichischen Regierung ja offenbar ein- und ausgehen wie es ihnen passt. Dann stellte die ÖVP die Neutralität in Frage, sie wäre gar von Sowjetkommunisten aufgezwungen worden – um barsch vom russischen Außenministerium zurechtgewiesen zu werden. Nun ruderte Nehammer auf Twitter zurück.
Ein Kommentar von Florian Machl
Via Twitter teilte der ÖVP-Platzhalter-Kanzler am 7. März um 12:30 der Öffentlichkeit mit:
Es bedarf keiner Aufforderungen oder Zurufe: Österreich war neutral, ist neutral und wird auch weiterhin neutral bleiben. Die Neutralität leistet uns gute Dienste, sie steht nicht zur Debatte.
Wie Report 24 vor wenigen Tagen aufdeckte, wurde die Neutralität von Österreich seit dem 2. Weltkrieg allerdings vielfach gebrochen. Siehe: „Spiel mit dem Feuer: US-Anlagen in Österreich könnten wieder russisches Atomraketen-Ziel sein„.
Die Neutralität ist seit dem Staatsvertrag, mit dem die alliierten Siegermächte Österreich in die Souveränität entließen, gesetzlich verankert. Der österreichische Nationalfeiertag vom 26. Oktober, auch „Tag der Fahne“ genannt, ist dieser Neutralitätserklärung gewidmet. Die Neutralität wurde in Österreich stets als hohes Gut gehandelt und Kindern schon im frühesten Alter als wünschenswert erklärt. Tatsächlich ist es auch wünschenswert, seinen Einwohnern zu garantieren, nie wieder an einem Angriffskrieg beteiligt zu sein. Friedliche Menschen beziehen aus diesem Status ein Gefühl der Sicherheit, auch die Wirtschaft profitiert nachhaltig aus Stabilität.
ÖVP setzt Neutralität aufs Spiel
All dies setzte die ÖVP in den letzten Tagen leichtfertig aufs Spiel. Ob auf Zuruf vom jungen Erben des greisen, selbsternannten Weltenlenkers George Soros ist unbekannt. Dieser geht jedenfalls in den letzten Wochen in der Regierung ein und aus und trifft sich dort offenbar, mit wem immer er will – und zu Zwecken, die der Öffentlichkeit natürlich nicht näher erklärt werden. Karl Nehammer erklärte in der ORF-Sendung Zeit im Bild, dass die Neutralität dem Land nach dem Weltkrieg von den Sowjetkommunisten aufgezwungen worden wäre. Das Land wäre nur „scheinbar neutral“.
Tatsächlich gibt es neben dem Staatsvertrag einen Sideletter, das Moskauer Memorandum, in dem sich Österreich gegenüber Russland verpflichtete, in Hinkunft nach dem Vorbild der Schweiz die Neutralität einzuführen und zu wahren. Von Zwang kann aber nach der Mitschuld an den Ereignissen der NS-Zeit wohl kaum eine Rede sein, abgesehen davon waren die Menschen Österreichs damals wie heute sicherlich froh, „nie wieder“ an einem Krieg teilnehmen zu müssen.
Russland weist Österreich zurecht, Systemmedien verschleiern den Volltext
Ein Ordnungsruf der damals vertragsunterzeichnenden Siegermacht ließ nicht lange auf sich warten. Unverhohlen war die Drohung des russischen Außenministeriums, welche sowohl die Äußerungen Nehammers als auch jene des Kurzzeit-Platzhalter-Kanzlers Schallenberg, der aktuell als Außenminister fungiert, entsprechend würdigte. Den Wortlaut der Äußerung mussten die Österreicher allerdings der APA Presseaussendung oder einer der ohne Eigenleistung abschreibenden Zeitungen entnehmen, der Volltext blieb Eingeweihten vorbehalten. Wir stellen die Texte gerne gegenüber:
APA / alle Systemmedien:
Wir verurteilen entschieden derartige unbegründete Aussagen und Einschätzungen“, erklärte das russische Außenministerium. Dadurch würden ernste Zweifel an der Qualität von Wiens „Neutralität“ aufkommen, die in der letzten Zeit merklich abnehme und erodiere. Man werde das in Zukunft berücksichtigen, schloss die Erklärung.
Russische Botschaft Wien / Russisches Außenministerium, 5. März:
Erklärung des Außenministeriums Russlands zu Äußerungen österreichischer Regierungsvertreter zur Situation in der Ukraine
Wir wurden auf einige einseitige und empörende Äußerungen österreichischer Regierungsvertreter über Russland in Bezug auf die Situation in der Ukraine aufmerksam, die in den letzten Tagen gemacht wurden. Unter anderem hat der Bundeskanzler des eigentlich neutralen Österreichs Karl Nehammer bei seinem Fernsehinterview am 27. Februar und der Pressekonferenz am 1. März mit emotionaler antirussischer Rhetorik der russischen Regierung vorgeworfen, Krieg angezettelt, das humanitäre Völkerrecht verletzt und sogar Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.
Außerdem sei Nehammers Behauptungen zufolge die Neutralität Österreich von sowjetischen Kommunisten nach dem 2. Weltkrieg als Ausgleich für den Abzug der Besatzungstruppen „aufgezwungen“ worden. Es sei daran erinnert, dass Österreich 1955 seine Eigenstaatlichkeit mit der Unterzeichnung des Staatsvertrages über die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs durch die UdSSR, Großbritannien, die USA und Frankreich erlangt hatte, was erst durch die Befreiung vom Faschismus durch die Rote Armee und der Alliierten im Jahr 1945 möglich wurde. Die Befreiung des Gebietes jenes Landes kam zu einem hohen Preis: die unwiederbringlichen Verluste der sowjetische Armee betrugen mehr als 26.000 Menschenleben.
Auch der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Österreichs Alexander Schallenberg erhob im Rahmen der erwähnten Pressekonferenz absurde Anschuldigungen gegen Russland, machte es für die Zerstörung der europäischen Sicherheitsarchitektur und die „kriegsverbrechenähnlichen“ Angriffe auf die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur in der Ukraine verantwortlich.
Wir verurteilen solche unbegründeten Aussagen und Einschätzungen aufs Schärfste. Wir bedauern sehr, dass sich österreichische Würdenträger mit solchen zu Wort melden und damit ernsthafte Zweifel an der Qualität der in der letzten Zeit merklich sinkenden und erodierenden Wiener „Neutralität“ aufkommen lassen. Dies werden wir in Zukunft berücksichtigen.
Haben Nehammer und Schallenberg Österreich möglicherweise zum legitimen Kriegsziel gemacht? Die Nation Österreich steht den alliierten Siegermächten durch den Staatsvertrag im Wort. Diesen zu brechen kann logischerweise Konsequenzen nach sich ziehen – wie jeder Vertragsbruch.